Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 36,2.1923

DOI Heft:
Heft 7 (Aprilheft 1923)
DOI Artikel:
Schumann, Wolfgang: Kunstwart einst und jetzt
DOI Artikel:
Bekker, Paul: Ueber Robert Schumann
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14438#0017

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Wir, die kleine Schar derer, die den Kunstwart von heute „rnacht", wir
beanspruchen keine Anfehlbarkeit für uns. Wir gehören keiner „Richtung"
an nnd sind keine Partei. Wir stehen im Leben, anf dem Posten, von dem
aus wir Etliches mehr überblicken als die Vielen, die nns hören, und
halten Sinne und Geist und Seele offen. Wir sprechen freimütig und rück«
haltlos von dem, was uns an Starkem und Echtem begegnet. Wir bekämpfen
so weniges wie möglich — zu unfruchtbarem Tun bleibt uns nicht Zeiü
Wir bekennen uns zum Geistigen, jeder zu seinen Göttern, seinem GoLL.
Wir empfinden es als Ehre, daß wir zu Tausenden sprechen dürfen, und
wissen sie nicht besser zu vergelten, als ändem wir uns wachsam, wach und
frei erhalten. Wachsame, wache und freie Boten und Mittler für die Ge--
meinschaft unsrer Leser zu sein ist unser Lhrgeiz — im Angesicht einer riu-
genden, in ihrem Ringen wundersam lebendigen Gegenwart, einer großen
unverlierbaren Vergangenheit, einer Zukunft, die uns segnen wird, wenn
wir ausharren. Wolfgang Schumann

Lleber Nobert Schumann*

Vorr PauL Bekker

I.

^H^ielleicht ist man gegenwärtig noch zu sehr an die übliche Einzelbetrach^
H tung der Leistungen gewöhnt, um ein Phanomen von der ArL Schw-
manns aus dem schöpferischen Mittelpunkt seines Wesens erfassen zu
können. Man Pflegt bei ihm in tzinblick auf feine literarische und kompo-
sitorische Tätigkeit von einer Doppelbegabung zu sprechen, die ihm,
ähnlich wie anderen Künstlern der Romantik, gleichsam die Wahl ließ zwischen
zwei Schaffensarten. Aber ist es richtig, die Begabungen nach den Stofsge--
bieten zu trennen, in einem Künstler gleichsam zwei verschiedene Schaffens«
möglichkeiten anzunehmen, von denen er, je nach Belieben und besonderen
Umständen, bald die eine, bald die andere bevorzugt? Ist es nicht merkwürdig
zu beobachten, daß solche scheinbaren Doppelbegabungen, wo sie auftreten,
in bestimmten Beziehungen und Abhängigkeiten stehen? Goethes Leistungen
in der Zeichenkunst interessieren uns nicht als Talentproben im engeren
Sinne, als solche sind sie belanglos und wären ohne seinen gewichtigen
Ramen längst vergessen. Wertvoll sind sie, weil sie die auf das Anschauliche,
sinnlich Faßbare, klar Konturierte der empirischen Beobachtung gerichtete
Bedeutung seines ganzen Künstlertums dokumentieren, rn Lalentmäßig zwar
unLergeordneter, symptomatisch aber besonders auffallender Bekundung.
Ahnliches gilt, in entsprechendem Abstand, von dem Zeichentalent Felix
Mendelssohns, gilt von der Dichtergabe eines Michelangelo. In all diesen
Fällen und vielen ähnlichen handelt es sich nicht um eine Zufallslaune der
Natur, die ihren Lieblingen außer der schöpferischen Hauptbegabung noch
ein kleineres Talentgeschenk nebenher zudachte. Beides: tzauptbegabung

^ Wir entnehmen die folgenden Ausführungen der EinleiLung des Buches
„Robert Schumann, Gesammelte Schriften überMusik und Musiker, in Aus«
wahl herausgegeben und eingeleitet von Paul Bekker" (8. Band der 7. Son-
derreihe des Volksverbandes der Bücherfreunde, Wegweiser-Verlag G. m. b. tz.,
Berlin). Es sind zwei, an sich unzusammenhängende Teile dieser fünfzig Seiten
langen Einleitung, die als Ganzes nach unserem Dafürhalten zu den tiesstgreifen*
den und eindringlichsten Musiker-Charakteristiken gehört, die wir überhaupt besitzen.

6
 
Annotationen