eine Kehrseite: Die crusgezeichnete Literatur zur Zeitgeschichte, über die
Frankreich versügt, muß es vor der Geschichte nur noch schwerer belasten.
Frankreichs Schuld erscheint in einem nur um so düstereren Lichte, wenn
man bedenkt, wie vielseitig sich die zeitgeschichtliche Forschung der französi-
schen Intellektuellen gestaltet hat. Die alte Wahrheit erhält hier wieder
eine Bestätigung: daß es in der Politik im letzten Grunde mehr auf den
Willen als aus das Wissen ankommt. Als Betätigung des Willens ist
sie Kunst und kann nur von ganz großen Menschen geübt werden. Aber
eine Macht auch in der Politik bleibt die öffentliche Meinung. Für sie
kommt es nicht nur auf den Willen, sondern auch aus das Wissen an.
Dieses Wissen sollte uns Deutschen nicht nur durch die oft notgedrungen
leichte Ware der Iournalistik vermittelt werden, sondern auch durch „Bücher".
Man schreibe sie, und sie werden heute trotz aller Kriegsbroschüren dankbare
Leser finden. Iustus Hashagen
Modern und unmodern?
Eine Antwort
^^n einem Aufsatz „Tageserzeugnisse und Musikkritik" ist an dieser
^^Stelle Franz Gürtler für die Komponisten von Kriegs- und Zeit-
^Fgedichten eingetreten. Er stellt darin zunächst fest, daß die erdrückende
Mehrheit solcher Erzeugnisse völlig wertlos ist. „Mit alledem kann auch
der wohlwollendste Musikkritiker nichts, gar nichts anfangen." Zwischen
dem Schund und dem zeitlosen Kunstwerk stehe jedoch das Tageserzeugnis,
das gut ist, und diesem würde die Fachkritik nach seiner Meinung nicht
gerecht. Nicht weil der Verfasser mich zitiert und gegen von mir ver-
tretene Ansichten polemisiert, sondern weil mir die Gründe, die er dem
Kritiker unterschiebt, außerordentlich merkwürdig erscheinen, komme ich hier
auf seine Auslassungen zurück.
Anknüpfend an einige Sätze meines Artikels „Betrachtungen eines
Opernbesuchers" in Nr. s6 des Kunstwarts, die, nebenbei bemerkt, nicht
meinen persönlichen Standpunkt, sondern eine beobachtete Tatsache fest-
legen, versteigt sich Gürtler zu den gewagtesten Folgerungen. Der Rück-
gang der öfsentlichen Teilnahme an klassischen, besonders aber an nach-
klassischen und romantischen Schöpfungen der Opernbühne ist nun einmal
unbestreitbar. And zwar keineswegs, wie Gürtler zu glauben scheint,
etwa nur in Berlin. Das wahrhaft Große wird natürlich noch lange ge-
liebt und achtungsvoll erhalten bleiben, aber Wiederbelebungsversuche schon
entschlafener Opern verlaufen fast immer resultatlos, weil selbst das Wert-
volle nirgend schneller verblaßt als auf der Bühne. Mehr ist in meinem
Artikel nicht behauptet worden. Ob der Krieg mit seiner nationalistischen
Strömung daran mehr ändert als die gelegentliche Anziehungskraft glän-
zender „neuer Ausstattungen", das haben wir erst noch abzuwarten. Ist
es nun gerechtfertigt, wenn Gürtler das Berliner Publikum deshalb „eine
für echtes Kunsterleben verlorene Snobistenmasse" nennt? Gewiß wohl
ebensowenig wie seine Auffassung von der Kritik, die er der Neigung,
nur das „Neue" und „Moderne" zu loben, bezichtigt, der er Mangel an
freimütiger, von Zeiturteilen unabhängiger Gesinnung und anderes noch
weniger Schöne vorwirft!
Ich will Herrn Gürtler nicht widerlegen. Kennte er das Berliner Musik-
leben, in dem neben dem Neuen gerade das Klassische einen so unge-
Frankreich versügt, muß es vor der Geschichte nur noch schwerer belasten.
Frankreichs Schuld erscheint in einem nur um so düstereren Lichte, wenn
man bedenkt, wie vielseitig sich die zeitgeschichtliche Forschung der französi-
schen Intellektuellen gestaltet hat. Die alte Wahrheit erhält hier wieder
eine Bestätigung: daß es in der Politik im letzten Grunde mehr auf den
Willen als aus das Wissen ankommt. Als Betätigung des Willens ist
sie Kunst und kann nur von ganz großen Menschen geübt werden. Aber
eine Macht auch in der Politik bleibt die öffentliche Meinung. Für sie
kommt es nicht nur auf den Willen, sondern auch aus das Wissen an.
Dieses Wissen sollte uns Deutschen nicht nur durch die oft notgedrungen
leichte Ware der Iournalistik vermittelt werden, sondern auch durch „Bücher".
Man schreibe sie, und sie werden heute trotz aller Kriegsbroschüren dankbare
Leser finden. Iustus Hashagen
Modern und unmodern?
Eine Antwort
^^n einem Aufsatz „Tageserzeugnisse und Musikkritik" ist an dieser
^^Stelle Franz Gürtler für die Komponisten von Kriegs- und Zeit-
^Fgedichten eingetreten. Er stellt darin zunächst fest, daß die erdrückende
Mehrheit solcher Erzeugnisse völlig wertlos ist. „Mit alledem kann auch
der wohlwollendste Musikkritiker nichts, gar nichts anfangen." Zwischen
dem Schund und dem zeitlosen Kunstwerk stehe jedoch das Tageserzeugnis,
das gut ist, und diesem würde die Fachkritik nach seiner Meinung nicht
gerecht. Nicht weil der Verfasser mich zitiert und gegen von mir ver-
tretene Ansichten polemisiert, sondern weil mir die Gründe, die er dem
Kritiker unterschiebt, außerordentlich merkwürdig erscheinen, komme ich hier
auf seine Auslassungen zurück.
Anknüpfend an einige Sätze meines Artikels „Betrachtungen eines
Opernbesuchers" in Nr. s6 des Kunstwarts, die, nebenbei bemerkt, nicht
meinen persönlichen Standpunkt, sondern eine beobachtete Tatsache fest-
legen, versteigt sich Gürtler zu den gewagtesten Folgerungen. Der Rück-
gang der öfsentlichen Teilnahme an klassischen, besonders aber an nach-
klassischen und romantischen Schöpfungen der Opernbühne ist nun einmal
unbestreitbar. And zwar keineswegs, wie Gürtler zu glauben scheint,
etwa nur in Berlin. Das wahrhaft Große wird natürlich noch lange ge-
liebt und achtungsvoll erhalten bleiben, aber Wiederbelebungsversuche schon
entschlafener Opern verlaufen fast immer resultatlos, weil selbst das Wert-
volle nirgend schneller verblaßt als auf der Bühne. Mehr ist in meinem
Artikel nicht behauptet worden. Ob der Krieg mit seiner nationalistischen
Strömung daran mehr ändert als die gelegentliche Anziehungskraft glän-
zender „neuer Ausstattungen", das haben wir erst noch abzuwarten. Ist
es nun gerechtfertigt, wenn Gürtler das Berliner Publikum deshalb „eine
für echtes Kunsterleben verlorene Snobistenmasse" nennt? Gewiß wohl
ebensowenig wie seine Auffassung von der Kritik, die er der Neigung,
nur das „Neue" und „Moderne" zu loben, bezichtigt, der er Mangel an
freimütiger, von Zeiturteilen unabhängiger Gesinnung und anderes noch
weniger Schöne vorwirft!
Ich will Herrn Gürtler nicht widerlegen. Kennte er das Berliner Musik-
leben, in dem neben dem Neuen gerade das Klassische einen so unge-