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Wochenbeilage zum "Pfälzer Boten" — 1890

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Nr. 40 - Nr. 43 (5. Oktober - 26. Oktober)
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*










} Mr‘ 41o


1890.





4 —

4

Eine Taſſe Eis.

Cine Erzähtung aus dem Spauiſchen von Pf A SE in L.
8 Zur Zeit Napoſeons I., al8 die Franzojen Spaͤnien
oeen. haͤtte ſich im Hauſe des reichen Juͤwelenhändlers
nio Mata’s zu Burgos der franzöſiſche Oberſt Lambert
1 et Der Herr des Hauſes ein feuriger Anhänger
es Vaterlandes, haßte die franzöſiſchen Eindringlinge ſo,
14 wäre es in ſeiner Macht gelegen geweſen, er ſie alle
Hätte. Es läßt ſich denken, mit welchem Wider—
8 er den Oberſt in ſeinem Hauſe duldete! Alles, was
I fett_tem Hauſe Werthvolles war, hatte er vergraben und
einziges ſechzehnjähriges Toͤchterchen hielt er gleichfalls
Y nem abgelegenen Winkel ſeines Hanfjes . verborgen.
U





















Verkehr mit feinem ihm aufgedrungenen Gaͤfte . be-
' r"flnfte ſich auf das Nothwendigjte und außer einfachem
f%“ße wechſelte er fein Wort mit ihın. Eines Tages ſtellte
.}%F‘ der Oberft an ihn ganz unerwartet die Frage: „Sind
© immer allein gewejen, mein Herr? Haben Sie nie eine
u gehabt?“ — „Meine Frau ijt todt und ich wünfche
16 deshalb Glüch Sie hat nicht den Zorn Gottes auf
6* laſten gefühlt. Sie hat unſere Feinde nicht ge-
.“ — „Die Franzoſen inißfallen Ihnen alfo 2“ —
e mißfallen mir nicht — — aber ich haffe ſie, ich ver-
FQIeIue ſie als Feinde meines theuren Vaterlandes. Das

Eie haben keine Kinder, Herr Antonio?“
8 Ich haͤtte eine Tochter und habe ſie verloren,
8— Jungfrau ſei dafür geprieſen!“
LWeshalb?“
* ſie
Anr Die Beziehungen zwiſchen den beiden Männern blieben
4 diefem Gefpräche wie zuvor. Kalte Höflichkeit beim
| Sonen und bei Tiſche ganz gleichgiltige Worte.
8 Eines Tages kam der Iuwelier mit Zeichen freudiger
Ihy Slng nach Haufe. Ganz Burgos war von dem Gerüchte
8* der Oberft, welcher in Mata’8 Hauſe wohne, fei niemand
1 IfYEr als der Kaiſer Napoleon ſelbſt, der unerkannt bleiben
ji Eo ſehr nun der Juwelier die Franzoſen haßte, ſo
———— es ihn doch, daß der Kaiſer ſein Haus allen
* vorgezogen habe. Er holte nun einen der ver—
nen Schäße nach dem andern wieder herboͤr und {ftellte
dr Schau, ſo daß des Kaiſers Blick darauf fallen.
14 Auch ſein Benehmen änderte er ganz Mit aller
eeng hegegnete er nun ſeinem Gajte. Dieſer wußte
4 was dieſe Aenderung bedeuten ſolle und war noͤch
erſtaunt, als des Äbends um ein Gedeck mehr am
8 ſich vorfand. Für wen es beſtimmt ſei, ſollte er
4 Ad erfahren. Sein Wirth war aus dem Zimmer ge—
2 bald aber mit einem reizenden jungen Mädchen zu—

[
*

die

hier bei mir ſein würde und — Sie




S

— Aefehrt, das er dem Dberften mit den Worten vorſtellte:
— erzeigen Sie uns die Ehre, mein getiebtes
, meine Tochter Maria, an Ihren Tiſch zuzulaͤſſen.“

Wie, Ihre Tochter?“

da, meine Tochter. Der furchtbare Anblick der Be—
A* Datte ſie getödtet, mein Vertrauen zu Ihnen haͤt ſie
— *t in& Leben zurückgerufen.“ ;

4









— — — 8

Das Vertrauen des Vaters ging nun ſo weit, daß er
ſeine Tochter gar oft allein ließ mit dem Oberſten und fich
zwiſchen beiden eine Zuneigung entwickeln konnte, die dem
franzoſenfeindlichen Vater Jar nicht lieb ſein konnte, wenn
es auch bei dem gegenſeitigen Verkehre ganz in Ehren
zuging.

War dieſer nun hinter die Liebſchaft gekommen oder
hatte er in Erfahrung gehracht, daß Napoleon nicht ſein
Gaſt ſei, mit einemmale änderte er ſein Benehmen gegen
den Oberſt wieder Der Tochter gab er die gemeſſenſten
Befehle, wie ſie ſich nun gegenüber dem Oberſt aller nen—
gierigen Fragen und überflüſſigen Worte zu enthalten und


habe. Maria zeigte ſich auch wirklich ſo ſelten daß Wochen
vergingen, ehe der Oberſt ſie zu ſehen bekam.

Eines Ahends war ſie wieder bei Tiſche erſchienen.
Man war auf der Terraſſe verfammelt. Maria ſaß ſchwei⸗
gend, wie theilnamslos; der Vater dagegen war auffallend
beſtrebt, den Gaſt heiter zu ſtimmen, aber es Iag etivas in
ſeinem Benehmen, das errathen ließ, in ſeinẽm Innern
müſſe etwas Beſonderes vorgehen.

Nachdem das Mahl verzehrt war, rief Antonio einen
Diener und gab ihm den Auftrag, für ihn und die Tochter
Fiskaffee, für den Oberſt Vanilleeis zu bringen. Zı
Letzterem gewendet, ſagte er: „Oberſt, ich habe für Sie
Janilleeis und für uns Eiskaffee beſtellt. Nicht wahr, Sie
eſſen gerne Vanilleeis?“ Der Oberſt beſtätigte mit einem
Lächeln die Vermuthung Mata’s. Maria erbleichte. Als
der Oberſt den kleinen ſilbernen Löffel anſetzte, um von
dem dargereichten Banilleeis zu efjen, brach Maria ihr
Schweigen und ſuchte durch allerlei Fragen, die ſie mit
großer Lebhaftigkeit hervorſprudelte, den Sberſt von ſeinem
Vorhaben abzubringen. Aus Höflichkeit mußte er ihr Ant-
wort geben. Als er dann abermals den Löffel anſetzte,
war Maria ſchon mit neuen Fragen da, ſo daß das Eis
ſchon zu zergehen begann.

„Oberſt“, bedeutete Antonio, „eſſen Sie doch Ihr Eis,
Sie vergeſſen ja ob des Geſchwätzes ganz darauf!“

Der Angeredete nahm nun wieder Taſſe und Löffel
zur Hand aber Maria ſchlug ihn auf dieſelbe, ſo daß er
den Löffel fallen ließ Sie that dies, als wäre es eine
Laune ihres Uebermuthes.

„Sagen Sie mir, Herr Lambert!, ſprach ſie dabei,
„Nicht wahr Sie haben wenig Freunde in Burgos? Um
ſo beſſer! Unſere Stadt iſt voll böſer Zungen .. Wiſſen
Sie wohl, daß Elende die Frechheit gehabt haben meilien
armen Vater zu beſchuldigen er habe franzoͤfiſche Soldaten
vergiftet! Waͤs denken Sie von dieſer ſchmählichen Ver-
leumdung?“

Der Oberſt, erſchreckt über dieſe Worte, vermochte für
den Augenblick keine Antwort zu geben. Antonio ſprang
vom Tiſche auf und eilte fort Maria aber ſchickte ſich
an, ihrem Vater zu folgen.

„Ach, Herr Lambert“, ſprach ſie noch, „verzeihen Sie
mir, Ihr Eis iſt ganz geſchmolzen!“ Mit leiſer Stimme
ſetzte ſie hinzu: Freund! Goͤtt ſchütze dich vor der Wuth



meines Vaters! Dies hier iſt Gift!“ Bei dieſen Worten


 
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