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Kunstwart und Kulturwart — 36,2.1923

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Heft 10 (Juliheft 1923)
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Schumann, Wolfgang: Gemeinschaft, Geltung, Macht, Erwerb und Besitz: (Siebenter Teil der Betrachtungen über die Antriebe des menschlichen Daseins) , [2]
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14438#0183

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aber um die Befreiung von ihr wird im Geistigen geführt werden. Sein
Ziel: nicht Symptome und Gewohnheiten Lußerlich zu bannen, sondern
die gemeinschaftformenden Triebe, welche so bedrohlich und dämonisch wie
notwendig und fruchtbar über uns walten, gleichzeitig zu erhalten und nach
erkanntem Gesetz zu lenken. Wolfgang Schumann

Vom tzeute fürs Morgen

Chinesische WeiSheit*

Der vollendete Weise

^hn mag man der Erde und demHim-
<)mel vergleichen in ihrem Fragen und
Rmfassen, in seinem Äberwölben und
Rmfangen aller Dinge.

Also breit und gehaltvoll ist er der
Erde ebenbürtig. Also hoch und strah-
lend ist er dem Himmel ebenbürtig. Tief
und tätig ist er wie eine Quelle, zu
rechten Zeiten seine Lugenden von sich
gebend.

Heiß ihn Mensch in seiner Vollkom-
menheit, wie ist er ernst! Heiß ihn Ab-
grund, wie ist er tief! Heiß ihn Him-
mel, wie ist er weit!

Aus dem Chung-Yung

Der Kluge — Der Fromme

er Kluge freut sich am Wasser, der
Fromme freut sich an den Bergen.
Der Kluge ist tätig, der Fromme still.
Der Kluge ist fröhlich, der Fromme hat
ein langes Leben. Kung-fu-tse

„Mächtiger als der Tod"

as Dresdener Staatstheater brachte
kürzlich als Äraufführung ein Stück
von Herbert Lulenberg: „Mächtiger
als der Tod". Seltsam, daß sich immer
wieder Menschen finden, die es mit
Culenberg versuchen. Ciner der am
meisten erprobten und am meisten
durchgefallenen Dichter unserer Zeit,
nicht mit einem einzigen Werk irgendwo
geblieben, ein schlechter Techniker,
anerkannter Cpigone von Anbeginn an,
ein typischer Halber, der ein .Ganzes
kaum sein zu wollen scheint. Und
doch! Wohl zweierlei hält ihn immer
wieder. Die zuweilen ganz echte Ro-
mantik seines Wesens, das Fühlenkön-
nen von Zwischentönen, Halbtönen,

* Lntnommen aus Otto Fischer,
Chinesische Landschaftsmalerei; siehe den
Aufsatz darüber in diesem Heft. K-L

Mischstimmungen, Paradoxen, „Iro-
nien" — mag das auch alles oft in un-
eignem Gewand auftreten, irgendetwas
schwingt in uns damit. And dann: Der
Zugriff, mit dem Culenberg echte, großs
„Fragen", Menschtum- und Mensch-
Heit-Fragen anpackt. Dabei blamiert er
sich freilich meist bis auf die Knochen,
denn dazu gehört neben poetischer
auch rein geistige Kraft, und als Den-
ker, Philosoph, Soziolog usw. ist Lulen-
berg ein triviales Kind! Aber der MuL
imponiert doch; und wenn er die Ge-
danken eines mittelstädtischen Feuille-
tonisten, einer gütigen Tante, eines
Gymnasiasten und eines älteren Parla-
mentariers in seine banalen Reime ge-
bracht oder sonst annehmbar auf die
Gestalten eines Dramas verteilt hat,
glauben etliche immerhin, ein „Kopf"
stecke dahinter.

Lin „echter Eulenberg" in diesem
Sinne ist „Mächtiger als der Tod".
Künstlerisch flüchtig, ja nichtig, verdient
das Stück kaum irgendeine Crwähnung.
Selbst die wohlgereimte, sogar für Cu-
lenberg noch erstaunliche Auffüllung der
Lücken mit fünfundzwanzigstem ver-
dünntem Aufguß christlicher Liebeslehre
sichert ihm die Sterblichkeit eher als
das ewige Leben. Interessant aber äst
das „Problem". Äm dessentwillen hier
einige Worte. Därf, sollmanden
schwer leidenden Anheilba-
ren, wenn er selbst eswill, tö-
ten? Diese Frage hat Eulenberg be-
schäftigt. Mit heilsarmeelicher Blech-
musik schmettert er sein Ia! und über-
sieht dabei im Eiifer der nllzubilligen
Prophetie und allzu flüchtigen Arbeit,
daß die Beispiele, die er auf die Bühne
bringt, ungefähr das Gegenteil von dem
nahelegen, was er will; daß die ganze
Leichtfertigkeit seines Treibens der Sache
schadet. Doch — die Sache ist freilich
wert, erwogen, mehr: mit Besonnenheit
und Leidenschaft durchgefochten zu wer-

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