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Kunstwart und Kulturwart — 36,2.1923

DOI Heft:
Heft 11 (Augustheft 1923)
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Schumann, Wolfgang: Der Freideutsche Bund
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https://doi.org/10.11588/diglit.14438#0208

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Der Fretdeutsche Bund

^-M^reideutschtum"-erinnert man sich? Vor zehn Iahren war's, als

^-^^in die umfangreiche, unreinlich erkünstelte, mit kitschigem Pathos ver-
lautbarte, an streberischen und kriecherischen, wie an protzig-ahnunglosen
Tönen reiche Hundertjahrfeier lärmender Volksteile eine deutsche Iugend
aufrief zu freier Entwicklung der Persönlichkeit für den Dienst am Volke, zu
Wahrhaftigkeit, Echtheit, Äberzeugungtreue, Iugendfrische, Selbstzucht und
zu vor ihr liegenden — nicht hinter ihr im ZeiLendunkel versteckten — Zielen.
Dann strömte es in ahndevoller Frohheit, in bewußter Abkehr von allzuver-
gänglichem Schaugepränge, in junger Gemeinschaftherzlichkeit und unge-
bundener Entfaltunglust aus dem Hohen Meißner zusammen. „Alle guten
Geister des deutschen Volkes und der heimatlichen Natur" halfen das erste
Fest, die erste Kundgebung der Freideutschen vollenden, an die jeder Teil-
nehmer seither leuchtenden Auges sich erinnerte. „Nach eigener Bestim-
mung vor eigener Verantwortlichkeit mit innerer Wahrhaftigkeit" wollten
sie ihr, wollten sie das Leben gestalten. Perücken wackelten, grüne Lische
zitterten, Mucker geiferten, — das war „Revolution"! Nein, es war Abkehr,
Einkehr und Aufschwung. Ein Schock falsche Propheten meldeten sich zur
Teilnahme — hier schien Boden für jeden Samen! doch der Boden trug
schon eignen Keim. SLreit brach aus,- doch die innere Einigkeit wollte ihn
überwinden — da kam der Krieg. Viel war geredet, viel zerstritten, viel
gefährdet von dem, was im „Meißner-Erlebnis" verhießen gewesen schien.
Nun erlosch das Gemeinschaftleben der Freideutschen. Der Krieg holte
seine Träger weg. Erst langsam setzte Bückbesinnung, Wiederbesinnung,
Aussprache und Abklärung ein, ernst und tief befruchtet von stärksten Er-
lebnissen. Eine Zeitschrift wurde der Sprechsaal. Zwischen Parteien und
Schichten standen verbindend die Träger der Bewegung und warben kräftig
und weithin um Iüngere. Wieder klarte tzoffuung, und Ansätze zu neuer
Gemeinschaft, auch zur „Organisation" bildeten sich rasch. Neben ihnen
eine seltsame, gereizte Schwatzhaftigkeit, radikal hier, ziellos dort, ernstlich
gefahrdrohend, Anzeichen unüberwundner Erlebnis-Äberfülle. Die Re-
volution sprengt dann ganze Bestände Radikaler von rechts und links aus
der ächzenden, halb zerlösten Bewegung heraus. And die Radikalen zer-
stören darauf vollends Organisation, Einheit und Urgeist der ganzen Gruppe,
die sich zusehends chaotisiert. Und doch — welch ein Zeugnis für die
lebendige Kraft, welche diese Bewegung hervortrieb! — doch ist 1921 das
Freideutschtum erwacht und mit gereifter Klarheit neu hervorgetreteu. Seine


Augustheft ^923 (XXXVI, n)
 
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