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Bibliotheca Hertziana [Editor]; Bruhns, Leo [Honoree]; Wolff Metternich, Franz [Honoree]; Schudt, Ludwig [Honoree]
Miscellanea Bibliothecae Hertzianae: zu Ehren von Leo Bruhns, Franz Graf Wolff Metternich, Ludwig Schudt — Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Band 16: München: Schroll, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.48462#0273

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Die Aufstellung des Reiters vom Lateran durch Michelangelo

269

Bezeugung für den letzten Eingriff in die Entwicklung dieser Basis zu begegnen, man muß vielmehr
gerade in dieser Beobachtung eine abermalige Bestätigung für die Annahmen über die Beteiligung von
Michelangelo erblicken.
Eine Schwierigkeit müßte freilich scheinbar allen Ernstes für die herkömmliche Zuschreibung dieses
Sockels an Michelangelo bestehen, wenn wirklich dem Senatusconsult vom 22. März 1539 zu entnehmen
wäre54, der Meister habe erst nach diesem Zeitpunkt in die Geschichte der Gestaltung des neuen Kapitols
eingegriffen. Was aber nach den festgestellten Tatsachen schon nicht mehr fraglich sein konnte, sondern
völlig auszuschließen war, kann und darf auch niemals geschlossen werden aus dem betreffenden Rats-
beschluß selbst. Es muß im Gegenteil jedermann, sobald er diesen Wortlaut einmal durchgelesen hat,
rundweg ablehnen, daß es sich dabei, wie man offenbar, aber unbegreiflicherweise annehmen möchte,
um einen Baubeschluß handle. Ein solcher Beschluß steht allerdings in Frage; es ist aber gerade die
unbedingte Voraussetzung des Beschlusses vom 22. März 1539, daß jener Baubeschluß nicht nur voraus-
ging, sondern bereits zur Ausführung gelangt war. Es geht nur noch darum, Mittel beizusteuern zur
Bestreitung der Auslagen, die durch jenes bereits in Ausführung begriffene Bauunternehmen schon
entstanden sind und noch entstehen.
Im fraglichen Beschlüsse liegt unmittelbar nichts anderes vor als die Zweckbestimmung einer beträcht-
lichen Summe, die durch Eintreibung von Bußen eingegangen war und nun jenem Bauvorhaben zuge-
sprochen wurde, worüber man im Rat vor mehr als anderthalb Jahren verschiedentlich gesprochen und
Beschluß gefaßt hatte. Nach dem Willen des Rates soll das verfügbare Geld aufgewendet werden „partim
in reformatione statuae M. Antonij in platea capitolii existentis secundum iudicium D. Michaelis
Angeli sculptoris, partim circa muros fiendos in dicta platea“. Bemerkenswert ist nicht nur die Erwäh-
nung eines bereits erfolgten Vorschlags, sondern vielleicht noch mehr die Unterscheidung zwischen dem,
was noch zu tun bleibt in bezug auf weiterhin im Gebiet des Platzes zu errichtende Mauern „circa muros
fiendos“ und dem, was offenbar im Gegensatz dazu schon erfolgt ist („in reformatione statuae“, nicht
„in reformanda statua“) und fertig dasteht inmitten der ausgeebneten Fläche, wobei aber anscheinend
die Ausgaben im Vorjahre noch nicht vollständig hatten gedeckt werden können durch die aus den ordent-
lichen Einnahmen gewährten, nicht sehr erheblichen Beträge.
Statt der vermeintlichen Schwierigkeit bietet sich also hier die beste Stütze zur Aufrechterhaltung der
überlieferten Anschauung. Nur vierzehn Monate nach der Aufstellung erscheint zum erstenmal und in
einer amtlichen Verlautbarung jene Verbindung bezeugt, die in der Überlieferung den Namen von Michel-
angelo an den Sockel knüpft. Diese Feststellung ist um so bemerkenswerter, als eben mit dem Eingreifen
von Michelangelo eine vorzügliche, wenn nicht überhaupt die einzige Erklärung geboten wird für die
ausnehmend eigentümliche Gestaltung jenes Sockels, die in der Bewunderung unzähliger Besucher und
einer außergewöhnlichen Wirkung auf die Nachfolger das unmißverständliche Lob echter Größe empfing.
Wenn aber jener Sockel nach Mitte Januar 1538 schon bald zur Verwendung kam und Michelangelo
sein Urheber war, soll dann gleichwohl G. M. della Porta in seinem Brief an den Hof von Urbino nach dem
28. November 1537 noch und als Aussage von Michelangelo so verkehrte Nachrichten übermitteln können,
wie man darin zu lesen meint55 ? Der Widerspruch ist unerträglich, zumal sich schon klar erwiesen hat,
wie eingehend und zuverlässig der Gesandte sonst unterrichtet war. Erinnert man sich der Irrwege, die
eingeschlagen wurden bei der zeitlichen Ansetzung dieses Schreibens56, so wird man indessen viel eher
als das Vertrauen auf die Zuverlässigkeit des Diplomaten den Glauben an die Vertrauenswürdigkeit der
üblichen Auslegung schwinden fühlen. Sehr bald wird dem Leser auch ganz unglaublich vorkommen,
wie man es zustandegebracht hat, aus einer Mitteilung, die deutlich dazu diente, Michelangelo zu ent-
schuldigen, wegen seiner Mitwirkung an einem Unternehmen, das jenem Hofe zu jener Zeit keineswegs
willkommen sein konnte, nicht weniger als den Beweis für seine Ablehnung jeder Beteiligung am Werke
zu machen. In Urbino hat man sicher besser gelesen und ohne weiteres begriffen, wer jener Auserwählte
sein mochte, dem die Sorge für den neuen Sockel, nicht etwa die neue Inschrift, aufgetragen war; man
hätte es dort auch gewußt, wenn della Porta nicht so gute Gründe zur Entschuldigung für Michelangelo
54 Lanciani, Storia II, p. 69.
55 Vgl. S. 260 f.
86 Vgl. Anm. 32. Die Auslegung wurde nicht ganz so blindlings, dafür aber schon viel länger immer wieder übernommen. H. Thode,
Michelangelo. Kritische Untersuchungen über seine Werke, II, Berlin 1908, Das Kapitol, S. 190-195.
 
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