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Kunstwart und Kulturwart — 36,2.1923

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Heft 8 (Maiheft 1923)
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Jaspers, Karl: Schizophrenie und die Kultur unserer Zeit
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14438#0097

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Dann wird sich zeigen, daß die Erkenntnis gewisser einzigartiger Werke
als schizophren bedingt keinerlei Herabwürdigung bedeutet. Wir sehen
das Tiefe, Offenbarende dort, wo es echt ist, aber wir sehen es bei den
Schizophrenen in unnachahmlicher, unvorbildlicher Gestalt. Sie sind uns
wohltätig, wenn wir den Appell von ihrer Existenz, die Infragestellung
erfahren, und wenn wir uns in ihren Werken, wie in allem, das echt ge-
boren ist, den Blick in das Absolute fiuden, das uns, immer verborgen, nur
in den endlichen Gestalten lichtbar wird. Sie aber zum Vorbild nehmen,
ist gefährlich. Wie früher sich manche sozusagen bemühten, hysterisch zu
werdeN) so könnte man jetzt von manchen sagen, sie bemühten sich, schizo--
phren zu werden. Iedoch ist nur das erste — in begrenztem Maße —
psychologisch möglich, das letztere unmöglich, daher das Bemühen notwendig
zum Rnechten führend. —

Aus „Strindberg und van Gogh" von K. Iaspers

Vom Heute fürs Morgen

Ludwig Thomas „Gesammelte"

^>erlegerischen Lhrenpflichten" ent-
v ^Ozieht sich der Verlag Albert Lan-
gen in München wahrhaftig nicht! Da
liegt eine Ausgabe von Halbes Werken
in vielen Bänden, schon wie mehr Bal-
last im Schiff des dentschen Schrift-
tums als edle Fracht. And kaum ist
sie da, so kommen sieben Bände „Ge-
sammelte Werke" von Ludwig Thoma
heraus; er gehörte zum engeren Kreis
der Langen- und Simplizissimus-Leute
— wieder wird eine Ehrenpflicht in
vollem Amfang mit der großen Aus-
gabe erfüllt. Aufrichtig wünschen wir
wenigstens diesem Amternehmen den
notwendigen Erfolg; es wäre betrüb-
lich, wenn auf so noblem Wege die
Spuren des Mißerfolges dereinst
schrecken würden. Auch um der Sache
willen sei auf Thomas Werke gern
noch einmal hingewiesen. Seine
prachtvolle Schriftstellerbegabung stand
im Dienst einer trefflichen, klugen und
mannhaften Persönlichkeit, die erst im
Kriege, und auch da nicht in entschei-
dender Art, an Haltung verlor. Was
er aber vorher an witzigen Skizzen
und ernsten Romanen, Kleinkomödien
und politischen Satiren aus dem bay-
rischen Volksleben in Stadt und Land
geschrieben hat, wird mit seinem un-
bändigen Lebensgehalt und seiner
knappen, geprägten Form noch eine
ganze Zeit hindurch gelten — und nicht
nur bei denen, die sich der Kämpfe
und des Kämpfers aus eignem Mit-

erleben entsinnen. Die sieben dicken
Bände sind nun freilich, aufrichtig ge-
sagt, sehr dick! Ich weiß nicht, ob
ich mich irre, aber mir ist immer ge-
wesen, als ob vernünftige Auswah-
len einen Schriftsteller fast mehr ehr-
ten, als die klotzigen Gesamt- oder bei-
nahe-Gesamtausgaben. Vom Genie
mag man sorgsam jedes Kleinwerk be-
wahren; es tritt bekanntlich nicht so
oft auf, daß die Vibliotheken dadurch
verstopft werden könnten. Aber wie-
viel heute schon Vergangenes, das zu
lesen man kaum einem Freunde Tho-
mas heute mehr zumuten mag, steht
nicht in diesen sieben Bänden! Von
dem „Stadelheimer Gefängnis" und
vergangenen Zeitgedichten im ersten bis
zu ebenso vergangenen Lagesaufsätzen
im letztenBand. Doch, diese Bemerkung
hätten wir am liebsten in ganz kleinem
Druck nur eingeschaltet, nur, weil sie
nicht mit gutem Gewissen völlig zn un-
terdrücken war, steht sie da. Als ein
lganzer Kerl steht Ludwig Thoma denn
doch da, und es sind nicht die Schlech-
testen seiner Zeit, denen er genug ge-
tan hat. K.-L.

Äber Gottfried Keller

jDas Folgende ist der Anfang der
Einleitung zu Walter von Mo-
los Auswahl „Lrzählungen von Gott-
fried Keller". Dieser Band — umfas-
send „Kleider machen Leute", den Land-
vogt, die Kammacher, den Schmied
seines Glücks und Romeo und Iulia,

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