Hier soll kein Ausblick in die Zukunft versucht werden — es mag ge-
nügen, knapp zusammengefaßt die inneren Wandlungen der englischen
Staats- und Wirtschaftsverfassung anzudeuten. Kaum ein Volk war so
konservativ in seiner Selbstverliebtheit, in dem naiven Selbstvertrauen auf
die überlegene Vortrefflichkeit seines Staats- und Wirtschaftsbaues; keines
hat, im Grundsätzlichen, so starke Stöße und Anderungen durchmachen
müssen. Die Kette der englischen Aberlieferungen ist heute schon völlig
und mehrfach zerrissen — sie kann nicht mehr in der alten «Form und Art
geflickt werden.
Für das Selbstbewußtsein vieler Lnglander ist das ein viel härterer
Schlag, als wenn sich ihre Soldaten in Flandern sür ein Taggeld, das
man ihnen ja gerne zahlt, verbluten. sm^ TheodorHeuß
Militärische Jugenderziehung?
^^ie ungeheure Kriegsaufgabe, die wir zu lösen haben, die uns alle
^HHKräste in den Dienst des sür unsre ganze Zukunft entscheidenden
^-^Kampses stellen lassen möchte und die auch für die Folgezeit den
höchsten Grad der Wehrkraft als nötig erscheinen läßt, hat auch den so ost
schon aufgebrachten und ebensooft wieder ausgegebenen Plan einer mili-
tärischen Iugenderziehung wieder aufleben lassen. Während des Krieges
liegt ja in der Tat eine solche Vorbereitung nahe sür alle, die gewärtigen
müssen, bald zu den Waffen gerufen zu werden. Sie haben bei den Ersatz-
truppenteilen nur eine sehr kurze Ausbildungszeit vor sich; jede Gelegen»
heit ist also erwünscht, schon vorher ihren Leib zn schulen und zu kräftigen
und sie, wo gute Anleitung dazu zu haben ist, auch schon in die militäri-
schen Dienstformen einzuführen. Dies hat nach Kriegsbeginn zur Linrich-
tung der sogenannten Iugendkompanien in Preußen und anderen Bundes-
staaten geführt. Aber ihre Ergebnisse wären recht viele unbefangene Be-
richte erwünscht. Soweit solche bekannt geworden sind, stimmen sie fast
alle in dem einen überein, daß die auf sie gestellten Lrwartungen jedenfalls,
was die Beteiligung und das Ausharren bei ihnen anlangt, nicht erfüllt
worden und daß gerade die nahe vor der Linziehung Stehenden dem Rufe
zu freiwilligem Beitritt am wenigsten gefolgt sind. Man verlangt daher,
da die innere Werbekraft der Sache enttäuscht hat, den Zwang zur Be-
teiligung. Man verlangt diesen aber in voller Aberzeugung von der Güte
der Einrichtung als einer ausgemachten Sache schon jetzt auch für die
kommende Friedenszeit zur Durchführung einer ausgeprägt militärischen
Iugendvorbereitung der Iahrgänge zwischen Schul- und Wehrpflicht. Nmr
mit diesem Verlangen wollen wir uns hier beschästigen.
Bis vor wenigen Iahren hat bei uns in Deutschland gegenüber ab-
weichenden Versuchen in anderen Ländern ein volles Linverständnis zwi-
schen den maßgebenden Vertretern der Heeresausbildung auf der einen
und der Iugenderziehung wie der gemeinnützigen Verbände für Turnen
und andere Leibesübungen auf der anderen Seite darüber bestanden, daß
Schule und freiwillige Iugendpslege dem Heer einen geistig und leiblich
möglichst gut vorgebildeten Nachwuchs zu liefern, der militärischen Aus-
bildung selbst aber nicht vorzugreifen hätten. Diesen Standpunkt haben
insbesondere auch hervorragende Vertreter unseres Heeres wie Moltke
vertreten. Lrst vor etwa fünf Iahren schien eine andere Auffassung Boden
zu gewinnen mit dem Aufkommen der Pfadfinder und der bayerischen Wehr-
nügen, knapp zusammengefaßt die inneren Wandlungen der englischen
Staats- und Wirtschaftsverfassung anzudeuten. Kaum ein Volk war so
konservativ in seiner Selbstverliebtheit, in dem naiven Selbstvertrauen auf
die überlegene Vortrefflichkeit seines Staats- und Wirtschaftsbaues; keines
hat, im Grundsätzlichen, so starke Stöße und Anderungen durchmachen
müssen. Die Kette der englischen Aberlieferungen ist heute schon völlig
und mehrfach zerrissen — sie kann nicht mehr in der alten «Form und Art
geflickt werden.
Für das Selbstbewußtsein vieler Lnglander ist das ein viel härterer
Schlag, als wenn sich ihre Soldaten in Flandern sür ein Taggeld, das
man ihnen ja gerne zahlt, verbluten. sm^ TheodorHeuß
Militärische Jugenderziehung?
^^ie ungeheure Kriegsaufgabe, die wir zu lösen haben, die uns alle
^HHKräste in den Dienst des sür unsre ganze Zukunft entscheidenden
^-^Kampses stellen lassen möchte und die auch für die Folgezeit den
höchsten Grad der Wehrkraft als nötig erscheinen läßt, hat auch den so ost
schon aufgebrachten und ebensooft wieder ausgegebenen Plan einer mili-
tärischen Iugenderziehung wieder aufleben lassen. Während des Krieges
liegt ja in der Tat eine solche Vorbereitung nahe sür alle, die gewärtigen
müssen, bald zu den Waffen gerufen zu werden. Sie haben bei den Ersatz-
truppenteilen nur eine sehr kurze Ausbildungszeit vor sich; jede Gelegen»
heit ist also erwünscht, schon vorher ihren Leib zn schulen und zu kräftigen
und sie, wo gute Anleitung dazu zu haben ist, auch schon in die militäri-
schen Dienstformen einzuführen. Dies hat nach Kriegsbeginn zur Linrich-
tung der sogenannten Iugendkompanien in Preußen und anderen Bundes-
staaten geführt. Aber ihre Ergebnisse wären recht viele unbefangene Be-
richte erwünscht. Soweit solche bekannt geworden sind, stimmen sie fast
alle in dem einen überein, daß die auf sie gestellten Lrwartungen jedenfalls,
was die Beteiligung und das Ausharren bei ihnen anlangt, nicht erfüllt
worden und daß gerade die nahe vor der Linziehung Stehenden dem Rufe
zu freiwilligem Beitritt am wenigsten gefolgt sind. Man verlangt daher,
da die innere Werbekraft der Sache enttäuscht hat, den Zwang zur Be-
teiligung. Man verlangt diesen aber in voller Aberzeugung von der Güte
der Einrichtung als einer ausgemachten Sache schon jetzt auch für die
kommende Friedenszeit zur Durchführung einer ausgeprägt militärischen
Iugendvorbereitung der Iahrgänge zwischen Schul- und Wehrpflicht. Nmr
mit diesem Verlangen wollen wir uns hier beschästigen.
Bis vor wenigen Iahren hat bei uns in Deutschland gegenüber ab-
weichenden Versuchen in anderen Ländern ein volles Linverständnis zwi-
schen den maßgebenden Vertretern der Heeresausbildung auf der einen
und der Iugenderziehung wie der gemeinnützigen Verbände für Turnen
und andere Leibesübungen auf der anderen Seite darüber bestanden, daß
Schule und freiwillige Iugendpslege dem Heer einen geistig und leiblich
möglichst gut vorgebildeten Nachwuchs zu liefern, der militärischen Aus-
bildung selbst aber nicht vorzugreifen hätten. Diesen Standpunkt haben
insbesondere auch hervorragende Vertreter unseres Heeres wie Moltke
vertreten. Lrst vor etwa fünf Iahren schien eine andere Auffassung Boden
zu gewinnen mit dem Aufkommen der Pfadfinder und der bayerischen Wehr-