Die ZukunfL Ostasiens und wir Deutschen
Vordringen Iapans in China wird in weiten Kreisen so beurteilt,
Idaß man sich über Iapan stark entrüstet und in China das Opfer-
lamm sieht, das erdrosselt werde. Man meint, die Lage auch unter
dem deutsch-nationalen Gesichtspunkt so beurteilen zu müssen, denn wäh-
rend man Iapan sür einen Feind Deutschlands HLlt, den es in Zukunft
für Tsingtau zu strasen habe, HLlt man China sür Deutschlands Freund,
der sicher auch weiterhin Gegenstand deutscher BetLtigung in mannig-
faltiger Hinsicht HLtte bleiben können und wollen. So bedrohe Iapans
dreistes Vorgehen in China deutsche Lebensinteressen.
Diese Beurteilung wird der wirklichen Lage der Dinge in Ostasien nicht
gerecht und erkennt auch nicht richtig, was die deutschen Interessen in
Ostasien ersordern.
Daß China augenblicklich für Deutschland Sympathien empsindet,
ist die Folge der Lhnlichen Lage beider LLnder, die beide von einer
Schar von Feinden bedrängt sind, und ist eine Nachwirkung der deutschen
Kulturarbeit in Tsingtau, über die die Chinesen schon bald nach ihrer
Entsaltung das richtige Arteil gewonnen hatten: daß sie weniger selbst-
süchtig sei als die Wirksamkeit der andern WestmLchte in China.
Aber diese augenblicklichen Sympathien dürsen uns doch darüber nicht
tLuschen, daß wir Deutschen mit unserer Politik den Chinesen im Grunde
ebenso lästig und unbequem sind wie die andern Völker, die neben uns
in China arbeiten. Die Chinesen sehnen sich mit aller Kraft ihres un-
geheuren Stolzes nach der Zeit, wo sie von allem Druck aller fremden
Staaten frei sein werden. And wenn ihnen das jetzige Vorgehen Iapans
dazu verhilst, so werden sie sogar dieses willkommen heißen, obgleich
dadurch ihr Land zunächst unter japanischen Haupteinsluß kommt. Denn
sie werden sich lieber von dem einen und ihnen stammverwandten
Volke zu einer gedeihlichen Lntwicklung leiten lassen, als daß sie sich
weiter von den sich untereinander widerstreitenden Interessen „weißer"
Völker hin und her zerren lassen, ein Verfahren, bei dem sie schon mehr-
fach in Gefahr waren, zerrissen zu werden.
Wieweit die jetzigen Verhandlungen zwischen Iapan und China ernst
waren, oder wieweit sie nur um des Volkes und des Auslandes willen
fingiert wurden, während in Wirklichkeit Puan Schikai und die Iapaner
längst einig waren, das läßt sich heute noch nicht sagen.
Soviel aber steht für den Kenner der VerhLltnisse fest: daß China
unter der Vorherrschaft allein der Iapaner bessere Aussicht hat, aus
seiner Ohnmacht emporzukommen, als unter der Vorherrschaft der vielen
weißen Völker. And China will emporkommen.
Es wird früher oder später neben Iapan als eine starke Großmacht
in den Kreis der führenden Völker der Erde treten. In genau der
zielbewußten, tatkräftigen Art, in der heute Iapan seine Interessen ver-
tritt, wird dann auch China sein Handeln nur von dem Gesichtspunkt
bestimmen lassen, was für China nützlich ist. Genau wie wir Deut-
schen unser Handeln danach einzurichten haben, was Deutschland nützt.
Ob uns das nun lieb oder unlieb ist: es gilt der Tatsache ins Gesicht
zu sehen, daß in absehbarer Zeit Iapan und China als gewaltige
GroßmLchte in allen wichtigen Entscheidungen auf der ganzen Erde
mitreden werden. Iapan und China werden dann nicht als geschlossene
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Vordringen Iapans in China wird in weiten Kreisen so beurteilt,
Idaß man sich über Iapan stark entrüstet und in China das Opfer-
lamm sieht, das erdrosselt werde. Man meint, die Lage auch unter
dem deutsch-nationalen Gesichtspunkt so beurteilen zu müssen, denn wäh-
rend man Iapan sür einen Feind Deutschlands HLlt, den es in Zukunft
für Tsingtau zu strasen habe, HLlt man China sür Deutschlands Freund,
der sicher auch weiterhin Gegenstand deutscher BetLtigung in mannig-
faltiger Hinsicht HLtte bleiben können und wollen. So bedrohe Iapans
dreistes Vorgehen in China deutsche Lebensinteressen.
Diese Beurteilung wird der wirklichen Lage der Dinge in Ostasien nicht
gerecht und erkennt auch nicht richtig, was die deutschen Interessen in
Ostasien ersordern.
Daß China augenblicklich für Deutschland Sympathien empsindet,
ist die Folge der Lhnlichen Lage beider LLnder, die beide von einer
Schar von Feinden bedrängt sind, und ist eine Nachwirkung der deutschen
Kulturarbeit in Tsingtau, über die die Chinesen schon bald nach ihrer
Entsaltung das richtige Arteil gewonnen hatten: daß sie weniger selbst-
süchtig sei als die Wirksamkeit der andern WestmLchte in China.
Aber diese augenblicklichen Sympathien dürsen uns doch darüber nicht
tLuschen, daß wir Deutschen mit unserer Politik den Chinesen im Grunde
ebenso lästig und unbequem sind wie die andern Völker, die neben uns
in China arbeiten. Die Chinesen sehnen sich mit aller Kraft ihres un-
geheuren Stolzes nach der Zeit, wo sie von allem Druck aller fremden
Staaten frei sein werden. And wenn ihnen das jetzige Vorgehen Iapans
dazu verhilst, so werden sie sogar dieses willkommen heißen, obgleich
dadurch ihr Land zunächst unter japanischen Haupteinsluß kommt. Denn
sie werden sich lieber von dem einen und ihnen stammverwandten
Volke zu einer gedeihlichen Lntwicklung leiten lassen, als daß sie sich
weiter von den sich untereinander widerstreitenden Interessen „weißer"
Völker hin und her zerren lassen, ein Verfahren, bei dem sie schon mehr-
fach in Gefahr waren, zerrissen zu werden.
Wieweit die jetzigen Verhandlungen zwischen Iapan und China ernst
waren, oder wieweit sie nur um des Volkes und des Auslandes willen
fingiert wurden, während in Wirklichkeit Puan Schikai und die Iapaner
längst einig waren, das läßt sich heute noch nicht sagen.
Soviel aber steht für den Kenner der VerhLltnisse fest: daß China
unter der Vorherrschaft allein der Iapaner bessere Aussicht hat, aus
seiner Ohnmacht emporzukommen, als unter der Vorherrschaft der vielen
weißen Völker. And China will emporkommen.
Es wird früher oder später neben Iapan als eine starke Großmacht
in den Kreis der führenden Völker der Erde treten. In genau der
zielbewußten, tatkräftigen Art, in der heute Iapan seine Interessen ver-
tritt, wird dann auch China sein Handeln nur von dem Gesichtspunkt
bestimmen lassen, was für China nützlich ist. Genau wie wir Deut-
schen unser Handeln danach einzurichten haben, was Deutschland nützt.
Ob uns das nun lieb oder unlieb ist: es gilt der Tatsache ins Gesicht
zu sehen, daß in absehbarer Zeit Iapan und China als gewaltige
GroßmLchte in allen wichtigen Entscheidungen auf der ganzen Erde
mitreden werden. Iapan und China werden dann nicht als geschlossene
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