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Kunstwart und Kulturwart — 28,4.1915

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Heft 19 (1. Juliheft 1915)
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Frank, Paul: "Kriegskrüppel"
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Drei Gellertsche Fabeln
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https://doi.org/10.11588/diglit.14421#0034

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die Arbeit wegnähme. Die Stände sollten vielmehr wetteifern darin, ihre
verkrüppelten Berussgenossen in die alte Arbeitsgemeinschast aufzuneh-
men. Denn das ist nach den Erfahrungen in der Friedenskrüppelfürsorge
zum allergrößten Teile durchaus möglich.

Wohl ist die Bereitwilligkeit zu dieser sozialen Fürsorge auf dem Kon--
greß der „Deutschen Vereinigung für Krüppelfürsorge" von allen Seiten
ausdrücklichst betont worden. Verwirklicht jedoch kann sie in wünschens-
wertem Amfange nur dann werden, wenn auch der letzte Arbeiter sich zu
der Äberzeugung durchringt, daß diese Invaliden kein trübes Bild des
Iammers und des Mitleids bilden, sondern ein Gegenstand der Liebe,
der Dankbarkeit und des Stolzes ihrer Volksgenossen sein dürsen und sein
müssen. Es ist unsre Pflicht, ihnen zu aufrechtem, wirtschaftlich un-
abhängigem Dasein in unsrer Volksgemeinschaft zu verhelfen. „Anseret-
wegen und seiner selbst willen soll der Verstümmelte wieder sein eigenes
Brot verdienen."

In Wien hat sich eine sogenannte Militär-Invaliden-Liga gebildet, die
diejenigen Fabriken und Geschäfte durch Plakate und Listen kenntlich
machen will, die Kriegskrüppel einstellen, und die diese Firmen durch
diese Kennzeichnung dem besonderen Wohlwollen der Verbraucher emp-
fehlen will. Line Anfgabe, der in Deutschland etwa der Käuferbuud
durch eine Erweiterung seiner Richtlinien nachgehen sollte.

Begnügen wir uns nicht damit, für das Auglück unsrer Kriegsteilnehmer
einen andern Namen zu finden, sondern bezeichnen wir die Verkrüppelten
ruhig als „Kriegskrüppel", indem wir jedoch gleichzeitig dafür sorgen, daß
dieser Ausdruck als das empfunden wird, was er ist: als ehrend. Das
Los dieser Krüppel zu lindern und zu bessern, dazu kann jeder mithelfen.
Die Arbeitgeber durch das Einstellen dieser Männer, ihre Berufsgenossen
durch kleine Hilseleistungen, die Verbraucher, und solche sind wir ja alle,
nach dem eben erwähnten Wiener Vorbild durch die Bevorzugung der
Geschäfte, die Kriegskrüppel beschästigen, oder durch unmittelbare Be-
nutzung ihrer Arbeit. ^ Pa ul F rank-Charlottenburg

Drei Gellertsche Fabeln*

Die Fliege

^n einem Tempel voller Pracht,

OAns dem die Kunst mit ewgem Stolze blickte,

Dich schnell zum Beifall zwang und gleich dafür entzückte,

And wenn sie dich durch Schmuck bestürzt gemacht,

Mit edler Einfalt schon dich wieder zu dir brachte, —

In diesem Bau voll Ordnung und voll Pracht
Saß eine sinstre Flieg auf einem Stein und dachte.

Denn daß die Fliegen stets aus finstern Augen sehn
And oft den Kopf mit einem Beine halten
And oft die flache Stirne falten,

Kömmt bloß daher, weil sie so viel verstehn
And auf den Grund der Sachen gehn.

So saß auch hier die weise Fliege.

Lin halbes Dutzend ernste Züge

* Vergl. hierzu den Rundschaubeitrag

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