Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Wochenbeilage zum "Pfälzer Boten" — 1890

DOI Heft:
Nr. 18 - Nr. 21 (4. Mai - 25. Mai)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44275#0072
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


Jahre ungemein erleichtert. Man braucht in dieſem
Sommer nicht mehr um theure Fahrgelegenheit, um
mehr oder minder raſche Beförderung felbft zu ſorgen,
der Feſtort iſt an die Welt Herangerüct worden,- die
der Gehirgzromantik ſcheinbar den Krieg erklärende
Eiſenbahn iſt ihm unmittelbar nahe gefommen. Fuͤr die
Caſte aller Sänder iſt in dem Gejammtbezirke Garnuſch
allen Orten in vollfommenfter und befriedigender Weife
ein würdiger Empfang vorbereitet, ſo daß in jeder
Beziehung eine durchveg angenehme Rückerinnerung
berlebter herrlicher Tage erhalten bleibt und eine
Aiederkehr auch außer dem Baffionsjahre gewiß fich
vermuthen laſſen duͤrfte.

Die Paſſionsſpiele in Oberammergan werden, am
Pfingſtmontag beginnend, jeden Sonnz und Fetertag
bis Ende September aufgeführt. Sie nehmen von
Morgenz 8 Uhr bis Abenda 5 Uhr mit 1!/, Stunde
Mittagapaufe den ganzen Tag in Auſpruͤch und
Tauſende aus Nah und Fern folgen mit immer ſtei
gender Andacht der hiex zur Aufchauung gebrachten
Leidensgeſchichte des Heilandes. Sollle das für
5000 Berfonen Raum bietende Theater an einem
Spieltage unzureichend ſein, ſo wird am folgenden
Tage die Aufführung wiederholt, was in der Negel
der Fall iſt.

OÖberammergau gehört zu jenen Hochgebirgsorten,
deren Lage ſchon die Natur einen eigenthümlichen
Netz vexſeiht. ©3 liegt inmitten einer ylrifchen
Bergwelt; welche nur gegen Norden dem flachel Zande
ſich öffnet, in einem anmuthigen Thalgrund, den die
Ammer in großen Windungen durcheit. Das viel
genannte — zählt gegen 1300 Einwohner,
helche ſich größtentheils mit Holz]Anikerei befchäftigen.
Schnitzſchule) Ein Kunſtwerk erften Ranges, das
ſich in Oberammergau befindet, verfäume MNiemand
zu beſichtigen, nämilich eine koloffale Kreuzigungs⸗
grupbe von Halbig aus einem Marmorbloͤch der
4000 Centner wog, unter großen Schwierigkeilen
auSgeführt. © iſt ein Geſchenk weiland König
Ludwig IL, in frommer Begeiſterung den Oberammer-
gauern gegeben, als dieſelben auf Allerhöchſten Wunfdh
eine Ertre Vorſtellung des Paſſionsſpieles aufführten,

Die Oberammergauer haben jetzt fchon Ddafı
geſorgt, ihren Gäften den Aufenthalt in ihrem Dorfe
ſo angenehm als möglich zu machen. In den Vrivat-
Häufern ff Raum zur Vachtherberge bereitet für über
5000 Perſonen. Der Preis des Bettes ftellt ſich in
den einfacheren Wohnungen von 50 Pfg bis 3 M,
per Nacht; in den heſſeren Häuſern von 3 bis 5 M,
Die Beſucher des Pafſtonsſpiels, welche für eine an:
henehme Unterkunft ſorgen wollen, müſſen ſich jedoch
bei dem zu erwartenden großen Andrang bei Zeiten
umthun, und einige Wochen vorher dem Wohnungs⸗
comitee, dem Pfarrer, Buͤrgermeiſter, Pofthalier vder
dem betreffenden Gaſtwirth anzeigen, wie diele Billets
und welchen Platz ſie wünfchen, welche Zahl an
Betten, Zimmern 2c. ſie benöthigen, zu welcher Zeit
ſie anfommen ꝛc. Wer in dieſer Weiſe vorſorgt, wird
keine Enttauſchung finden.

Am bequemſten und billigſten erreicht man Ober⸗
ammergan von München gus. Seit der im vorigen
Lerbſte erfolgten Weiterführung der Bahn Mündhen-
Starnbers Nurnan his Bartenkirdgen-CGarmtfch haben
ſich die Verkehrsverhaͤltuiſſe bedeutend gebefjert. Bon
der Station Oberau der Bahnſtrecke aus erreicht man
Oberammergau zu Fuß in zwei Stunden, Fahrge⸗
legenheit hin und zuruck iſt in reichem Maße geboten.




Nit Rückficht auf die ſtattfindenden Pafftonsſpiell
wird der Sammerfahrplan auf der Strecke Münchel
Zarnberg⸗ Mirnau beſchleunigte direlte Züge bringel
Wünchen ab 3 Uhr- 30 Min früh Murtau an 51l
28 Min. früh, Wurnau ab 8 Uhxr 20 Min. Mbendaı
Vünchen an 10 Uhr- 20 Min. Abends. An-den el
Feſtſpielen vorausgehenden Tagen ſoll ein weitere
direkter Zug von Münden nach Murnau verkehren
Es iſt ſomſt ermöglicht, von München au3 Ddie Paſ⸗
ſionsſpiele an einem Tage zu befuchen und Abhends
wieder zurück zu fein. Doch dürfte es ſich imerhn
empfehlen, am Vorabende Münden zu verlaffen

Veiſende, welche von Lindau fommen, fönnen
auchüber Biſſenhofen⸗ Oberdorf⸗Füſſen⸗ Hoheuf chwangan
nach Oberammergau gelangen uud über Murnan
München zurückkehren.

Sehr zu empfehlen und leicht mit dem Befucht
Oberaminergaus zu verbinden find die Partieen einer⸗
ſeitz nach Partenkirchen Garmiſch, Barmfee, Mitten
vald, Boderſee und Eibſee, andererfeitzZ nach den
Königoſchlöſſern Linderhof (mit Planfec und Reutte)ı
ſowie Höheuſchwangau (mit Füjfen und den reizendel
Umgebungen, Falfenftein 2C.)

Spieltage: Mai 26.; Juni: 1., 8., 15., 16., 22
287 29 7 ul 6, 1820 23 20; Auguſt: 3
6., 10., 17., 20,, 24., 31.; September: 3., 7,, 14
21., 28,

Verzeichniß der Darfteller: Chriſtus (wiederge
wählt zum dritten Male), Joſeph Mayer; SJohannes,
Beter Rendl; Petrus, Jakob Hett; Maria (nen ge⸗
wählt), Roſa Laug; Magdalena, Amalte Deſchler!
NMartha, Helene Lang; Joſeph von Arimathäa cuen
gewählt), Mart Oppenrieder; Nikodemus, Frani
Steinbacher; Kaiphas (wiedergewählt), Bürgermeiſter
Lang; Annas (neu gewählt), Franz diutz ſen. Natha⸗
niel (miedergewählt), Sebaſtian Zang:; Rabbi Archilaus
en gewählt), Sebaſtian Bauer; Suͤdas, Johamt
Zwink; Pilatus (wiedergewäht), Ihomaz Rendl;
Lerodes (nen gewählt), Johann Diemer; Prologuꝰ⸗
Jalob Rutz.

Leiter der Spiele: Herr Bürgermeiſter Lang
iter der lebenden Bilder: Herr Zeichenlehrer Lang
Muſikdirigent: Herr Lehrer SGruber.

Vermiſchtes.

— Cin zwanzigfadher Nördex. Aus
New-York, 28. April wird gefchrieben: Mit dem in
der verfloſſenen Woche zu Birmingham Alabamal
gehäugten Neger Ben Elſeh wurde eine wahre Beftit
in Menſchengeſtalt aus der Welt geſchafft! Seine
perhrecheriſche Laufbahn übertrifft vielleicht Tlles
was bisher in der Wirklichkeit oder in der Fiktion
geweſen iſt. Die bluthürſtigſten Ungehener der
Senſations⸗ und Kriminalroniaue ſind wahre Lämmer
gegen dieſen ſchwarzen Teufel — der übrigens al⸗
ein reuiger Sünder von der Galgenklappe inz Jen⸗
ſeits hinuͤberſprang und feſt daͤrauf beftand, vor ſei⸗
nem Sotte Gnade und Vergebung zu finden. Schol
alz dreizehnjähriger Knabe koͤdlete Elſey/ der M
Dalton (Georgia) geboren war, einen Schullamera⸗
den, mit dem er beim Kartenſpiel in Streit gerathen
war. Er wurde zu 20 Jahren Staatsgefängniß ver
urtheilt aber ſchon nach acht Monaten jeiner großen
Jugend wegen wieder freigelaffen. Seiner Ueberführ⸗
ung in eine Befferungsanftalt entzog er fich dur




 
Annotationen