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Kunstwart und Kulturwart — 36,2.1923

DOI Heft:
Heft 11 (Augustheft 1923)
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Schumann, Wolfgang: Der Freideutsche Bund
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https://doi.org/10.11588/diglit.14438#0210

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Vielleicht muß man die Männer kennen, die dieses Bekenntnis frei
aussprechen, vielleicht den Stamm dieser Blüte kennen, um zu wissen,
daß sie nicht verschwommen, schwülstig, unreif und wirklichkeitfremd sind.
Sie haben das Iahrzehnt seit dem Meißnerfest nicht verschlafen, nicht ver-
spielt und nicht in blindem Draufloswürgen verzettelt. Gewartet haben
sie und sich besonnen bis aufs Letzte. Ich verstehe, wieso ehrliche Skep«
tische und wohlmeinend-nüchtern Handelnde vom Klang ihrer Sprache
fremd berührt werden. And fühle doch persönlich darin absolute Echtheit,
Kraft und Willensgewißheit, nicht einen Anklang von Mißtönen. Zum Teil
ungewohnt des wirklich offenen, innerlich bewegten Wortes, zum Teil
allzugewöhnt an leichthingeworfene, verantwortung- und gedankenlose, ja
geschäfttüchtige Werbebekenntnisse „feierlichen" Klanges, sind wir sehr miß-
trauisch geworden. . .

In Wahrheit entscheiden Mißtrauen und Aberheblichkeit hier nicht das
Geringste. Wenn die „neuen Freideutschen" zu ihrem Bekenntnis klar,
fest und klug stehen, kommt bald genug von selbst Achtung und Gefolgschaft
ihnen entgegen. Daß sie auf diesem Wege sind, dafür spricht vieles laut.
Schon die Tatsache des Bekennens selber; als sie zum Meißner riefen,
weigerten sie sich um der eigenen Anfertigkeit willen, ein Bekenntnis abzu»
legen, und wurden darum viel gescholten: heute sprechen sie; nach langer,
echter Arbeit und, wie ich glaube, mit Aberwindung; sie beweisen, daß
ihr Zögern Necht hatte; wer Verantwortlichkeit kennt, weiß, was das
besagt und bedeutet. Doch auch die Gründung und Absicht des „Freideut»
schen Bundes" spricht eindringlich. Es ist ein „Orden", gestellt nicht auf
Gelübde und Ritus, sondern auf innere Zugehörigkeit, gemeinsames Wollen,
und tzandeln; die schwierigste und stärkste Form der Tatgemeinschaft, die
gewagt, nicht bloß gegründet sein will. T a t gemeinschaft; die früher war-
teten, überwinden sich jetzt zu nüchternem Wirken. Der Orden will han-
deln und erziehen im Geist des Bekenntnisses; dazu liegen kluge Richt-
linien vor; wie alle Kundgebungen der Freideutschen sind sie langsam, aus
Erfahrung und Austausch geboren, in der Gemeinschaft erhärtet und ge-
formt; ich gebe viel gerade darauf; für mich spricht die besondere Gewalt
in freiester Gemeinschaft erzeugter Geistesarbeit aus allem. Der Orden
will wirken auf dem freien Felde zwischen und neben allen Parteien; er
wird darum vielleicht niemals an der Spitze führen, nie in der kugel-
durchpfiffenen Front stehen; doch unsere Gesellschaft wird die bedeutendeu
Kräfte, welche sich innerlich und äußerlich nicht gegebenen Kampforgani-
sationen einzugliedern vermögen, nie entbehren können, nie entbehren
dürfen, und der Orden ist für seine besondere Aufgabe in Wahrheit das
stärkste Mittel zur Verwirklichung.

Ein langer Weg war es vom Meißner zum — Meißner! denn auf dem
Hohen Meißner soll heuer zum zweiten Mal das Freideutschtum sich sam-
meln. Ein Weg der Erfahrung, Verinnerlichung, .Vergeistigung, Verwillent-
lichung; des Verzichts und des Entschlusses in stetem Wechsel. Der Ent-
schluß siegte. Der längere, nicht leichtere Weg liegt vor denen, die nun ein
zweites Mal Iugend aufrufen, nun aber zur Führerschaft gewillt sind.
Doch zehn Iahre, ohne innere Einbuße echt durchlebt, bürgen für zukünftige
Kraft. Ich kenne kein Zeugnis aus dieser Zeit, das mich froher machte als
das Bekenntnis des Freideutschen Bundes. Sch.
 
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