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Kunstwart und Kulturwart — 36,2.1923

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Heft 7 (Aprilheft 1923)
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Schumann, Wolfgang: Die Tragödie des Naturalismus: zu Arno Holz' sechzigstem Geburttag
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.14438#0028

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r>aß Sie, hinreißender Barock-Mensch, der Sie sind, einmal eine pudelnärrische
Vorliebe für das (7. Iahrhundert gefaßt und nach jahrelanger Versunkenheit
in jenem „lyrischen Porträt aus dem (7. iIahrhundert", dem reizenden
„Dafnis" dichterisch betätigt haben, und daß unsre entzückenden Zeitgenossen
dieses einzige Buch von Ihnen sehr viel kauften, weil etliche nackte Feiern
des leiblichen Eros neben manch sinnschwerem Gedicht darin standen? Darauf
hinweisen, daß Sie in der erneuerten „Blechschmiede"/diesem Buch des
satirischsten Ulkes und, verzeihen Sie, der stilettsichersten literarischen
Schlacht-Lollheit Ihr ganzes Kämpfer-Naturell ein letztes Mal in die un--
fruchtbare Arena schickten? und damit bewiesen, daß Ihnen am Lnde des
sechsten durchlittenen Iahrzehntes alle „Tragödien des Baiuralismus"
zu Komödien geworden waren und etwa merken ließen, Ihre werteu Zeit«
genossen möchten Ihnen nunmehr den Buckel runterrutschen?

Oder sollte ich, mit gedämpfter Stimme, aus Scham nicht für Sie, nur
für uns alle, erzählen, daß Sie, Sie, der Schöpfer zweier neuer KünM,
die Hoffnung und der heimliche, allzu heimliche Lrfüller einer großen
deutschen Bewegung, jahrelang gehungert und gefroren haben und vor
ein paar Iahren noch hungerten und froren, als wtr uns leider das ietzte
Mal sahen — ? And heute, Arno Holz? tzeute, Sie Versteckter und Ver-
stockter? tzaben Sie das bißchen Leier zerhauen, für dessen Klänge Verständnis
und Empfänglichkeit unsere lieben Deutschen gerade das „allgemeine Lhren-
zeichen" aufbrachten, während sie Anderen Weihrauch, Myrrhen und Gold
im Aberfluß auftischten ohne eine Spur von Reue über den „Skandal des
letzten Iahrzehntes der deutschen Literatur", der letzten Iahrzehnte, als „die
Literatur schon ganz andere Wege eingeschlagen" hatte, ohne die Ihren auch
nur zu kennen — Sie verstehen mich, nicht wahr? Nun, sollten Sie wirk-
lich endlich verzichtet haben, ein jeglicher wird es verstehen, der von „Dichter
und Volk" auch nur so viel ahnt wie wir alle von Gott und Menschheit
ahnen. Aber aus solchem tzolz sind Sie nicht geschnitzt, Dichter des Pham-
tasus, daß es dabei sein Bewenden haben könnte. Wir, die wir Ihr Werk
erkannten und Sie, Arno tzolz, kennen, wir wissen, daß Metall Ihres
Wesens Wesen ausmacht. And es wird wieder tönen, so hoffen wir,
und eines Tages werden wir allen „Tragödien des Baturalismus" zum
Trotz lächelnd sagen: Spät erklingt was früh erklang, Glück und Anglück
wird Gesang! Darauf hießen mit Ihres Manneslebens heller tzärte Sie uns,
darauf heißen nun wir Sie hoffen. Wolfgang Schumann

Aus ^PHantasus"* *

Von Arno Holz

Das alte Nest! Die alten Dächer!
Aus dunklen Linden dort
der Turm!

Wie klangen, Sonntags, seine Glocken,

draußen, fern, wo der Kuckuck rief!

* Die folgenden Gedichte sind dem „Phantasus" entnommen; dieses Gedicht--
werk, ein starker, schön gedruckter Band im „Simplizissimus"-Format, ist M6 im
Insel-Verlag in Leipzig erschienen. Leider war es im Kunstwart nicht möglich, die
Gedichte vollkommen in der zeilenmäßigen („Zentral-Achsen"--) Anordnung zu brin-
gen, wie sie tzolz wünscht; einige besonders lange Zeilen mußten gebrochen werden.
 
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