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Kunstwart und Kulturwart — 37,2.1924

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Heft 9 (Juniheft 1924)
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Reise nach Italien
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https://doi.org/10.11588/diglit.14440#0125

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Großstädterin, die ihren Geburtsort gelegentlich vergißt, bei dem Worte
„Heimat" seither Bozen vor mir sehe.

Bologna aber: das ist Italien! O bunte welsche Stadt, rosenrot, oran--
genrot und leuchtend braun, mit grünen Läden verziert, wie lachst du deinen
blauen Himmel an! Stadt der Bogengänge und Paläste. Bologna grassa
fette Stadt, deren Läden überquellen von Früchten und Fleisch und spiele-^
risch geformtem Weißbrot, von Süßigkeiten und seidener Eleganz. Bologna,
dessen Frauen, lachende Verschwenderinnen, unter den bunten Bögen
wandeln, leuchtend geschminkt, phantastisch im Rahmen ihrer Wuschelhaare
und kühnen, farbseligen Kleider. Bologna, das kilometerweit einen be--
deckten Bogengang zur Kirche St. Luca führt, um oben auf dem Berge an--
gesichts der weiten Ebene, aus der sich der Apennin erhebt, die Arme aus--
breiten und lachen zu können, nachdem es gebetet hat, Bologna ist Italien!
In Bologna geschah mir ein Wunder. Beim Schwammeinkauf. Ich sprach
zum ersten Male italienisch, das heißt: ich hatte mir mühsam alle Voka--
beln aus dem Büchel zusammengesucht, und stammelte kühnlich los; die
fremden Worte aber in meinem ungeschickten Munde, bis dahin nur un--
belebte Buchstabenkomplexe, entzauberten einen aus der fremden Menge,
die mich vorher unverbunden umrauscht hatte: er verstand mich, mnd
sie entzauberten eine Fülle von bewegter Miene, lustigem Händespiel, sroh--
willigem Entgegenkommen, einen ganzen Mitspieler im Spiele von Geben
und Nehmen. Welch ein Fest!

Der Weg von Bologna nach Florenz geht durch den Apennin. Der Reno
kommt lebhaft entgegengelaufen. Arm und hart liegt das Gebirge, von un--
zähligen Tunneln durchbrochen, unter dem Himmel: wie riesige Pappkulis--
sen, in welche die Faust eines Giganten Brüche und Knitter geschlagen hat,
waldlos in starken graugemischten Farben von tiefem Blau zu Zartem
Violett, hie und da mit hellen Wasferfällen karg verziert, die wie Streifen
von Silberpapier in den Winkeln der Schründe zu kleben scheinen, hie Mnd
da von einer Schildwache schwarzer Zypressen bestanden. Man weiß, daß
die römische Flotte den Wald des Apennin gefressen hat. Seither mag er
so arm frieren. Memand spricht von ihm. Niemand verweilt, und in seinen
dunkeln Tunneln sehen die tausend geschlosssnen Augen ein anderes Italien:
Florenz.

Florenz, das ganz in weißem Marmor steht und dessen Gärten rauschend
über besonnte Mauern quellen. Florenz — so dachtest du es dir, törichtes
Herz, Iuwel rundum, der in jedes Auge leuchtet und so geschliffen ist, daß
er die Höhlung der begierig greifenden Hand genau erfüllt. Nein, Florenz
gehört zn jenen weiseren Geliebten, die nicht sogleich sich ganz ausgeben,
sondern dem Fremden grau sind, dem willig Werbenden aber endlich Tag
für Tag beseligender die Fülle ihrer Schönheit entfalten. Zuerst — man
muß rasch in den Autobus des Hotels und sitzt grinsenden Mitreisenden
gegenüber, kaum daß man sich aus der Gefangenschaft der Eisenbahn befreit
hat. Der fette Wirt weist mit barbarischem Deutsch ein schäbiges Zimmer um
blühenden Preis, und daß er das tut, ist eine Gnade. Es regnet, und
Florenz hat ebensolche sarblose Häuserreihen von etwa sstOO her, wie sie
tzalle oder Breslau hat. Auf der Piazza Signoria wimmeln lächerliche
Fremde, am roten Baedeker kenntlich, und man hat selber einen Baedeker
und ist selber lächerlich. Schlimmer aber: da steht riesig eine David-Kopie,
da steht Cellinis kleiner Perseus, da stehen geraubte Sabinerinnen und
barocke Gruppen, deren Namen man alsbald wieder vergißt, befleckt von

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