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Wochenbeilage zum "Pfälzer Boten" — 1890

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Nr. 5 - Nr. 8 (2. Februar - 23. Februar)
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M 6,

— —⏑ — —⏑

Gretchen auf dem Fönigserbe.

Cine hollandiſche Dorfgeſchichte von S, X Cremer.
Deutſch von S D. Heem ſtede.
Nachdruck verboten.









Goͤrtſetzung)

Sich wieder zu Johann wendend, der nachgeben

* ſpricht er: „Nun, berſucht c& doch nur noch
— ——
Der gute Johann weiß ſich nicht zu helfen und
brumit was in den Bart — aber, wenn er Peter
der {o freundlich iſt, ein Vergnügen damit machen
fann, dann — will er’3 in Gottes Namen noch mal
verfuchen, aber er ſollte e8 ihım nicht übel Ddeuten,
wenn er's vergeſſen hat.

„Bewahre, durchaus nicht 1“

Onfel Sohanır ſteht langſam auf, legt das
Pfeifchen auf den Tiſch und geht, ſo lang er ſſt, mit
etwa8 frummen Ruͤcken zum Fenfter — dann fährt
Eſich verlegen Durd)y’S Haar, kneift den Daumen
und den zweiten Finger zuſammen, als wenn er ein
Stücchen Zucker nehnen will, huſtet zwei oder drei
Mal — fagt nochmals, daß er c5 wirklich vergeſſen
hHat — aber als Peter ihn ermuthigt: „Lur zu,/ nur
zu!“ da fährt er mit denm zugefniffenen Fingern an
den Fenſterſcheiben entlang, nach oben und nach unten,
feitwuͤrts uud nach hinten — und hoͤrt Shr’3 wie
fünftlid — das ſummende Sebrumm der Schueißz⸗
{ftege und das klagende Gefurre der kleinen Mücke
ſo natürlich, daß man fanm ſeinem Ohre traut.

Meun Einer aber gut zugeſehen und aufwerkſam
gelauſcht hätte, für den wäre noch mehr zu ſehen und
zu hören geweſen.

Als Beter ihm freundlich für die nette Vor—
ſtellung dankte, ſagte er ganz gutmüthig: „S iſt zu
Surem Dienſte gewefen.“ Das war Alles, was er
jagte. Aber Peter fühlte und fah wohl ein, daß,
alz er den Onkel Johann foppte, aber vom Spiegel
ſelber gefoppt wurde, daß er da gerade keine feine,
jondern ne ganz plumpe Fiaut gemacht habe.

Uı offen über Gretchen zu reden iſt er hierher
gekommen, und jeßt — 1a3 nınßte der gute Johann
wohl don der Fopperei denken.

Gretchen iſt ganz beſchämt mit der Schürze
vorn Geficht au? der Küche gelaufen, aber als Johann
jein Pfeifchen wieder angezündet, geht Peter auf ihn
zu, am ihin mitzutheilen, was er Anfangs meinte,
nur vor dem höchſten Tribunal bekennen zu müſſen,
aber — gerade wie er xeden will, da öffnet ſich die
über der Kellertreppe hefindlihe Thüre und Taute
Sanne tritt großmächtig ein.

Nun ein Augenblicchen Geduld! Bruder Johaun
ſelher 4E ganz yerdußt. Mutter3 HochzeitSkletd DDN
grüner Serge, ein Erbftüd, daz beinahe 80 Iahre
alt ift, mit ’nem Kurzen und tiefauZgefniltenen Leibchen,
frachte um Schweſter Sauies haͤgere Glieder, ob⸗
ſchon es gerade wie ein Sack hing; auf den ſchiefen
Kopfe ſaß die neueſte Staatzmüße mit rothem und
bem Band geziert, daß man ſelbſt ſchief und












ſchwindelig wurde, wenn Man es nur anfah. Der
Diamant|hmuck — wofür Bram, der Trodler, ſchon
hHundert Thaler geboten hatte — zierte ihren Buſen.
Shr Bruder hegriff nicht3 dabvon, aber das war ja
autch nicht von Nöthen, Nachden Sanne den Peter
ganz graztds Degrüßt hatte, gab ſie dem Bruder
Sohanı fchmunzelnd ein Zeihen — und Bruder Johann
mußte es wohl verſtehen, denn Cr nickte ſechs bis
fieben Mal hinter einander, ſtand auf und trug ſeinen
ſcelenguten Leib zur Thüre hinaus.

Peter war aufgeſtauden, als die Jungfer herein⸗
fam. Mohr hatte die Zähne gezeigt, aber als Peter
zu Mohr /Kuſcht! geſagt und der Jungfer „Guten
Morgen“ gewünſcht hHat, hielt er die Nütze vorim
GSeficht, und man wußte nicht, ob's Blödigkeit war,
oder weil er lachen mußte.

Blodigkeit YLS wenigſtens nicht!

„Suß geſchlafen, Iungfer Guſtermann?“ fragt
Peter mit ’nem Knir, „ich mußte doch mal eben ſehen,
44 noch friſch und geſund war nach geftern

end.?

Ach! was war der Peter am hellen Tage für
ein huͤbſcher Menſch, viel huͤbſcher in der Naͤhe als
von Weitem!

„Sa, Müllenk,“ iſt die Antwort, „wWas ſoll ich


daß ein Menſch der ſchlafen möchte, kein Auge ZU-
thuͤn kann.“ Mit ner fleinen Verbeugung: „Ihr ſeid
geſtern Abend ſehr freundlich geweſen; ich hatte es
nicht erwartet, Denn . . “

„Ja, ich weiß ſchon, Jungfer, daß Ihr immer
wegen altem, dummem Gerede einen Widerwillen gegen
NaterZ Haus gehabt hat,“ fagt Peter, indem Sanne
ſich auf Zohanns Stuͤhl an's Feuer ſeßzt, „aber ich
wuͤßte woͤhl daß Ihr, ſeit geſtern Abend, WD ich Euch
einen Meinen Dienſt erzeigen konnte, nicht mehr an
ſolches Geſchwätz glauben würdet.“

„O nein!“ {Omungelt Sanne, „es iſt ſo viel
Geklatfche in der Welt, abex von Euch und von
Surem Vater hahe ich doch Ageullich nie.. , . ſie
ſchwieg und ſah ins Feuer.

Peter iſt ſehr froh daß er daß vernehmen darf.
Nicht wahr? es iſt ſchlimm genug/ daß die Menſchen
in unferer Zeit noch 10 abergläunbifh ſind! Aber
Sungfer Sanne iſt ja viel zu yerftändig, un ſo etwas
zu glauben; ND 2 e „ Dayiımıs, fährt Veter fort,
„Din ich denn auch Ur aleich. heut gefommen und
holite der Jungfer wiederbringen, waͤs ſie verloren
—44 — ficht um ſich und fucht Dorn und
Hinten und — indem eı deni Hunde, der der Jungfer
Stoffſchuh für gute Beute erflärt haͤt und gerade da—
mit beſchaͤftigt iſt, ihn zu zerpflücken, den Schuh mit
einem Ruce entwendet hat und dann Den avg zuge⸗
richteten, wonach Noͤrchen nochmals ſpringend ſchnappen
will, ir die Höhe hält, blict ex die Jungfer an, alS
wenn er ſagen will: „Seht, das iſt nun ärgerlich !”

„O der Schuh: das hat Nichts zu bedeuten!“

Ya ja, wennt’3 auch ärgerlih ift — Peter
kann's nicht mehr ändern. Nber Moͤhrchen bekommt
einen Klaßps — ach! das arme Thierchen!


 
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