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Kunstwart und Kulturwart — 36,2.1923

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Heft 8 (Maiheft 1923)
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Arno Nadel: Der Ton
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https://doi.org/10.11588/diglit.14438#0077

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Gesetz des Beiden kehrt zurück,

Die Wahrheit währt, das Wort besteht.

Wir reden, daß wir fühlen

And aller Dinge tief und tiefer denken. (678, tz8.)

Was ist es, daß dein Herz sich hebt,

Wenn du dem Wissen nachsinnst,

Wenn du im Wissen tönst und sinnst? —

Das ist die Wahrheit.

Mcht Wort ist Wahrheit,

Wie tzerz nicht Fleisch ist.

Die tzebung überm Wort durchs Wort ist Wahrheit. (70y, sys.)

Es ist viel prophetische Geste in diesem Buch, in diesen über 2000 Ge--
dankenzellen, sehr viel sogar: „Sprich alles aus. Ls ist,das letzte Mal
für tausend Iahre^. (3^8, (8.) „Das alte Testament und dieses Mort-
Das ist die ganze Mhe". (6Y5, (W.) (Der „Bahe" bezeichnet bei Nadel
das Entsprechende wie beim Buddha der „Erwachte".) Nadel möchte vom
tiefsten Erlebnis künden, von dem, was sich nicht in Worte fassen läßt.
„Ich muß dir sagen, und es ist kein Sagen". (^56, (82.) „Drum kann ich
dir nur wenig sagen. Oft nur, was ich wergessen, Und das im Ton nur
rein ist.« (^57, (87.)

Das Buch ist eine Art Einladung zu tiefer Interpretation. Man muß
mitbringen, was man darin finden will. Eben, weil es nicht Bild und
Gestalt ist, wie jede Dichtung, nicht in ihrer Gültigkeit abgegrenzte Begriffs«
bestimmung wie alle Philosophie, sondern weil es „Wahrheit" sucht.

Mit Das als Gotteswesen wird bezeichnet,

Was unausdenkbar ist. '

Das ist das reine Sein.

Für uns nur als Vorhandensein.

Das ist das Das. —

Was nützt uns dies?

Es ist das Ruhe-Atmen,

Das reine Leben, tief in Brust und tzerz,

Um Brust und Herz und Denken ohne Denken.

Das Das ist das Vergessen in der Steigerung, >

Des Wenschen tiefstes Wonnesein. (708, (92.)

An solchen Stellen werden auch die Schattenseiten dieser Art Verkün--
dung deutlich. Gretchen oder Wallenstein oder Penthesilea sind jedes
ein Das, hier aber wird uns immer nur gesagt, daß es ein Das - gibt.
Obwohl Nadel weiß: „Begrenzung lebt, nichts weiter", (30, 63.). Doch die
persönliche Ekstase des Schaffenden und seine inneren Gesichte, wenn sie
nur jenseitiger „Ton" bleiben und nicht „begrenzte" irdische Melodie wer«
den, was bedeuten sie zuletzt den Mitmenschen? Mehr als eine Art „An-
steckung" des Inneren? Ein Vages schwingt vorüber, es bleibt kein rechter
Rest in unseren Händen. Das soll keine Ablehnung in Bausch und Bogen
bedeuten: es stehen neben Vagem so manche schöne Rhythmen und Verse
in dem Band, die einen „anstecken" können, auch ohne daß man sich in die
verhüllende Nadelsche Terminologie erst peinlich einarbeitet. Und doch
hinwiederum: die Verkündung absoluter Weisheiten — was hat es damit
auf sich? Ich möchte ein Beispiel aus der Luft greifen: Willst du göttlich

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