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Kunstwart und Kulturwart — 36,2.1923

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Heft 9 (Juniheft 1923)
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Gemeinschaft, Geltung, Macht, Erwerb und Besitz: (siebenter Teil der Betrachtungen über die Antriebe des menschlichen Daseins) , [1]
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Hahnewald, Edgar: Mit der Angel an der Röder
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https://doi.org/10.11588/diglit.14438#0125

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ernde sittliche Aufgabe — ihr Inhalt: den Trieb lrnr durch echte, sachliche
Leistung zu befriedigen.

^rhält menschliche Gemeinschaft ihre allgemeinsten Züge, ihren Zusam--
^halt schlechthin und ihre innere Verkehrsform von Gemeinschaft- und
Geltungtrieb, die beide allgemein-menschlich sind, so formt doch ein andres
Paar von Trieben sie durch und prägt ihre dauernden Verhältnisse: der
Trieb nach Macht und der nach Lrwerb und Besitz. (Schluß solgt.)

Mit der Angel an der Röder*

Von Edgar Hahnewald

ördlich von Großenhain fließt die Röder durch eine stille, sonnige

Landschaft. Die Getreidefelder wogen im Iuniwind, Kornblumen

^ ^leuchten in den Halmen. Die Wiesen dehnen sich weit. Schmale
Wässerchen durchziehen den grünen Plan, von Weiden und Erlen gesäumt.
Waldgruppen verdämmern blau im Mittagdunst der Ferne. Dörfer schim-
mern besonnt. (Line Mühle winkt zum Himmel, der hoch über der Erde
blaut. And überall riecht es nach Heu.

Durch diese Landschaft fließt in zahllosen Windungen tief und still die
Röder. An ihren Rfern sitzt an verträumten Sommertagen, während seine
Marionetten schlafen, der Puppenspieler und angelt. Pachtzins, Reisegeld,
Nachtquartier und Zehrung und der Wert der gefangenen Fische rechnen sich
gegenseitig auf. Und als Gewinn bleibt ein andrer Wert, auf den es an-
kömmt: es gibt kaum eine sanftere, wohltuendere Beruhigung abgearbei-
teter Nerven, als unter grünen Zweigen am Wasser zu sitzen und auf das
Spiel des Schwimmkörkes der Angel zu achten Äber schimmernde Antiefen
gleitet der kleine Stehauf sanft stromab, von der Leichtigkeit der Federspule
getragen. Lr tanzt und schaukelt auf blitzenden Wellen. Wieder eingeholt
schmitzt er von neuem in die Flut — immer dasselbe Spiel. Nnd die men-
schenferne Nuhe dieser grünumbuschten Nfer labt die Sinne.

An der Mühle von Walda umarmt die Röder einen verwilderten Park.
Die alten Kastanien breiten ihre Zweige tief über die Flut — sie segnen
und schirmen mit grünen BlaLthLnden das träumende Wasser. Lisvögel,
fliegenden Ldelsteinen gleich, schießen durch die grüne Dämmerung.

In der Nähe des Dorfes duftet das tzeu am Aferhang unter lichtver-
zweigten Apfelbäumen. Hellgrün gefiederte Lschen, von der Sonne durch-
schienen, spiegeln sich im leise ziehenden Wasser. Der Pirol flötet, der Kuckuck
ruft und der Tauber girrt im Holz — ruckdiruururu, ruckdiruururu.

And dann wieder fließt die Röder durch weites Wiesengelände. Schilf
und wehende Büsche säumen ihre Aser. Auf dem Spiegel schwimmen die
Duftschalen weißer und gelber Wasserrosen. Dicke, grüne Frösche lassen ihr

^ Mit dem Steinschen Motto „Sehne dich und wandre!" ist als 3. Band
der Heimatbücherei des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz in Dresden ein
kleines Buch des Novellisten Ldgar Hahnewald erschienen: „Sächsische Land-
schaften". Es sind dies nicht Novellen, keine Dichtungen. Nur „Wanderskizzen",
wie deren viele in den Zeitungen stehen. Viele? Nein! Eine so zarte Feinheit
des Schauens, ein so leises Gehör- eine so reife, in aller Einfachheit ausdruckvolle
Sprache ist wahrlich nicht Gemeingut. Unter einem Dutzend solcher Schristen
findet man nicht in aller Regel eins, das so echt, sachlich und feinfühlig wäre.
Änsre Probe gibt ein abgeschlossenes Bild. — Wir bringen sie, im Vorüber-
gehen sei's gesagt, auch zur „Rechtfertigung" des vielgeschmähten Geschlechts der
Angler. K.--L.

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