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Wochenbeilage zum "Pfälzer Boten" — 1890

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Nr. 5 - Nr. 8 (2. Februar - 23. Februar)
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geweſen, als ſie Gtelcheu zum Abſchiede küzzte! Haͤtte


erfüllen? Dem Drängen und Schmeicheln Peters,
dem ſie doch ſo recht nicht traute, haͤlte ſie endlich
nachgegeben und geſagt: „Nun, wenn's denn ſein
muß ſo geb' ich Euch meinen Segen.“

„Aber — kaum war das „Ja! heraus geweſen,
als Sanne ſo viel Reue bekam als Haare auf dem
... . nein, von ihren Haaren ſprach ſie lieber nicht,
denn es waren deren nicht gerad' ſo Viele mehr da
— aber kurz ſie bereute es ſehr, denn ſtatt daß
Gretchen fröhlich und luſtig geweſen wäre, wurde ſie
täglich ſtiller und niedergeſchlagener. Statt daß
Gretchen freite, wie es ſich gehörte, ſaß oder ging ſie
ganze Tage lang ohne zu lachen oder ſelbſt zu ſprechen
herum; ſelbſt, wenn Peter kam, war ſie oft ſo ſonder—
bar, daß Sanne es nicht begreifen konnte, ſie wäre
wenigſtens an Gretchens Stelle ganz anders geweſen.
Statt daß ſie ſich des Sonntags gehörig ſchmückte,
lief ſie oft in ihrem Werktags-Anzuge herum, und
daß ſie mager und blaß wurde, das ſah Jeder, der
ihr begegnete. Aher nicht Gretchen allein, ſondern
auch der gute Onkel Jphann iſt verdrießlich und ſtill
geworden; den ganzen Abend ſtarrte er oft ins Feuer
und wenn Sanne nochmal Chocolade machte, die er
ſo gern trank und wodurch er immer aufgebracht
wurde, dann trank er wohl bisweilen ſogar zehn
Taſſen, aber — von Fröhlichkeit keine Spur

Auch an ſich ſelber hat Tante Sanne ſchon bald
gemerkt, daß ein ſchwarzer Rabe übers Haus geflogen
war, und ſchon kurze Zeit, nachdem Peter das Ja—
wort erhalten, war es ihr klar geworden, wie ſie ſich
zuerſt uin ihrer ſelbſt willen und nachher Gretchen
zu Liebe vom Böſen hatte übertölpeln laſſen. Der
Gedanke, den ſie Aufangs bereitwillig fahren ließ,
iſt jetzt mit doppelter Kraft wieder in ihr erwacht:
jener Peter, der ſie ale ſo beunruhigte, war ein
Teufelskind und ſtand ſelber mit dem Teufel im
Bunde. Gert der Feldwächter, haͤtte doch auch mit
ſeinen eigenen Augen geſehen, wie Peter voriges Jahr
anſtatt des Düngers Salz an Bürgermeiſters Spargel
gethan hatte, denkt Euch nur, Salz! .. und wie
er die Btume mit einer Art fremden Waſſers ge—
waſchen hatte, unerhört: die Bäume zu waſchen! —
und wie er den Weinſtock mit Schwefelſtaub beſtreut
hatte, daß es Sünd und Schand war Wer hatte
je in ſeinem Leben etwas von ſolchen Teufelskünſten
gehört! Ja, der Bürgermeiſter hatte allerdings Alles
vollauf in ſeinem Gaͤrten gehabt, aber — was ge—
fällig? Daß ſein jüngſtes Töchterchen ſolch einen
Spargel in den Hals bekommen hatte und faſt daran
erftidt war .. . da müßte man doch wohl einfältig
ſein, wenn man den Zuſammenhang nicht ſähe! Und
— hatte der Feldwächter weiter geſagt — „Dder Peter
wehrwolft grad ſo gut wie ſein Vater; ich fürchte
mich vor keinem Menſchen, aber wenn er mir Abends
über den Weg läuft, dann ſchlag i die Hand um
meinen Säbel und mache ein Kreuz.“ Der Feld—
wächter war katholiſch und Jungfer Sanne „reformirt”
— und obſchon die Jungfer nicht begreifen konnte,
wie Jemand glauben könne, daß ein Kreuz etwas
helfen ſolle — al8 mwenn’S nicht viel beſſer wäre, die
Bibel mit den aufgeſchlagenen Blättern nach außen
gegen das Fenſter zu ſtellen! — ſo glaubte ſie doch
grad ſo gul wie der Feldwächter, daß Peter den
— mache und ihr ganzes Haus bewehrwolft
abe.









































































Doch/ wie es ſich auch verhalten modhte Gretchen
hat geweint, als Tante Sanne ſie veranlaſſen wollte,
dem Peter ſein Wort zurückzugeben, aber, Wunder
über Wunder! gefragt oder geſagt hat ſie Nichts da—
zu, gar Nichts. Sie hat Nichts geſaͤgt, aber eines
guten Tages, als Peter da geweſen war, da hat ſie
ihm gründlich die Waͤhrheit gefagt, denn — am Abend
bekam ſie heftige Krämpfe, und „der Fluch“ hat ſich
nicht mehr auf dem Erbe ſehen laſſen.

Onkel Johann hat ſich hierauf wieder etwas er⸗
muntert, aber mit Gretchen blieh es dasſelbe Sanne
hatte ſie bisweilen gefragt, ob ſie wohlmal ein Gefühl
habe, als wenn ihr ne große Katze auf den Rücken
ſpräng'. „Nein!“ — „Mit den Vordertatzen hier
um die Gurgel herum? — „MNeinl“ — Ob ſie
nicht ein kaltes Gefühl über den Rückgrat hin habe,
als wenn eine Kellerſchnecke darüber ſpaziere?“ —
„Nein, ſo etwas habe ſie nie gefühlt.“ — „Und haſt
Du auch keine Gäuſehaut bekommen, wenn Du Abends
mit dem linken Ohre auf dem Kiſſen lagſt?“ —
„Nein, nein!“ zu Allem hatte ſie „Mein“ geſagt.
Nein, ſie wolle den Peter nicht wiederfehen; mit dem
Pfarrer darüber reden, nein, das ging nicht — und
den Doktor holen laſſen, nein, das ging erſt recht
nicht. Ihr fehle nichts, gar nichts! Hoͤrt nur! Sie
ſang ſchön wieder. Seht nur! ſie ging ſchon wieder
an die Arbeit. Aber bei alledem iſt ſie ſo eigen ge—
worden und hat immer ſo viel von Mutter Haus
geſprochen, daß es Sanne ſchließlich faſt unheimlich
in Gretchens Nähe geworden iſt, und daß ſie ein—
willigen mußte und mit anſehen, wie ſie bleich und
abgefallen mit Onkel Johann in der Karre fortfuhr.

VII.

Und nun? Nun iſt's ein ſchöner früher Sonntag—
morgen in dem Maimonate. Wenn Ihr über den
Rheindeich geht und mit zum Dorfe kommt, wohinter
das Hoͤnigerbe liegt, dann müßt Ihr doch mal eben
mit mir ſtille ſtehen, um zu ſehen, wie friedlich und
aumuthig es dort ausſieht. Dort, zwiſchen dem Wirths⸗
hauſe und der Bäckerswohnung, führt der Weg
hinunter, der ſich am Pfarrhauſe entlang zur Linden⸗
gruppe ſchlängelt, woraus der Thurm des Dorfkirch—
leins heraͤusſchaut. Das blaue Schieferdach glänzt
in der Sonne und grüßt das blaue glänzende Schiefer—
dach des kleineren Kirchthurmes dort weiter hinauf,
worauf das große Kreuz ſteht.

— Qinf3 und rechts und überall zwiſchen den Feldern
und Wieſen der grauen Bretterwand des Pfarrhofes
hinüber ſteht man den Goldregen, die gefüllten
Shringen und die weißen Schneebälle zwiſchen den
gruͤnen Blaͤttern lachend gruͤßen, und ob es von dort
lommt, oder von dem Weißdorn beim Bäcker, oder
von den Lindenblüthen, wer kanns wiſſen, aber es
duftet — es duftet ſo ſuͤß und ſo köſtlich, daß man
die Naſe in die Luft ſteckt, um den Wohlgeruch mit
vollen Zügen einzuathmen. Man möchte gern ein
Stündchen da ſtehen bleiben, um nach nichts Anderem
zu hören, als nach dem leiſen Geſumme und Geſurre
und dem ſüßen Geflöte in den Zweigen und dem
munteren Hahnenſchrei und dem frtedlichen Klange
der Thurmglocken, von denen die Eine die ſechſte
Morgenſtunde verkündet, während die Andere zur
Frühmeſſe einladet.

Gortſetzung folgt)




 
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