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Kunstwart und Kulturwart — 36,2.1923

DOI Heft:
Heft 12 (Septemberheft 1923)
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Schumann, Wolfgang: Deutschlands Weg
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Bekker, Paul: Kunst, Schrifttum und Musik dieser Zeit: offener Brief an den Herausgeber des Kunstwarts
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https://doi.org/10.11588/diglit.14438#0255

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als Gerechtigkeit gebührte uns und gebührt uns noch. Ieden Tag wieder«
holen wir es im stillen, und laut, sobald die Lage es heischt. Wir wären
zufrieden damit und dürften es sein. Uns selber aber hätten wir sagen
dürfen, und uns selber müssen wir noch heute sagen: Freiheit der Lnt«
faltung gebührt uns aus purem Anspruch des Rechtes auf Leben, doch
fordern wir sie heißer und kühner vom Geschick um deswillen, was wir der
Welt zu geben hoffen und entschlossen sind.

Könnten wir denn wahrhaft „zugrundegehen"? Sagt nicht leichtfertig,
Freunde, die Andern könnten es nicht zulassen, nicht wollen. Betrachten
sie uns nüchtern von fern, so können sie es. Mit uns als Volksgemeinschaft,
deren Glieder nicht ausstürben, sondern zerstreut und aufgesaugt würden,
ginge nicht verloren, was unsere stärkste Leistung seit der Rmgeburt im
19. Iahrhundert war. Das deutsche Volk würde die leichtherzige Erde,
die selber genug leidet, verschmerzen und die deutsche Arbeitkraft, sei
sie wirtschaftlich«technischer oder wissenschaftlich«forschender Art, gern sich
assimilieren. Wie das römische Reich das Griechentum in sich aufnahm.
Dieses Können ist nicht an Deutschlands und Deutschvolks Bestehen ge«
bunden, und frivoler Sinn könnte sagen: zersplitterter deutscher Einschlag
in das Wirken der Erdvölker ist vielleicht besser als das fernere Mitwirken
eines deutschen Volkes. Und niemand würde dagegen Goethe und Beet«
hoven ausspielen!

Indes, wir denken das nicht, denn wir wollen es nicht. Der geheim«
nisvolle Organismus, der uns Millionen Einzelne umschließt und trägt,
ist niedergedrückt, krank und schwach. Doch er lebt. Und wird leben,
solange wir es wollen und wenn wir erkennen, was seines Fortlebens
Rechtsgrund ist und allein sein kann. Er liegt nicht im arbeitsamen und
pflanzenhaften Dasein allein. Ihn haben wir zu schaffen! Wissen wir,
daß wir junges Neuvolk bislang die irdische Aufgabe äußerlich begriffen,
und zwar geschickt, doch unfrei angegriffen haben; befiehlt uns liebevollste
Betrachtung unseres Herrlichen Vätererbes nicht zwar träg«satten Stolz
noch gar törichte Versuche zur Wiederbelebung des Vergangenen, doch:
erkannter Züge des Edelwerks eines Volkes eingedenk zu sein — so wissen
wir, was uns aufgegeben ist. Aus Geist und Freiheit haben wir ein deut«
sches Reich zu errichten, dessen äußere Gestalt, dessen Struktur und Me-
chanik Vorbild sein können und die andern Völker zu uns kommen und
uns fragen machen: wie gelang euch dies? Zu weiten haben wir unsere
Organe, daß wir im Vergleichfeld des Kosmos endlich wieder Werte und
Wesenheiten, eigene und fremde, gerecht ermessen lernen. Rnd gelingt es,
so werden die zeitlosen Werke deutscher Zukunft königlich stehen neben denen
deutscher Vergangenheit, nicht fleißig erarbeitete, doch echte Früchte auf
dem Boden eines Volkes, das seine irdische Sendung erkannte und voll«
brachte. Sch

Kunft, Schrifttum und Musik dieser Zeit

Offener Brief an den Herausgeber des Kunstwarts

Sehr geehrter tzerr Schumann!

>^^oeben las ich Ihre Betrachtung über „Kunst, Schrifttum und Musik
(^^dieser Zeit" und fühle mich veranlaßt, Ihnen zu sagen, daß ich, Ihre
Ausführungen mit angeregter Teilnahme verfolgend, mich schließlich
des Gefühls nicht habe erwehren können, als „stimme" hier irgend
etwas nicht ganz. Da ich den in mir wachgerufenen Zweifel keineswegs

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