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Kunstwart und Kulturwart — 36,2.1923

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Heft 10 (Juliheft 1923)
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Schumann, Wolfgang: Kunst, Schrifttum und Musik in dieser Zeit
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Chinesische Landschaften
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https://doi.org/10.11588/diglit.14438#0157

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Kunst, stießen auch Freundwillige immer wieder ab; erst jetzt, da manche
Station der raschen Entwicklung schon überwunden ist, hört zarteres Ohr
die ersten Töne eines neuen Zusammenklangs von Kunst und kunstempfäng--
lichen Melen.

Der Blick tut sich auf über den Sinngehalt der Bewegung, und wir ver--
mögen davon mit andeutenden Worten zu sprechen. Scharf umreißende
Worte wären verfrüht. Wie Günther von „Nur-Musik" spricht, könnten
wir von „Nur-Kunst" sprechen. Nicht etwa von l'art pour l'art. Vielmehr
von Kunst, die nicht in das Leben eingreifen oder hjineinführen will, aber
sehr tief in das Leben, als wirkliche Lebensmacht, hineinwrrken wird. Von
freier, freiester Kunst, entsprossen aus dem stärksten Trieb, der überhaupt
hinter Kunst steht: Ausdrucktrieb, und sich verwirklichend in Gebilden, die
keine Absicht erkennen lassen als die dem Künstschasfen notwendig einge--
borene/ Kunst, formal von nichts beherrscht als von dem heißen Willen, die
ureigensten Elemente der Graphik, der Malerei, der Plastik zu höchster Wir-
kung zu einen. Diese Kunst will weder erzählen, noch illustrieren, noch Wirk-
lichkeit kennen lehren, noch Natursinn wecken, noch Gegebenes deuten. Sie will
die Schöpfertat Gottes zum andern Male tun, will Zier, Symbol, will hin-
geschenktes Ich und freigeschaffene Welt des Ichs sein, geschaffen in furcht-
abtuender Herrscherlichkeit des Schöpsertums. Will alle Leidenschaft, Freu-
denschaft und Erschütterung wecken, aus der sie stammt, und über sie hinweg
in das Kraftfeld des Schöpferischen hineinziehen. Sie will, was alle größte
Kunst aller Zeiten wollte. Nein — sie „will" es nicht, und jene „wollte"
es nicht! In dieser Zeit bricht das Gesetz über die Geister Herein, nach dem
sie „w i r d", was als ihr Wollen erscheint. Wir wissen nicht, ob es siegen wird.
Wir wissen nicht, ob es sich vollenden wird. Aber indem unsere Ieit auf
einem Felde zur höchsten Freiheit sich hinkehrt, enthält sie seltsame Ver-
heißung, und auf sie die Acht zu richten wird zur frohesten Aufgabe. Sch.

Chinesische Landschaften

angsam sind sie zu uns gekommen. Spät sind sie angelangt. Plötzlich
waren sie da: mit Otto Fischers Buch „Chinesische Landschaftsma-
lerei"/^ Wir wissen von Chinesischem seit ein paar Iahrhunderten, seit
etwa zweihundertfünfzig Iahren immerhin Zutreffenderes nnd Genaueres.
And so haben Fachleute und Liebhaber auch schon früher von den Landschaft-
bildern gewußt und dies oder jenes gekannt. Ans, den Anderen, sind sie
erst durch dieses Buch geschenkt. Ein Geschenk, so köstlich, als ob uns
mit einem einzigen Zauber plötzlich die Plastik der Antike oder die
Malerei der italienischen Renaissance aus geschichtlichem Dunkel vor Augen
gebracht würde.

/^s gibt auch europäische Landschaftmalerei. Mir fällt es, kehre ich zum
^ wachen Bewußtsein zurück aus der chinesischen Naturwelt. schwer, ein
Gefühl der Belanglosigkeit gegenüber diesen europäischen Schöpfungen
loszuwerden; schwer, gegen sie mich „gerecht" einzustellen. Sie muten
mich an wie Schillers Lyrik, wenn ich, aus der Seelen- und Klangwelt
Goethischer, Sapphischer, Li-tai-pescher, Mörikischer, Drostischer Gedichte er-
wachend, an die Schillers erinnert werde: laut, hart, willedurchströmt, ge-

^ Vergl. meine Cinleitung zu der soeben erschienenen Kunstwart-Mappe „Von
Bruegh el zu Rousseau", Cinsührung in die Kunst der Zeit (Callwey, München).
Crschienen bei K. Wolff, Verlag Niünchen, (78 S., 5( Tafeln, (2 Textbilder.
 
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