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Kunstwart und Kulturwart — 28,4.1915

DOI Heft:
Heft 22 (2. Augustheft 1915)
DOI Artikel:
Werner, Ferdinand: [Abrüstung der politischen Parteien?]
DOI Artikel:
Goldstein, Moritz: Krieg als Erwecker
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https://doi.org/10.11588/diglit.14421#0132

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gehen Haß und Nerd, Mißgunst und Eifersucht wieder ihren trostlosen
Gang.

Sollte darum aber der ungeheure Krieg gestritten sein?

Heil unserm Kaiser, wenn es ihm gelänge, die notwendige Ergänzung
zum Augnst zu schaffen» es wäre eine neue der seltenen großen
Stunden unsres Vaterlandes! Wie flöge, losgelöst von den Neidharten
der politischen Parteien, der völkische Gedanke auf glückhasten Schwingen,
um wieviel reiner und seliger würdest du sein, du deutsches Leben! fm)

Ferdinand Werner, M. d. R.

Krieg als Erwecker

as Creszendo der Iuli- und Augnsttage (9(^ ist wohl sür alle Dent-
^.^Hschen das größte Erlebnis gewesen, das ihnen die Welt bisher ge-
boten hat. Das Bewußtsein, in einem höheren Grade als sonst
zu leben, ersüllte jeden, der nicht ganz stumpf war, mit einem Glücks-
gefühl, das über irgendwelche Gedanken an Katastrophe und Opfer weit
emportrug. Daß es nicht nur anders, sondern besser geworden sei, für
jetzt und künftig, war die allgemeine Gewißheit; daß eine Läuterung der
Menschen, des politischen, des gesellschaftlichen Lebens, nicht zuletzt auch
der Kunst solgen werde, ist Äie oft ausgesprochene Hoffnung. Rnd einer
unsrer Besten ging mit dem Bewußtsein in den Heldentod, daß er von
diesem Krieg einen unabsehbaren Fortschritt erwarte.

Hoffnung und Zuversicht sind noch heute, nach so vielen Monaten des
Ringens, unerschüttert; aber die Zeit des Rausches ist vorbei. Man
darf, man muß versuchen, sich über das, was vorgeht, Rechenschaft abzu-
legen. Was bedeutet das Erlebnis des Krieges? Hat die Tatsache, daß
wir Zeitgenossen eines Krieges — und dieses Krieges — sind, produk-
tiven Wert? Sind wir als Menschen dadurch gefördert, bereichert, ge-
bessert, verjüngt?

Diese Fragen muß man wohl unterscheiden von der nach den allge-
mein kulturellen Folgen dessen, was an politischen Gütern mit
den Waffen erhalten oder gewonnen wird. Davon abgesehen also:
Was bedeutet der Krieg menschlich? Hat Krieg als Krieg in irgendeinem
Leben in dem Sinne Epoche gemacht, wie HLufig genug die Liebe (Dante,
Petrarca), ein Todesfall (Luthers Iugendfreund), eine Reise (Goethe in
Italien), eine Bekanntschaft (Goethe und Herder), Gefangenschaft (Schiller
konzipierte Kabale und Liebe im Arrest; Mirabeau), Krankheit (Nietzsche)?

Man wird natürlich lächeln und unbedenklich antworten, daß der Krieg
das unvergleichlich größere, tiefere und fruchtbarere Erlebnis sei.

Soviel ich sehe, kann man keinen einzigen Fall einer entsprechenden
Wirkung nennen. Man denkt etwa an so bekannte Beispiele wie
Körner und Liliencron. Aber Liliencron hat seine Kriegsnovellen erst
viele Iahre nach dem Lrlebnis geschrieben, und sie setzen den Krieg nur
als Stoff voraus. Körner ist im Kriege und durch ihn aus einem liebens-
würdigen Dilettanten zum Dichter geworden. Doch Körner war noch so
jung, daß überhaupt die Lntwickelung zum Eigenartigen noch vor ihm
lag. Immerhin ist dies ein Fall, wo ver Krieg eine schlummernde Kraft

geweckt hat. Auch Schenkendorf schuf feine besten Gedichte im Felde

und ist gewiß durch die Freiheitskriege geworden, was er wurde,- bei ihm

war aber die Kraft auch mit dem Kriege erfchöpft, ihn haben also die Lr-
 
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