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Kunstwart und Kulturwart — 28,3.1915

DOI Heft:
Heft 17 (1. Juniheft 1915)
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Steffen, Gustaf Fredrik: Die britische Politik und der Weltkrieg
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https://doi.org/10.11588/diglit.14420#0205

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walt tst das Zusammenschmelzen einzelner Stämme und Staaten in große
oder kleine Einheiten möglich. Immer, wenn eine Abweichung oder ein
Versuch zur Abweichung von diesem Gesetze vorkommt, ist die Folge ent--
weder die innere Auslösung des Staates oder sein plötzlicher Untergang,
und die auseinandergerissenen Landgebiete werden mit den Besitzungen
der Sieger vereinigt.

„ Auf diese Weise und nicht anders ist die britische Weltherrschaft aus
den Bruchstücken vier großer Seemächte, aus allerlei kleinen Staaten und
den jungfräulichen Ländern namenloser wilder Stämme zusammengesügt
worden.

„Als Venedigs und Genuas Handelsmacht an Portugal und Spanien
überging, hatten diese beiden Mächte durch ihre Entdeckungen und Er--
oberungen praktisch die Welt unter sich geteilt. Doch der militärische Ver--
fall begann in Portugal früh, und am Ende der düsteren Regierung Iohanns
des Dritten war dieses Land aus der Reihe der Weltreiche ausgetreten.
Auf dieselbe Weise begann Spanien nach der Empörung der Niederlande
zu verfallen.

„Holland, Frankreich und England übernahmen nun die Macht dieser
beiden geschwächten Staaten, ebenso wie sie die aufgegebenen Macht-
gebiete anderer Staaten und Stämme übernommen hatten.

„Hollands unvermeidlicher, tragischer Verfall begann nicht eher als
nach dem Frieden zu Breda. Holland litt an der alten Krankheit der Völker,
an der universalen Geistesschwäche, die sich in der Illusion äußert, daß der
Handel und sein Gold ein Nationalkapital mit unendlicher Wachskraft
und von einer proportionalen militärischen Kraftentwicklung unabhängig
seien. Dieses Land stieg also von dem Dhrone seiner Größe herab und
sitzt jetzt im Schatten, hinter dem Fußschemel irgendeiner andern Macht —
einer unter den Anbetern des Weltfriedenphantomes. Auf Hollands Nieder-
gang folgte der Frankreichs, der nach dem Siebenjährigen Kriege begann und
in der Revolutionszeit endete. Als Frankreich als Seemacht verkümmerte,
war es mit der Oberhoheit des Festlandes auf den Weltmeeren vorbei.
Am Ende des achtzehnten Iahrhunderts hatte England innerhalb seiner
Besitzungen die Trümmer aller jener festländischen Staaten — für deren
Niedergang England jedoch nicht allein verantwortlich war — zusammen--
gebracht. England benutzte die Schwäche und Verblendung der Mit-
bewerber und machte — wie es unter den Völkern Brauch ist — seine
eigene Tapferkeit und Brutalität geltend und eignete sich die Herrschaft
über eines der Weltmeere nach dem andern und über die Besitzungen
der andern an.

„Nach hundertjähriger Weltherrschaft und Abermacht, wie das Menschen-
geschlecht sie bisher noch nie gekannt hat, erhebt sich gegen das britische
Imperium nicht eine Macht in dem kommenden Kampfe um die Herr-
schaft über ein Drittel der Welt, sondern vier. Iedes dieser vier Völker
ist besser ausgerüstet, den Angelsachsen die Weltmacht zu entreißen, als
diese von der Mitte des sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten Iahr-
hunderts dazu ausgerüstet waren, den Händen Portugals, Spaniens, Hol-
lands und Frankreichs die Weltherrschaft zu entwinden."

«»»nter den vier Rivalen Englands in der heutigen Zeit bezeichnet Homer
^i-Lea einen als den unvergleichlich gefährlichsten — gefährlich nicht so
sehr durch äußere Stellung wie durch innere Kraft, militärische und wirt-
 
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