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Kunstwart und Kulturwart — 36,2.1923

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Heft 7 (Aprilheft 1923)
DOI Artikel:
Bekker, Paul: Ueber Robert Schumann
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Schumann, Wolfgang: Die Tragödie des Naturalismus: zu Arno Holz' sechzigstem Geburttag
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https://doi.org/10.11588/diglit.14438#0023

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Teil auZ der Tatsache, daß die Anerkennung khrer Kunst an die Anerken-
nung ihrer Persönlichkert im rnenschlich privaten Sinne gebunden
war. Gerade diese Persönlichkeiten, die sich nach außen in den Extremen
ihrer Besonderheiten darstellten, mußten durch Hervorkehrung des vom All-
gemeingültigen Abweichenden den Widerspruch aller nicht gleich oder ähn-
lich Gerichteten Hervorrufen.

Bicht nur in solcher Einschränkung der Resonanz äußerte sich die Ver-
änderung der musikalischen Gesühlseinstellung. Durch das organische (Lin-
dringen dichterischer Vorstellungen wurde die klangliche Substanz gleichsam
verdünnt) ihres elementaren Charakters beraubt. Was die Musik an
Bildhaftigkeit des Ausdrucks gewann, büßte sie an Anmittelbarkeit natur^-
hafter Sprachgewalt ein. Die innere Verbindung des poetischen mit dem
musikalischen ElemenL mußte notwendig auf die Beschaffenheit des Klanges
als Elementaräußerung einwirken, ihn gleichsam aus der Realität rlrsprüng-
lich musikhafter Empfindung in eine irreale Spiegelerscheinung umwandeln.
Auch für diefe Lransfubstantiation des Klanges als Gefühlslaut ist
es von untergeordneter Bedeutung) in welchem Bewußtseinsgrade pem Kom-
ponisten programmatische Ideen vorschwebten. Das Wesentliche liegt in der
Durchtränkung des Grundempfindens überhaupt mit dichterischen Anschau-
ungen, in dem wurzelhaften Zusammenwachsen zweier bisher getrennter
Ausdrucksarten zu einer neuen. Wie bei dem von musikalischen Vorstellungen
beeinflußten Dichter die Sprache notwendig an äußerer Klarheit und ge^-
danklicher Logik, an Straffheit der Gedankenführung einbüßt) um dafür
klangliche Werte und Gefühlsrhythmen in sich aufzunehmeN) so verändert
die poetische Anschauung das Artriebhafte des musikalischen Klanges. Sie
gibt ihm eine im Assoziativen gesteigerte) im Naturhaften aber geschwächte
Resonanz. Die Klänge der Romantiker sind — von Einzelheiten des Stiles
zunächst abgesehen — nur noch scheinbar die gleichen wie die ihrer Vor^
gänger. In Wahrheit sind sie mehr oder minder bewußt gewordene Sym-
bole, gleichnishafte Ausdrucksmittel irgendeiner geistigen Anschauung. Die
Musik Bachs ist das Meer, in der Musik Beethovens rauscht das Meer, die
Musik der Romantiker ist das Mittel, um das Rauschen des Meeres
hören oder fühlen zu lassen. Die Bewußtseinsgrade haben sich verändert
und dementsprechend die Bedeutungswerte der klanglichen Erscheinung.

Es ist daher unmöglich, die Musik eines Wagner, Berlioz, Liszt, ebenso-
wenig aber die eines Mendelssohn oder Schumann als Musik an sich zu
betrachten, ohne Einbeziehung des poetischen Grundes, aus dem sie erwuchs.
Aus dem geistigen Anterbau dieser Musik erst erklärt sich ihr Charakter,
ihre organische Struktur, erklärt sich ihre gesamte künstlerische Wesenheit.

Die Tragödie des Naturalismus

Zu Arno Holz* sechzigstem Geburttag

or mir liegt das „Buch der Zeit", jenes Gedichtbuch, mit dem Arno
Holz anno ^885 mitten in die „Zeit" hineinsprang.

Zola, Ibsen, Leo Tolstoj,

Eine Welt liegt in den Worten,

Eine, die noch nicht verfault,

Eine, die noch kerngesund ist.
Klammert eu'ch, ihr lieben Leutchen,
Klammert euch nur an die Schürze


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