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Kunstwart und Kulturwart — 36,2.1923

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Heft 10 (Juliheft 1923)
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Chinesische Landschaften
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Von Bernard Shaw
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https://doi.org/10.11588/diglit.14438#0160

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ies erscheint als das Wesen der chinesischen Natur- und Kunstanschauung,
^die im Grunde ja eins sind: alles ist ihr ein Gleichnis. Wie der Syrnbolik
des christlichen Mittelalters die menschliche Gestalt, so sind in ihr die Berge
und die Wasser wie das Leben der Blumen und der Tiere, der Morgen
und der Abend nur Bilder der Seele, die in alledem wie träumend
atmet und schwebt. Geist und Batur, Keben und Sinn, die das spaltende
Bewußtsein des Abendlandes zertrennt, sind dem Chinesen noch immer
verbunden und eines. Wohl ist im wirklichen Dasein die Einheit gestört und
der Mensch ausgeschlossen vom dämmernden Zustand des pflanzen- und
tierhaften Lebens, aber in der Anschaunng und im Gedanken ist die alte
Einheit immer gesucht und festgehalten worden. Das Wirkliche ist nie so
existent, daß es nicht ohne weiters Bild zu werden vermöchte. Wo das
Leben verödet, da geht der Weise in die Beschauung und findet durch die
Ekstase des Rauschs, des Traums, wie durch ihren Ausdruck das künstlerische
Erlebnis, in die alte, verlorene Einheit sich zurück. Eine Kultur> die dem
Ich nie zu viel Raum ließ und es nach allen Seiten in der Ehrfurcht
der großen Zusammenhänge gebunden hielt, hatte dem Menschen die
Harmonie des Alls erhalten und ihn so mit dem Ganzen verflochten, däß
er nur in ihm das,Leben finden und widerspiegeln zu können gegkaubt
hat. Er kannte das Selbst nur wenig und snchte sein Aufgehen im Sinne
der Natur. So sind ihm die Bilder der Landschaft die wahren Sinnbilder
des Lebens und der Seele selber geworden/' In diesem, von Fischer so
einfach angegebenen Sinne können. scheint mir, auch nns die chinesischen
Landschaften Sinnbilder werden, wenn anders wir die „Verflochtenheit mit
dem Ganzen" nicht ruchlos preisgegeben haben. Sie können es, cbwohl
es uns „verwehrt ist, uns solchen Genüssen hinzugeben" und obwohl wir
genötigt, sind in mangelhaften Abbildungen vom Abbild „die Größe der
Natur zu betrachten, ohne vor unsere tzaustüre hinauszutreten". K. W. tz.

Von Bernard Shaw

s hat vermutlich immer Menschen von folgenden Eigenschaften gegeben:
E ^ aufreizend, weil anders als irgend ein andrer Lebender oder Toter,
mit keinem auf übliche Art vergleichbar; andersin „negativer"
Art: das scheinbar allgemein Feststehende leugnend oder mindestens nicht
beachtend, ja sogar in offenkundig verbrecherischer Weise nicht sehend und
dadurch unzweifelhaftes Argernis gebend, also höchst verdächtig des Man-
gels an konstituierenden Merkmalen des guten Bürgers und Volksgenossen;
anders leider auch in „positiver" Art: vieles sehend, was noch nie-
mand sah und was, es muß -gesagt werden, nicht recht ableugbar schien, nein,
zum Teufel!, sehr einleuchtend!, sodaß man sich, widerwillig und ärgerlich,
gezwungen sah, dem aufreizenden Manne etwas wie Genie zuzubilligen.
Es hat vielleicht immer solche Menschen gegeben. tzeute gibt es sicher einen:
Bernard Shaw.

Ich stehe schon einige Iahrfünfte in der Literatur, und ich habe alle er-
denklichen Urteile über Shaw gehört. Wenn ich alle diejenigen nur wieder-
hole, die von immerhin reputierlichen Leuten ausgesprochen wurden, ergibt
es eine lange Reihe; nach ihnen ist Shaw ein Elown, ein Charlatan, ein
Schaumschläger und ein Bürgerschreck, der von erschreckter Bürger wider-
willigem Tribut behaglich lebt; ein Narr und Wortemacher, ein Antichrist
und Zyniker; ein wihiges Talent ohne Zucht und Ernst; ein unfruchtbarer
 
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