„Kriegskrüppel"
Stelzfuß von ehedem: mit der demütig herabgezogenen Soldaten-
>-H^mütze und mit dem zerschlissenen Ordensband, der auf der Dreh-
orgel spielte: „Was ich bin und was ich habe, dank ich dir, mein
Vaterland" — der darf sich jetzt nicht vertausendfältigen. Schon sind
ja auch Organisationen entstanden, schon regen sich überall die Behörden
und Vereine, um das Los derer zu mildern, die durch den Krieg zu
„Krüppeln" geworden sind.
Nicht wiederkehren darf die Zeit, in der man seine Dankesschuld durch
ein Almosen an diese Veteranen tilgen zn können glaubte und sein
Mitgefühl dadurch zum Ausdruck brachte, daß man die Invaliden ab-
sonderte, denn ihr Anblick „zerriß einem ja das Herz". Die Orthopädie,
das mediko-mechanische Heilverfahren, die Erfolge der Krüppelfürsorge im
Frieden beweisen uns, daß fast alle Verkrüppelten wieder in ihre alten
Beruse zurückkehren können. „Ls gibt kein Krüppeltum mehr,
wenn der eiserne Wille vorhanden ist, es zu überwin-
den", so lautet die neue, unglaublich klingende, aber glücklicherweise
wahre und schon ost verwirklichte Botschast.* Hunderte von Beispielen
aus den bereits in Friedenszeiten bestehenden 5^ deutschen Krüppelheimen
mit ihren weit über 200 Werkstätten für etwa 50 Berufe erbringen den
Beweis dasür. Das Beispiel von dem hand- und sußlosen erwerbstätigen
Schlosser, von dem Mann ohne Füße und Hände, der in Königsberg
eine große Drechslerwerkstatt als Meister leitet oder gar das jetzt
besonders interessierende Vorbild des einbeinigen Hauptmanns, der
neun Wochen nach der Amputation des linken Beines ohne Hilse wieder
zu Pserde steigen und nach weiteren zwei Wochen sogar wieder Dienst,
man bedenke Militärdienst tun konnte, sind Zeichen dafür, welche
Hindernisse der menschliche Wille überwinden kann.
Es gibt nach Biesalski kaum eine noch so schwere Verstümmelung, welche
den Betroffenen dauernd und vollständig erwerbsunfähig macht. Auch
wer beide Hände und Füße verloren hat, kann dazu gebracht werden, daß
er vollständig unabhängig von sremder Hilfe sich ankleidet, reinigt, schreibt,
ißt und durch eigene, teilweise sogar schwierige Arbeit sein Brot verdient.
Aber das muß sich der Laie nicht bloß einprägen, nein, er soll mit-
helfen, die erreichbare, allerdings aber auch schwierige Aufgabe durch-
zusühren.
Es gilt den Lebenswillen, die Schafsensfreudigkeit, das Zutrauen zu
der eigenen Kraft bei den Kriegsverletzten zu erwecken, es gilt sie vor der
drohenden „Rentenpsychose" zu bewahren, vor dem Wahne, daß sie unnütze,
unglückliche Menschen geworden seien; man muß sie zu der Ansicht be-
kehren, daß der Wert des Lebens für sie nicht in der Erhaltung und Er-
langung einer mehr oder weniger großen Rente bestehe (die wir ihnen
außerdem natürlich gerne gönnen), sondern in der Wiedererlangung der
Arbeitskraft, die allein dem Menschen innerliche Besriedigung verschasft.
Es gilt ferner der Meinung entgegenzutreten: wer seine Rente hat, den
solle man nur vom Betriebe fern halten, damit er den Gesunden nicht
* Wir empfehlen die illustrierte Schrift: „Kriegskrüppelsürsorge, ein Auf-
klärungswort zum Troste und zur Mahnuug", herausgegeben von dem ver-
dienstvollen Führer auf dem Gebiete der Krüppelfürsorge Professor Or. Konrad
Biesalski, Verlag Leopold Voß, Leipzig und Hamburg, 35 Pf.
Stelzfuß von ehedem: mit der demütig herabgezogenen Soldaten-
>-H^mütze und mit dem zerschlissenen Ordensband, der auf der Dreh-
orgel spielte: „Was ich bin und was ich habe, dank ich dir, mein
Vaterland" — der darf sich jetzt nicht vertausendfältigen. Schon sind
ja auch Organisationen entstanden, schon regen sich überall die Behörden
und Vereine, um das Los derer zu mildern, die durch den Krieg zu
„Krüppeln" geworden sind.
Nicht wiederkehren darf die Zeit, in der man seine Dankesschuld durch
ein Almosen an diese Veteranen tilgen zn können glaubte und sein
Mitgefühl dadurch zum Ausdruck brachte, daß man die Invaliden ab-
sonderte, denn ihr Anblick „zerriß einem ja das Herz". Die Orthopädie,
das mediko-mechanische Heilverfahren, die Erfolge der Krüppelfürsorge im
Frieden beweisen uns, daß fast alle Verkrüppelten wieder in ihre alten
Beruse zurückkehren können. „Ls gibt kein Krüppeltum mehr,
wenn der eiserne Wille vorhanden ist, es zu überwin-
den", so lautet die neue, unglaublich klingende, aber glücklicherweise
wahre und schon ost verwirklichte Botschast.* Hunderte von Beispielen
aus den bereits in Friedenszeiten bestehenden 5^ deutschen Krüppelheimen
mit ihren weit über 200 Werkstätten für etwa 50 Berufe erbringen den
Beweis dasür. Das Beispiel von dem hand- und sußlosen erwerbstätigen
Schlosser, von dem Mann ohne Füße und Hände, der in Königsberg
eine große Drechslerwerkstatt als Meister leitet oder gar das jetzt
besonders interessierende Vorbild des einbeinigen Hauptmanns, der
neun Wochen nach der Amputation des linken Beines ohne Hilse wieder
zu Pserde steigen und nach weiteren zwei Wochen sogar wieder Dienst,
man bedenke Militärdienst tun konnte, sind Zeichen dafür, welche
Hindernisse der menschliche Wille überwinden kann.
Es gibt nach Biesalski kaum eine noch so schwere Verstümmelung, welche
den Betroffenen dauernd und vollständig erwerbsunfähig macht. Auch
wer beide Hände und Füße verloren hat, kann dazu gebracht werden, daß
er vollständig unabhängig von sremder Hilfe sich ankleidet, reinigt, schreibt,
ißt und durch eigene, teilweise sogar schwierige Arbeit sein Brot verdient.
Aber das muß sich der Laie nicht bloß einprägen, nein, er soll mit-
helfen, die erreichbare, allerdings aber auch schwierige Aufgabe durch-
zusühren.
Es gilt den Lebenswillen, die Schafsensfreudigkeit, das Zutrauen zu
der eigenen Kraft bei den Kriegsverletzten zu erwecken, es gilt sie vor der
drohenden „Rentenpsychose" zu bewahren, vor dem Wahne, daß sie unnütze,
unglückliche Menschen geworden seien; man muß sie zu der Ansicht be-
kehren, daß der Wert des Lebens für sie nicht in der Erhaltung und Er-
langung einer mehr oder weniger großen Rente bestehe (die wir ihnen
außerdem natürlich gerne gönnen), sondern in der Wiedererlangung der
Arbeitskraft, die allein dem Menschen innerliche Besriedigung verschasft.
Es gilt ferner der Meinung entgegenzutreten: wer seine Rente hat, den
solle man nur vom Betriebe fern halten, damit er den Gesunden nicht
* Wir empfehlen die illustrierte Schrift: „Kriegskrüppelsürsorge, ein Auf-
klärungswort zum Troste und zur Mahnuug", herausgegeben von dem ver-
dienstvollen Führer auf dem Gebiete der Krüppelfürsorge Professor Or. Konrad
Biesalski, Verlag Leopold Voß, Leipzig und Hamburg, 35 Pf.