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Wochenbeilage zum "Pfälzer Boten" — 1890

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Nr. 18 - Nr. 21 (4. Mai - 25. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44275#0071
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Oberammergau.

Den eintönigen Tagen der Wintermonate nähert
ſich die beginnende Wonnezeit des Frühlingseinzuges/
/und voll Glück und Zuverſicht ſieht man mit Freude
/der Zeit entgegen, wo die Vertreter aller Gaue, des
l deutichen Baterlandes alle Nationen der Erde, wieder
/ Cinfehr in dem herrlichen Werdenfelſerlande nehmen,
U im Schooße bütoresker Naturſeenexie Ruhe und
Frieden genießen zu können. Mehr als in den Bor-
jahren werden ſich die vielen Sommerfriſche ſuͤchenden

amilien das Eldorodo Garmiſch⸗Partenkirchen zum

Iufenthalte auserwaͤhlen, denn heuer feiert auch noch
|die Gemeinde Oberammergan das 25, Decennium
res Gelübhdes in würdigiter Weije. Das in der
Bezirfgamtligen Gemarkung Garmiſch gelegene welt⸗
Derühmte Oberammergau wird den vielen Befuchern
/ bei dem Kuͤblicke der herrlichen Hochgebirgsgegend
|deftimmte VBeranlaffung geben, in das Herz der Ge—
|divgsgegend einzudringen, um inmitten der auf Gefühl
|und Gemüth aroßartig wirkenden Scenerte jene Ruhe
lach den mübhfelig haͤſtenden Tagen der Jetztzeit zu
finder, die man benbthigt, um gekräftigt an Geſſt

und Körper wieder heinikehren zu können zur Berufs⸗
| Dätigfeit.

Farnniſch· Partenkirchen Mittenwald Königsſchlöſſer⸗
Öberammergan wird die Hauptloſung des reiſenden
Yublikums in heuriger Sommerſaiſonzeit bilden. Vor
WMen iſt es aber die Weiheſtätte von Oberammergau.
Wie ein Zauberfchlag witd der Nauie des trauten
dorfes mitten in den bayeriſchen Bergen jebeSmal,
gl wenn ein Jahrzehnt wieder abgelaufen, in die Lande
nausgetraͤgen, nicht nur die des engeren oder weiteren
] deutfchen Baterlandes, ſondern weithin uber des
| Teßteren Grenzen auch, ja weit über das Meer hin
| über, wo man ja in Eugland und Amerika längſt
| Quch erkannt hat, wa es Wunderſames iſt um das
| Bafitonfapiel von Oberamergan, Auch in diefem
| Sahre des Heils, 1890, wieder erklingt dieſer Name,
| vie ein lockender und bekannter freundlicher Ruf, und
| ver es vermag, wird ihm Folge leiſten.

Zehn Jahre find wieder in das Reich der Cwig-
t gefchwunden in Deutſchlands und Bayerns Ge⸗
| IOichte große Sreigniffe in den Kreis der Vergäng-
1 lichfeit aͤls Erinnerung zuruͤcklaffend, daß die Gemeinde

craniniergau nen an die Löfung des heiligen Ge⸗
— gehen muß und gehen will, daß ihr Paſſions—
|biel ſich ruͤſtet, wieder feine Triumphe zu fetern, wie
I dor zehn und zwanztg Jahren gethan. Ja, Triumphe
| Und Sieg über alle Zweifler, die da meinen, daß
1 Leilige ſet nicht darftellbar oder ſeine dramatiſche
— und Geftaltung vertrüge ſich uicht mit
‚l der MWürde der Heiligen Gefchichte. Man vermag hier
| 3 Vermen, wie das Auge auch das Herz lehren kann.
ggit Jahrzehnten wurden alle Länder von dem reli—
öſen Welheſpiele durch Wort und Bild in Staunen
Lrſetzt Zeitungen und Feuilletons, Uluſtrixte und
/ Nicht illuſtrirte Blätter ſandten ihre Berichterſtatter
d diefe wieder ihre bewunderten Schilderungen in

























lir eine durchgehende, praktiſche Verbinduug geſorgt;












1890.







das Jahr 1889 brachte einen neuen Schienenſtrang
der Vollendung entgegen, und nicht lange wird es
dauern, die Linie Nurnau⸗Garmiſch Partenkirchen der
Loifachbahn wird gleich der Berchtesgadener einen
Weltruf ſich erobern und viele Tauſende nach dem
Suͤden, dem Herze der Alpen führen, um dorten in
6 Bequemlichkeit das Feſtweihſpiel zu be⸗
uchen.

Oberammergau ſelbſt hat ſich zum Empfang und
zur Aufnahme einer großen Zahl der Gaͤſte einge⸗
richtet; nicht nur allein dieſer feſtbietende Ort, auch
Gaͤrmiſch, Partenkirchen und ſämmtliche Orte des
Bezirkes ſind in dieſer Beziehung in keiner Richtung
zurückgeblieben. Die Taufende von Menſchen werden
freudig Einzug nehmen in das herrliche Gebirgsland.
Und eine enorme Menſchenmenge wird kommen in
überraſchender Zahl, und dießmal nicht nur aus
Baͤhern und dem angrenzenden Katſerſtaat, ſondern
aus allen Theilen Deuͤtſchlands von ganz Enropa,
und Derer, welche über den Ocean herüberkommen,
werden nicht die Wentgſten ſein; gerade in Amerika
hatte ſich der Name Oberammergan ſeit Zahren ſchon
mit miyſtiſchem Reize umkleidet gehabt. Tauſende und
Abertauſende werden da am Vorabende oder am
Spieltage ſelbſt von allen Seiten ihrer bequem gele-
genen Suartiere an der Loiſachbahn in das ſchmucke
Dorf einztehen und in andächtiger Bewunderung oder
wenigſtens doch ergriffen von dem eigenartigen Schau—
ſpiele vor dieſer Buͤhne weilen, auf der einfache Land—
leute die höchſte und tiefſte Geſchichte aller Zeiten in
einer Unmittelbarkeit und Lebenswahrheit vorführen,
die ihnen auch der genialſte und begabteſte Meiſter
jener Bretter, die die Welt bedeuten ſollen, nicht
Fleichthun fanıt, und Sonntag um Sonntag wird ſich




thätigkeit diefes Menſchenſchlages und die herrliche
Gegend, in welche ſelbe gebettet ſind.

Zehn inhallsſchwere Jahre ſind ſeit der jetzigen
Wiederkehr verfloſſen; wie der Grieche einft nach
Olympiaden feine Zeitrechnung beftimmt hat, ſo mißt
das Oberammergan die ſeine nach feinem Paſſtonſpiel.
Die dazwiſchenltehenden Jahre ſind ihre Vorbereitungs⸗
Uebungs⸗ und Küftezeit auf das Paſſtondiahr, das
nun bereits begonnen. Im frommen Sinne der
Väter, genau ihren Ueberlieferungen folgend und
durch Gelöbniß fruͤherer Jahrhunderte an alten Brauch
gebunden, iſt es vorbereitet worden, und in wenigen
Monaten, wenn der letzte Winterfroſt aus den Bergen
geſcheucht iſt und Haus und Matten wieder grün
{ind, wird Alles gerüſtet ſein, wieder zu beginnen
und wieder zu feiern, was den Oberammergauern
hellige Verpflichtung, ihren Gäſten ein ehrfurchtsvolles
Schaͤuſpiel iſt. Die Zahl der Letzteren dürfte heuer
eine enorme werden; Oberammergau iſt ſeit den letzten
zwanzig Jahren, die geſammte Gegend der Loiſach—
bahn durch die Weltruf genteßenden Königsprunt
ſchlöſfer ſeit 1886 weltberühmt geworden; England
und Amertka namentlich werden ihre früher geſandte
Zuſchauerſchaar verdoppeln und verdreifachen, der
Bugang zu der Bergpforte, durch die man in das
freuͤndliche Thal tritt/ iſt im Vergleiche der früheren
 
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