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Kunstwart und Kulturwart — 36,2.1923

DOI Heft:
Heft 7 (Aprilheft 1923)
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Schumann, Wolfgang: Kunstwart einst und jetzt
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https://doi.org/10.11588/diglit.14438#0012

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Kunstwart einst und jetzt

undschcru über crlle Gebiete des Schönen^ stcrnd als Lrläuterung
unter dem Titel der ersten „Kunstwarte" der achtziger und neunziger
Iahre. Das war etwas Neues. Man gab vornrals dem an Kunst teil-
nehmenden Publiküm die geistige Nahrung oder Führung getrennt nach
Gebieten; es gab Musikzeitschriften und Kunstblätter und solche für Dich^
tung. Aber das ganze Kunstleben auf einmal zu überschauen, war man
nicht gewohnt. Nun war ein schlanker Bau errichtet, und vom Turmzimmer
her blickte eine kleine Gruppe, von Ferdinand Avenarius berufen, hinaus
auf die „Gebiete des Schönen", sichtete und richtete, der Zeit und ihren
„Bewegungen" gegenüber kühl bis ans tzerz hinan, poch hellen Auges hin-
einsehend und das Starke und Echte heraushebend, wohlberichtet von
manchen Städten her, und des Aberblicks und der Zusammenschau fähig.
Schöngeister, philosophisch geschult, lebendig fühlend, dem Ewigen zugetan,
mit dem Wollen und Suchen deutschen Bürgertums innerlich vertraut. Klar
und hell ertönte ihre Stimme mitten im Strudel. Manche Kampf-Faw-
fare wurde geblasen, manches geistige Turnier ausgefochten, manches Kul-
turziel erkannt und fest errichtet. Materieller Erfolg blieb aus, gänzlich
aus; Avenarius, und später sein Verleger, opferten ein ansehnlich Stück
Vermögen in der tzoffnung auf eine bessere Zukunft. Da die Zeiten nicht
schlecht waren, Deutsch'Lnds Wohlstand wuchs und das Ansehen des Blattes
sich von Iahr zu Iahr^hob, mochten solche Opfer aussichtreich scheinen. Der
Erfolg bewies. Im Lauf von zehn, zwölf Iahren hatte sich das Bild ge«
wandelt. Für den Kunstwart, seinen tzerausgeber und seine Mitarbeiter, war
ein Bestand von öffentlichem Vertrauen erworben, der ihnen eine echte
Führer-Stellung sicherte. Deutschlands empfängliches Bürgertum
hatte erkannt: diese Männer wollen das Echte, das Starke, das, was uns
nottut. Aus der „Rundschau über alle Gebiete des Schönen" wurde eine
anleitende, erziehende, beratende, kritisch-führende tzalbmonatschrift; sie emp-
fahl und sie lehnte ab, und ihre Meinung „galt". Sie begann Geschmack
und Lebenshaltung, Lektüre und Konzertprogramme, Theaterspielplan, Kunst-
und Kunstgewerbe-Milieu ihrer Leserschaft mitzubestimmen und auszuwäh-
len. Avenarius ging mit Feuereifer ans Werk: getragen vom Aufkommen
neuer Techniken und vom rapiden Wachstum des allgemeinen Wohlstandes,
schuf er in Meisterbildern und Künstlermappen Mittel der künstlerischen
Selbstbildung und Ausstattung, in Anthologien und Kunstwart-Unterneh-
mungen literarisches Dauergut, in Anternehmungen des Kunstgewerbes

Aprilheft j923 (XXXVI, 7)
 
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