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Wochenbeilage zum "Pfälzer Boten" — 1890

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Nr. 35 - Nr. 39 (7. September - 28. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44275#0143
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8



















1890.







‚„ Might mehr in der Welt.

Crzäßlung cus dım Epaniichen von U, St. in L.
berühmte niederlandiſche Maler Peter Paul Rubens
4* Tages in Begleitung ſeiner beſten Schüler
in Madrid, um die vorhandenen Bilder zu be-
In dem ärmlichen Gotteshauſe eines beſcheide—
* jand der Künſtler nichts, wos ſeine Auf-
zu feſſeln vermochte Schon wollte er ſich
hernen al8 ſein Blick auf ein haͤlb verborgenes
„ In einer unanſehnlichen Seitenkapelle fiel. Cr
demjelben und ſtieß einen Ruf der woer—
uS, Seine Schüler eilten ſogleich mit der Frage
Was hHaben Sie gefunden, Meijter?“ — „Seht!“
Rubens, ſtatt weiterer Antwort auf das Bild
Es ſtellte den Tod eines Mönches dar. Derfelbe
Ung und von einer Schönheit, welche weder die
Ö der Todeskampf halten verwiſchen fönnen. Er
dem Boden ſeiner Zelle ausgeſtreckt, die Augen
Tode erſtarrt, mit der einen Hand einen Todten—
Nd, mit der anderen ein Crucifix au8 Holz ang
end. Im Hintergrunde ſah man ein anderes Bild
Uches neben dem Bette aufgehängt ſchien von
& Möuch ſich erhoben hatie, um aus Demuth
larten Fißboden zu ſterben Dieſe zweite Dar-
ür das Bildniß einer jungen, ſchönen Verſtorbenen
- liegend, welcher von Trauerkerzen und koſt—
ürzer Draperie umgeben war. Beide Bilder er—
* offenbar. „Meifter, von wem mag dieſes
—— ſein? fragten die ſtaunenden Schüler, denn
4— Compofition, alles verieth ein Genie

8

eſer Ecke iſt ein Name geweſen.“ ſprach der
7 iſt jedoch ausgekratzt worden Nach der Malerei
* iſt es nicht älter als 30, aber auch nicht
2 Jahre.“ Aber der Künſtler?“ „Ich kenne
dieſes Werkes nicht und möchte ſchwören, daß
L Verk von ihm ſah. Ich möchte ſogar glauben,
nbelennte Meiſter, welcher der Welt dieſes
gegeben hat, keiner Schule angehört, kein
d gemalt hat u auch keines hätte malen können,
* an Werth gleichtommt. Es iſt ein Wert
— ein eigener Stoff, ein Wiederſchein der
Stuck Leben ... Aber, ... Welcher Ge—
.. Wollt ihr wiſſen, wer das Bild gemalt
Nun, derſelbe Sterbende, den ihr Farauf
— wie kann ein Sterbender ſeine letzten Augen⸗
Laubte, daß jene Frau auf dem Bilde im Hinter—
Seele, das Leben des Sterbenden war, ich Flaube,
* ſich ebenfalls als todt anjah, unD
die Welt wirklich todt war.“ „Vielleicht lebt

{ fuhr nach einer Weile Rubens fort, „eS iſt
\ Daß fich ſein Geiſt wieder erheitert hHat und
jetzt ein vergnügter Greis
LDeshalb muß man ihn aͤufſuchen, und vor Allem
i ‚erfahren, ob er noch andere Bilder gemalt




Mit dieſen Worten näherte ſich der Meiſtex einem
Mönche, weicher in einer andern Kapelle betete und fragte
ihn: Wollen Sie ſo gut ſein, dem P. Prior zu ſagen, daß
ich mit ihm im Namen des Königs zu ſprechen wünſche?!
Der Mönch, welcher ſchon ziemlich alt war, erhob ſich
muhſam und antwörtete Demüthig mit ſchwacher Stimme:
„WazZ wuͤnſchen Sie von mir? Ich bin der Prior.“ —
Verzeichen Sie, lieber Vater, daß ich Ihr Gebet unter-
brach,“ érwiderte Rubens; könnten Sie mir wohl ſagen,
wer der Schöpfer dieſes Bildes iſt? — „Er befindet ſich
nicht mehr in der Welt,“ lautete die Antport. So iſter
todt 1?“ rief Rubens verzweifelt aus „Ex iſt todt und
niemand hat ihn gekannt! Man hat ſeinen Namen vergeſſen!
Seinen Namen, welcher unſterblich ſein follte .. Seinen
Namen, der den meinen verdunkelt hätte! Ia. . . den
meinen . .. Bater, denn Sie müſſen wiſſen, daß ich Peter
Paul Rubens bin!“

Bei dieſen Worten belebte ſich das bleiche Geſicht des
Moönchs und ſein Augen hefteten ſich mit Verehrung und
ebertaͤſchung auf den Sprecher. — „Ah! Sie Tennen
mich?“ rief Kubens mit Genugthuung gus, das freut mich
in der Seele. Lieber Vater, wollen Sie mir das Bild
verfanfen ?“ „Sie verlangen Unmögliches! gab der Prior
zur Antwort. — „Nun gut . .. Kennen Sie ein anderes
Werk von dieſem ungekannten Genie? Können ſie ſich nur
feines Namens erinnẽrn? Wollen Sie mir ſagen, wann er
ſtarb?“ — Sie haben mich falſch verftanden,“ entgegnete
der Mönch, „ich habe Ihnen geſagt, daß dieſer Maler dex
Welt nicht mehr angehört, aber das will nicht ſagen. daß
er todt iſt.“ — „D, ev lebt, er lebt!“ riefen alle freudig
aus, „machen Sie uns mit ihm bekannt!“ Warum?
Der Mann hat der Welt entſagt, er will von ihr nichts
wiffen. Ich bitte euch deshalb, Jaßt ihn in Frieden ſterben.“
— „Ehrwürdiger Vater, dex König und der Papſt werden
Sie zwingen, es zu ſagen; ich ſtehe dafür, daß ich es erfahre,“
ſagte Rubens mit Entſchiedenheit.

„O, thun Sie das nicht,“ bat der Möndh. „Sie
würdẽn nicht gut daran thun Herr Rubens. .. Nehmen
Sie das Bild, wenn Sie wollen, aber laſſen Sie den Ur—
heber in Ruhe ... Ich ſpreche im Namen Gottes zu
Shnen . ... Ja . . ich habe ihn gekannt, geliebt, ich
haͤbe ihn getröftet und befreit . .. Ich habe Diefen, wie
Sie Jagen, großen Mann befreit, dieſen ehemals ſo unglück⸗
lichen, blinden Mann, wie ich ihn nenne, aus den Wogen
der Leidenſchaft und des Unglückes, aus dem Schiffbruch
und Tode gerettet. Glauben Sie, daß dieſer Mann, ehe
er dem Relchthume, der Macht, der Jugend, der Liebe, kurz
Allem entfagte, was die Geſchöpfe eitel macht, nicht einen
harten Kampf mit ſeinem Herzen beſtanden haben wird?
Wollen Sie ihn zu dieſem Kampf zuxückführen, wenn er
gefiegt hat?“ 8 er dies Jagte, 30g der Moͤnch die Kahuze
über den Kopf und verließ das Gotteshaus. „Kommt !“
ſagte Rubens, „ich weiß, was mir zu thun bleibt. —
„Meifter!“ entgegnete einer der Schüler, der während der
Unterredung den Mönch und das Bild abwechſelnd be⸗
trachtet haͤlte, „finden Sie nicht, daß dieſer alte Mönch


 
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