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oder wohl noch mehr Ausſätzige, darunter 22 Chineſen
20 Maͤnner, 2 Frauen) und 12 Weiße. Im letzten
Jahre ließ die Regierung in der ganzen Colonie
Waſſerröhren legen, was ihr 30,000 Dollars Koſten
verurſachte. Einliegend einige Blätter von meines
Gefährten, Vater Damien's, Grab. Ihr ergebener
L. L. Conrardy, katholiſcher Prieſter.

— Ein gräßlicher Vorfall in einem
laiſirten Spitale in Raris. Eine ſchauderer—
regende Begebenheit hat ſich Freitag, 3, d. M., im
Hoͤſpitale Lariboifiere in Paͤris abgeſpielt. Ein
Kranker, deſſen Zuſtand ein hoffnunigslofer war,
wurde von einem Sgalgenoſſen ſeiner Brieftaſche und
jeineS ſeidenen Halstuches beraubt; der Kampf, der
ſich hiebei entſponnen hatte, wurde wohl von den
Kranken desſelben Saales, nicht aber von den Auf—
ſehern bemerkt. Nach dieſer aufregenden Scene hauchte
der Kranke, ein Schuhmachergehilfe, welcher Kaͤrl
S... Hieß und in einem Alter von 23 Jahren ſtand,
ſein Leben aus, während ſein Angreifer, ein Cafoͤl
gargon, Enil G , ... mit Namen, mit ſeiner Beute
in ſein Bett zurückkehrte. Erſt am folgenden Morgen
wurden guf die Ausfagen der Kranken hin, welche
Alles mit angeſehen haͤtten, der Kommiffär des Poli⸗
zeipiertels, Herr Collas, von dem Vorfalle verſtaͤndigt,
und dieſer ließ nach einem Verhör den EmilG.?.
in Gewahrſam briigen. Zu beachten in dieſem von
rebublikaniſchen Blättern verfaßten Berichte iſt der
Umitand, daß der Kampf von den Aufſehern nicht
heachtet murde. „Wenn dies in einem Spital ge-
ſchehen wäre, wo katholiſche Ordensleute die Aufſicht
haben!“

— DYeiferes von der Influenza. In dem
Städichen D. ſaßen jüngſt 2 Freunde beifammen 1111D
untexhielten ſich, wie gegenwärtig nicht ander8 zu er—
warten iſt über das Umfichgreifen der Inffuenza-Cpiz
demie. Während des Geſpraͤchs Iritt die Wirthin her—
ein, und da fie auch ſchon den Namen JInfluenza ge-
hört, aber nicht weiß, welche Bewandtuiß es damit
hat/ ſo gibt ſie kurzweg ihre Erklärung darüber ab:
Influenza iſt doch ein ſchöner Mädchenname.“

— Goldene Regeln für Landwirthe.
Auch für andere Leute nützlich zu lefen)
Wer ſeinen Acker fleißig baut.

Auf eigne Tüchtigkeit vertraut;

Wer gleichermaßen wohl bemißt,

Was er der Wieſe ſchuldig iſt;

Wer jeinen Viehſtand ſorgſam pflegt
Und Futter ſtets in Vorrath legt;
Wer jeden Handel baar beſorgt

Und nicht leichtſinnig kauft und borgt;
Wer mit der Sonne früh aufſteht

Und friſch an ſeine Arbeit geht;

An Sonntag ruht und Herz und Geift
Mit Früchten edler Geiſter ſpeiſt:

Wer ſich an Ordnung, Reinlichkeit

In Haus und Hof und Stall erfreut;
er Habſucht und Verſchwendung flieht
Und ſeine Kinder brab erzieht;

Wer Mäßigkeit liebt in guter Zeit
Und gern entbehrt in Noͤth und Leid;
Wer auch in dem geringſten treu,

In Wort und Werk von Falſchheit frei;
Mit dem wirdis gut im Hauſe ſtehen;
Wie es auch kommen mag und gehn.



Humoriſtiſches.

— NadH dem Sprüchwort,) Mama, ich bin bedeu—
tend klüger als der Onfkel, wenn er auch Profeffor ijt. — Und
woran wilſt Du das hemerkt hHaben? — Geftern hat der On-
kel mit mir über etwas geftritten, und bei diefenn Streit habe
ich naͤchgegeben

Geſchwälextes Anfjehen.) Papa (zur Mutter):
Wir beide find gegen den Jungen viel zu nachfichtig! Wenn i
mir Ddenke, wie ſchwer bei un8 zu Hanfe Ihon der leifefte Verz
ſuch unartig zu ſein, beftraft wurde! — Hunge: Aljo probirt
haſt Du’3 doch auch, Papa!

— Der taktlofje Kegel.) Wirth zu einem Vrinzen,
der beim Kegeln ftatt alle Neun nur acht geworfen hat: Doz
I)ei%‚ Sie gütigſt dem neunten Kegel feine Flegelhaf⸗
tigkeit

— (Borfjichtig.) Erſter Schornfteinfeger : Gehſt Du
nicht da-ins Hans zu NMeujahr gratuliren? — Zweiter: Nunrt,
ich habe zuerſt den Bäckerjungen ’reingehen Lafjen, Wenn der
nicht herausgeworfen wird, geh ich auch, ®

: — (Erfenntniß.) Junger Maler: Weiß der Teufel,
mworan e& liegt, daß ich die Raupen nicht jo malen kanıt, wie
ich ſie im Kopfe habe.

— (Darum.) A: Wie kannn nur die kleine Tänzerin
den dicken Bankier lieben? — B, Sie wiſſen doch, die EGrytreme
berühren ſich: ſie ift leicht und er ift ſchwert

— — — 2

— (Theaterfrage,) Weshalb ziehen unfere moder⸗
nen Poſſen ſo fehr? — Weil fie fo windig find,

—. (Harmlos.) Kfavierlehrer: Ich weiß nicht, wie Sie
immer dieſes dumme Ding:;.„Hajt Du mich Kieb“ hHerunterleiern

Fönnen? — Backfijch: Ach Sie find aber auch gar zı I)m'm‘[_oä{

— (3wWeideutig.) . M:, Aber ich bitte Sie, Sie
vollen Ihren Sohn dem Silberſtein in die Lehre geben, einent
Manne, der bereits dreimal in Konkurs war?! — B, : Ich will
eben nur, daß der Junge etwas Ordentliches lernt

— (Das verlorene Leben.) GHert: Fur Sie, mein
Fräulein mürd’ ich mein Leben mit Freuden opfern! — Fräuz
lein: So? Dann heirathen Sie micdh!

— (Wund rafjirt) Neumann: Weißt Du, Lehmann,
ſeitdem Du Dich ſelbſt raſirſt, könnteſt Du Dich für Geld ſehen
laſſen! — Lehmann: Als was denn? Neumann: Als
Wun der!!

GWedenklich Sie, Kellner, da hab’ ich ſchon wie⸗
ber ein Haar in der Suppe gefunden? — Das macht nichts
Das ſind bloß die Wimpern zu den Fettaugen!

Ein famoſer Hut.) Verkäuferin: Dieſen Hut,
mein Fräulein, kann ich Ihnen ganz beſonders empfehlen. Mit
derſelben Fagon haͤben ſich ſchon drei Damen meiner Kund—
ſchaft verlobt,

— (Unterjhied.) Was ift der Unterfchieb zwiſchen
einer Siebe8- und einer Kriminalgefchichte? — In einer Liebes⸗
geſchichte kriegen ſie ſich, und im der Kriminalgeſchichte kriegen
fie ihn,

— (Erfennung3zeicdhen). Frau: Männchen, mir Iſt
fterbenSlübel — e8 flimmert und jchimmert mir {o vor den Au⸗
gen. Mann (für Jih): Gerechier Himmel! Die will ſchon
wieder einen Schmuck haben.














Gretchen auf dem Hönigserbe.
Eine hollaͤndiſche Dorfgeſchichte von I, Cremer.

Deutſch von L, v, Heemftede,
Nachdruck verboten,

*

Still! ’3 beginnt in der Nacht, in einer finſtern,
pechfinſtern Septenibernacht.


B., wo gerade Kirmeß iſt, zum Kheindeich führt Da
ſtehen wir, und die erſten dürrer Blätter von einem
Grieſeln erregenden Winde fortgepeitſcht, flattern uns
um den Kopf, aber — ſehen können wir ſie nicht.
Sehen koͤnnen wir ſie ebenfo wenig, als die Zweige
der Bäunie, die Hin und Her gezerrt Werden
oder als die hreite weiche und makſchige, zu bei—
den Seiten hoch aufgeworfene Wagenſpur worin man
hei jedem Schritte ſtecken bleibt. Man ſieht keine
Hand vor Augen und ſelbſtverſtändlich auch rechts
den „rothen Thurm nicht, Der „rothe Thurm“ war
or alter Zeit eine Feſtung oder eine Burg mit einem
Thurm, der ſo roth war, wie das höllifche Feuer,
von Waſſer umgeben und mit Soldaten beſetzt? Hu⸗
ſaren und andere Schnurrhärte, die ganz in Eifen
ſtaken und ſchuß- und hiebfeſt waͤren wie die Teufel;
auch waren Weiber da in weißen Kleidern, Heyen
und dergleichen. Und ſieht man ihn auch nicht —
ſelbſt anı hellen Tage nicht — ſob heißt es kechts
doch immer noch: der „rothe Thurm“. Seit Jaͤhr
und Tag iſt er verſchwunden; ein kleines Haus und
ein Erlengebüſch heftuden ſich an der Stelle, aber —
daß er doch noch immer der „rothe Thurin“ heißt,
obſchon jetzt kein rother Thurm mehr da ſteht, das iſt
gerade das Wunderbare, beſonders im Dunkeln. Und
ſchauerlich iſt es auch! denn wenn man auch im
Dunkeln nicht ſehen kann, ſo kann Jemand, der nicht
taub iſt, doch hören; uud des Nachts, namentlich
wenn die Thurmuhr zwölf gedröhnt hat, dann hört
man, links vom Wege, wo der Buͤrggraben war und
wo der Boden noch immer niedrig und feucht und
mit Schilf und Rohr bewachſen iſt, klagen und ſeuf—
zen: das ſind die Hexen. Rechts, wo in der Nacht
der Thurm ſelber noch ſtehen ſoll, hört man Zähne-
mirſchen und oft einen ſolchen Höllenlärm, daß man
Krämpfe zu bekammen glaubt. Das ſind die Hufa—
ren, leibhaftige Zeufel.

Daß es eine ganze Maſſe dummer Leute gibt,
die nicht begreifen, warum es am Erlengrund der
„rothe Thurm“ heißt, oder die meinen, daß es nicht
mehr ſo heißen ſollte, weil keiner mehr da iſt, und
die ungläubig genug ſind, um zu behaupten, daß das
Klagen und Seufzen und Zähneknirſchen nichts wei—
teres iſt, als das Raſcheln im Köhricht, das Krachen
und Kniſtern im Gehölz oder das Schnäbeln wilder
Enten, daß es ſolche dümme Menſchen gibt, die mit
ihren großen Ohren taub wie ’ne Wachtel und mit
offenen Augen ſtockblind ſind, das mag wohl wahr






ſein — aber Jungfer Suſanne Guſtermann vom
Hönigserbe, die dort, vielleicht hundert Schritte vom
Schauplatze dieſer Greuel entfernt, hinten in der mit
einem Linnenverdeck überſpannten Karre ſitzt, will
durchaus nicht an dem Teufelshauſe vorbeifahren,
nun Johann Guſtermann, ihr Bruder, der das Pferd
eine Strecke Weges am Zaume geführt hat, ſo unge⸗
ſchickt geweſen iſt, die Lalerne zu zerbrechen, ſo daß
das Licht ausgeweht iſt. „Das mag Alles wohl
wahr ſein“, meinte Suſanne, nachdem Johaun ihr
ganz in aller Ruhe und Gemüthlichkeit vorgeſtellt
hat, daß ſie doch unmöglich mit der Karre hier ſte—
hen bleiben können, und daß ſo Viele hier des Abends
unangefochten vorbeigekommen ſind, „das mag Alles
vohl wahr ſein,“ aber gewiß nicht zü ſo ſpäler und
finſterer Stunde. Jungfer Sanne könnte ja nicht
einmal ihre fünf Finger ſehen, wenn ſie dieſelben
auch unmittelbar vor die Augen hielt — und,
daß das Licht gerade in der Nähe des Thurmes er⸗
löſchen mußte, das war ebenfalls ſehr verdächtig, und
wie es auch ſein mochte, lieber wollten ſie umkehren




Wege nach Hauſe fahren. Warum war ſie auch nicht
bei ihrer Schweſter geblieben, die fie noch ſo zum
Bleiben genöthigt hatte? Zu Hauſe würde ja Alles
ſchon zurechtkominen. Johann mußte um Gottẽs willen
mur machen, daß ſie von hier fortfämen; wenn ſie
lange in die Dunkelheit ſähe, ſo wäre es ihr, als
wenn der Thurm ganz in Feuer ſtände. Umfehren
will ſie, Du nicht auch, Gretchen?

Aher Johann ſagte, daß es nicht möglich ſei,
umzufehren. Schweſter Sanne müſſe bedenken, daß
der Weg dermaßen ſchlecht ſei, daß er die Karre, das
Unterſte nach vben, uniwerfen würde, wenn er der
Schweſter zu Willen wär'; ſie müffe . . .“

„Ach Herr! kreiſchte Jungfer Sanne und kniff
Gretchen, ihre Nichte, die links neben ihr ſaß, in den
Arm, daß ſie aufſprang. Johann und Gretchen haͤt—
ten daſſelbe gefühlt, was Jungfer Sanne fühlte;
nämlidh einen leichten Stoß der Karre, die da ganz
ſtill ſtand. Keiner von den Dreien wagte es auszu⸗
ſprechen, was das wohl ſein möchte. Jeder legte e8,
auf ſeine Weiſe aus, aber ganz gewiß iſt e8, daß
Gretchen das Taſchentuch vor den Mund hielt,
weil ſie lachen mußte und es ſich doch nicht recht
getraute.

Sie lachte über Peter Müllenk, der — ganz zu—
fällig!? — auch auf der Kirmeß in B. gewejen
war. Es war gar keine üble Spekulation des Bur-
ſchen geweſen, mit Johann und Suſanne — die ihm
Beide nicht beſonders grün waren —, mit nach D.
zu fahren, wo er auch zu Hauſe gehörte, ohne daß
Jene es gewahr wurden. Wenn Muhme Saͤnne ge⸗
wußt hätte, daß Gretchen — während ſie ſelber mit
ihren Brüdern und Schweſtern Kirmeß hielt — am
Abend mit Peter Arm in Arm gegangen war, ſo
hätte ſie ihr Nichtchen, das ſie fonſt ſo lieb hatte,
ganz und gar nicht ſo freundlich angeſehen. Aber
was konnte das arme Gretchen dafür, daß Peter auch
aur die Kirmeß gekommen war und ſich mit Gewalt


 
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