Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Wochenbeilage zum "Pfälzer Boten" — 1890

DOI Heft:
Nr. 44 - Nr. 48 (2. November - 30. November)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44275#0175
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext









Pfälzer Jaken.“













Yr, 47.




November. 1890.





Ein Drama in der Tuft.
(Aus der Zeit Napoleons IIL.)
(Schluß.) }

Aus den hohen üppigen Laubdächern der Champs Ely-
® De3 Tuileriengartenz, wie des Boulogner Wäldchens
aren liebliche Raſenplätze geworden, deren friſches Grün
kaum von der Erde abhob. Die ineinander verſchlung—
en Promenaden, die fernerhin ſich durchkreuzenden Chauſſeen














der Barrier l’Etoile, an der ſoeben noch der Ballon vor—
ſerſtreifte, wie die kühne Pyramide von Luxor des
mtrachtpiatzes und der majeſtätiſche Dom der Inva—
en, ſie alle waren durch die ſchwindelnde Höhe, von
Arthur niederſchaute, zu winzigen Spielereien herabge—
müthigt. ; ;
Doͤch vor allem gewährte Paris einen unbeſchreiblichen
blick, Paris mit ſeinen zahlloſen Giebeln, ſeinem düſter—
auen Häuſermeere, ſeinen labhrintartigen Gaſſen, ſeinen
aläften, Kirchen, Plätzen, Monumenten, Quais, Brücken
eſtungswerken und Boulevards. Ueber allem lag ein
ſchter Duft wie Abendnebel in feuchten Thälern, und
ſech alles hin ſchläugelte ſich, einem Silbergürtel gleich,
e prächtige Seine, blitzend, im Sommerglanze, der lichlich
ſrkiärende Reflexe auf dieſe Wunder der zauberiſchen Welt—

Und ringsumher, wie mit ſanften, laubigen Kränzen
mwoben und vom Sonnenlichte vergoldet, tauchten in
kulicher Ferne Neuilly, St. Cloud, Verfailles, Mont—
drency, Auteul, Bafiy und viele kleine Ortſchaften auf.

Es war ein feenhafter Anblick.

Arthurs Lippen entrang ſich ein leiſer Ausruf der Be—
Dann pries er begeiſtert die Schönheit deſſen, was
aDı ı : (
Dolores war beſchäftigt, den Ballon zu lenken, der,
leiſer Stimmung ſchwankend, über Paris dahinſchwehte.

Ein Summen und Brauſen, das dem Geräuſche glich,
lelche eine ans Ohr gehaltene Muſchel verurſacht, tönte von
ort herauf. !

Dolores ſchaute nicht hinunter, ſie prüfte ernſt den Lauf

ordweſtliche Richtung verfolgten.

Haͤſtiq warf ſie Jallaſt aus, der Ballon ſtieg, bis er faſt
en Saum der unterſten Wolkenſchichte berührte, und folgte
anı plößlich, von der heftigen Luftſtrömung erfaßt, ſchnell
ie der Blitz dem raſenden Lauf der Wolken.

Arthur klammerte ſich an die Gondel, die raſtloſe
chnelle, mit der das Luftſchiff ſich fortbewegte, benahm
Yı faſt den Athem und ließ ihn kaum mehr die Gegen-
lände tief unter ihnen erkennen, die er ſoeben noch









ntfernten.
Dolores ſaß ihm gegenüber — das ſtereotype Lächeln
nſpielte wieder ihre Lippen.

\ *

St. Denis zur Rechten, St Germain zur Linken falgten



SCS








der Hauptſtadt mit Windeseile, und die Seine blieb ihre
Gefährtin gleich einer rieſigen, glänzend, ſich dahin winden—
den Schlange.

Doch auch ſie,
umherirrenden Auges,
löſchen

Doͤlbres warf von neuem Ballaſt aus, der Ballon ver—
ſchwand in den Wolken und undurchdringlicher Nebel um—
hüllte die Segler.

Arthur gewahrte nichts um ſich her, nicht einmal die
Braut, deren Antlitz doch nur eine Elle etwa von dem ſeinigen
entfernt war. /

Dem ſonſt ſo entſchloſſenen jungen Manne begann das
Herz hörbar zu klopfen. ; (

„Dolores“, ſagte er, nach ihrer Hand taſtend — „Dift
Dı gejonnen mich in den Mond zu führen?“

Wir müſſen die Woͤlkenſchichke durchkreuzen!“ ſagte ſie

fajt der einzige Luhaltspuntt des
ſollte bald vor Arthurs Blicken er⸗

ernſt.
Nach wenigen Augenblicken ſchwebte der Ballon wieder
im klaren, tiefblauen, unendlichen Aether Die ſcheidende
Sonne warf all’ ihr Gold auf die Liebenden.
Unter ihnen aber wogte und ſchäumte jetzt das
weiße, glitzernde Wolfenmeer, weithin in den wunderbarſten
Geftaltüngen, mächtige Riſſe enthüllten ihnen von Zeit


Paubrama faſt nebelhaft in unbeſtimmten Farben heran—
dämmerte. \ ' \
Der Ballon hatte nicht die Strömmung verlaffen, die
ihn mit Sturmeseile nach Nordweſten trug
Arthur ſchwehte im Vollgenuſſe aller Herrlichkeiten, die
ſein trunkener Blick zu erjpähen vermochte. So gewaltig


er keines Wortes mächtig, zuſammiengekauert dafaß, ſtaunend.
ſelbſtvergeſſend, verzückt, das Herz völl ungeahnter, wunder—
baren Empfindungen.

Dem kleinlichen Erdentreiben weit, weit entrückt, erhebt
ſich die Seele über Zeit und Raum.

Und Dolores ſaß ihm ſchweigend gegenüber, ſchweigend,
ernſt, hoffnungslos. ;

Für ſie war nicht das Gold der Sonne, nicht das
Paradies der hehern Stiftung — fie ſtarrte nach Nordweſten,
all’ ihr Sinnen, Trachten, Spähen ging dorthin. ,

Plötzlich zertheilten ſich die ſturmgepeitſchten Wolfen unter
ihnen mehr als vordem, ein großer Theil der Erde ward ſichtbar
und mit ihm der blitzende Schlangenlauf der Seine, an deren
einer Krünimung es fich wie felſigrauer! compacter Schatten
ausdehnte.

Was iſt das?“ rief Arthur, nach jenem Schatten
Deutend, — „jeßt iſt es dort — weit, weit hinter uns ſchon!
Siehſt Du? Was iſt es?“ 4

„Nouen!“ verſetzte Dolores.

— „Rouen?“ Wie iſt es möglich? Rouen
Kilometer von Paris!“

Dolores wies ſtumm auf die untergehende Sonne

Mein Gott ! rief Arthur erſtaunt, „hab ich geträumt?“
Wie kann es ſein — ? Die Sonne fintt.“ —

iſt hundert


 
Annotationen