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Kunstwart und Kulturwart — 37,2.1924

DOI Heft:
Heft 7 (Aprilheft 1924)
DOI Artikel:
Fuchs, Emil: Kant und Wir: zu Kants 200. Geburttag: 22. April 1924
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https://doi.org/10.11588/diglit.14440#0031

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die Menschengemeinschaft, und nicht der „Geist" aus jenen crhabenen
Forderungen.

Und jene notwendigen Gesetze des Denkens, sind sie eben nicht die uralten
Gewohnheiten, die der Kampf ums Dasein im Menschen gezüchtet und ihm
zur Notwendigkeit gemacht hat? — Dadurch ist der Mensch geworden, was
er ist, datz er sein wirkendes Tun denkend erfaßte, annahm, daß Zusammen-
hang des Wirkens, wie er von seinem Wollen, seiner Armbewegung zum
geschleuderten Stein, zum getöteten Tier weitergeht, in allem Fluß des
Geschehens steckt, daß man den nur beobachtend ersassen und dann benutzen
muß. um die Welt zu beherrschen. — Weil wir in unserm eigenen Tun
den wirkenden Zusammenhang haben, versuchen wir die Welt aus ihm zu
erklären und die Welt von da aus in den wirkenden Zusammenhang
unsers Tuns zu zwingen. — Von außen gegeben sind auch die Gesetze unsers

Geistes. —

Die Welt ist das Wesen und wir nur das aus ihr aufsteigende Gebilde.
Notwendig so wie wir sind, weil die Welt ist wie sie ist.

IV.

Ein Stück näher sollten wir zur Wirklichkeit aus sehr, sehr idealen, glau--
densstarken Gedankengebilden — glaubensstark aber nur, wenn sie den
Schritt näher zur Wirklichkeit ertragen. Der deutsche Idealismus hat
schwer daran gekrankt, daß er es ablehnte, solchen Anstoß zu verarbeiten.

Es gilk die Wirklichkeit zu fassen. — Was ist die Maschine, die das
innere Sein und Wesen der Millionen zerbrach? Was das Wirtschafts-
leben, das sie hart machte? Was die Politik und ihr Terror? — Sind sie
ewige Notwendigkeiten der Natur, der Entwicklung, oder sind sie Mensch? —
Maschine ist Gedanke des Menschen, der ein Stück Natur unter sich
Zwang. — Wirtschaft ist Zusammenarbeit der Menschen — gestaltet wodurch

durch ihren gierigen Lrwerbswillen, ihr rohes Machtstreben, — o nein!
Welch gewaltigen Kräfte des Füreinander, des Willens zur Lrhöhung des
Menschentums stecken immer darin — und dann bleibt der Mensch stecken
im Kampf mit der Rohheit, der Gier, der Schlauheit und Gewaltanwendung
der andern —; aber dies Notwendige gestaltet dies Zusammenleben, und
wenn es in diesem Zusammenleben eine ungeheure bestimmende Macht
geworden ist, dann zerbricht es das Menschentum in immer nngeheuerer
Tragik und Furchtbarkeit.

Geist ist Gemeinschaft! — Gemeinschaft, in der ein unablässiges Ringen
Mit den harten Notwendigkeiten der Natur und den Wildheiken tierischen
Menschentums schafft, was Kant vorzeichnet — oder Gemeinschaft, in der
s ^ Mensch den Menschen hinabstößt unter das Tier zu jener Tierheit, die
auswirkt in all den Raffiniertheiten, Grausamkeiten, tzerrschgewalten
2s Menschentums, das auch dann noch einheitschaffenden Geist in sich

äußerlich noch die Welt bezwingen kann — nicht mehr znm Segen,

sondern zum Fluch.

Unfug ist es Würde des Menschen haben zu wollen, im einsamen,
selbstgenügsamen' über die andern erhabenen Menschentum des Arlstokraten.
Das deutsche Gelehrtentum und das deutsche Asthetentum suchten ,,Men-
schenwürde" fern der Wirklichkeit des Lebens, dadurch aufrecht zu erhalten,
daß sie sich' vornehm der rauhen Gewalt des Volkslebens. der Wirtschaft
und Politik fern hielten. — Menschenwürde ist Linheit des Handelns und
für sie gibt es kein Ende des Zusammenhangs, in den die Einheit sich

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