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Wochenbeilage zum "Pfälzer Boten" — 1890

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Nr. 31 - Nr. 34 (3. August - 24. August)
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ELss. Sonntag, den 17. Auguſt.

— —

14 7 — — *

un heldenmüthige Bier ſprach ſie einem Sterbenden Muth zu, dort tröftete
1 e t Aın — ſie eine verſcheidende Mutter mit dem Verſprechen, ihren
ſiy 44 * * * in tiefer Trauer. Die | Heinen Kindern Schutz angedeihen zu laſſen, dem armen
M7 Bläße mwaren Sde ımd verlaffen, die [onft Voll8= | Zomifienvater jagte fie, der Sohn werde die Armee ver-












/ — wie ausgeſtorben, die Häuſer verſchloſſen:
1 weichen, daß großer Schrecken hier herrſchte! Nır
e bq huſchten einzelne Geſtalten an den ſtillen Wohn—
* Orüber. Das Haupt geſenkt, ſchienen ſie furchtſam
1 und der Begegnung aller Freunde auszuweichen.
herrſchte fürchlerlichſte Stille. Jeder Verkehr ſchien
en, jedes Leben verſchwunden.
den Wohnungen ſchaarten ſich die geängſtigten
mitglieder um den Herd. Die bleichen, bebenden
ließen ihren ſchmerzlichen Blick auf den Kindern
die Väter ſuchten umiſonſt einzuſprechen; alle Ein—
ſchwebten in banger Erwartung. Kein Fenſter
ſich um den Sonnenſtrahlen Einlaß zu verſchaffen,
: ein frohes Lied hinauskönen zu laſſen.
44 wenn dunkle Lacht ſich niederſenkte, öffneten ſich
* geheimnißvoll, und man ſah, wie Särge hHinaus-
wurden und in der Finſterniß verſchwanden.
Emand wagte es, den Kainen der ſchrecklichen Geißel

2








— die auf der Stadt ruhte, und doch dachten
md Reich nur an fie, In ihrer erhitzten Phantaſie

ı n fie das Scheufal an ihrem Lager, wie es die
Arme grinſend nach ihnen ausflreckte und von
* ergriffen, flohen die Reichen, die Arnen aber
1 n ſich in die verborgenſten Winkel. Die Geißel kam
18 Ufern des Indus hHer, hatte Perſien durchſchritten,
heimgeſucht und über den Tigris und Euphrat

M Man nannte ſie die ſchwarze Peſt, den ſchwaͤrzen

* Peſt wüthete alſo in Amiens! Umſonſt kämpfte
/ tlfienfc{)aft gegen das Ungeheuer. Hier war menſchliche
d Ende. Nur Gott koͤnnte helfen.

—1 einem weiten Amphitheater lagen die Peſtkranken
— unter ſchrecklichen Qualen den Tod. Täglich
* Uebel und mit ihm Schrecken und Entſetzen.
A 19 waren die Kranken, unzählig die Opfer, aͤber
[ die Bahl der Helfer. ;

S0 brach der 4. Suli 1866 heran.

4 ü erjchien eine Frau, die aus weiter Ferne kam und
h f ſich brachte, als jene hinunliſche Blume der chriſt—
; %Qleße‚ jene Blume, deren Duft alle Schmerzen lindert,
en heilt.

4 Iter einem dichten Schleier barg dieſes Weib ihre
W und den Meiſten unbekannt, eilte ſie bei ihrer An—
4 urch die Straßen von Amiens und lenkte ihre Schritte
zu

m Thor des Krankenhauſes wachte die Cholera. In
audigen Sälen lagen die Kranken im Fieberwahne,
4 und jammernd. Die Luft war verpeſtet vom gifti—
Wuche der Sterbenden Schreckliches Bild! Hier wuͤrden
Iſche Peſtkranke hinausgeſchafft, dort laͤgen andere














* Die Fremde ſchritt muthig und ohne Zagen
e Schwelle, trat in die langen Sälen und wandelte
a von Bett zu Beit.
1






laſſen, nach Hauſe zurückkehren und die Mutter pflegen.
Bald auch ließ ſie verſtohlener Weiſe ihr Gold in Ddie
Hand des Dürftigen gleiten, daun hielt ſie ihren Arm
unter eines Sterbenden Haupt, um deſfen Tod zu erleichtern,
dann wieder trocknete ſie die Thränen eines Verlaſſenen oder
zeigte den Hinſcheidenden den Himmel.

An ihrer Seite ſchritt der Inſpektor des Hoſpitals, ein
würdiger Greis mit dem Verdienſtkreuz auf der Bruſt, und
geleitete ſie ehrfurchtsvoll von Lager zu Lager.

So kamen ſie zu einer todtkranken Arbeiterin, deren
Augen krampfhaft geſchloſſen waren. Mitleidig neigte ſich
die Fremde zu ihr und murmelte einige Worte, welche die
Kranke allein verſtehen fonnte.

„Dank, Dank, Schwefter!“ liſpelte kaum hörbar die
Arbeiterin.

Es iſt keine Schweſter! ſprach bewegt der Inſpektor!
„Glückliches Weib! Dein Haupt ruht in den Armen der
Kaiſerin Eugenie!“

Nein mein Herr,“ rief begeiſtert die Fürſtin denn ſie
war es in der Wirklichkeit Laſſen fie mir den Namen
„Schweſter“, er iſt meinem Herzen am ſüßeſten.“ Und
dieſe Worte hallten in ganz Frankreich wider; ſie ſind un—
ſterblich. Hat die chriſtliche Liebe wohl je eine edlere, hoch—
herzigere That eingegeben?

Es wäre ihr ein Leichtes geweſen, nach Amiens zu
kommen, umgeben von allem königlichen Prunk, vor ihr
Herolde ihrer Wohlthaten, hinter ihr Staunen und Be—
wunderung. Aller Blicke hätten auf ihr geruht, auf der
helfenden, wohlthuenden Fürſtin. Aber ſie zog die chriſt—
liche Liebe vor.

Sie warf den kaiſerlichen Prachtmantel ab und barg
ihre Größe unter dem Schleier der barmherzigen Schweſter;
ihre Hand, die mur ans goldene Szepter gewöhnt war,
ſchmückte ſich mit dem Kreuze der Armenſchweſtern.

Un wahrlich! Niemals war die Kaiſerin Eugenie er—
habener und liebenswürdiger, als damals, da ſie in Amiens
pflegend und tröſtend unter den Peſtkranken umherwandelte.

Dennoch ein König.

Vor den kaiſerlichen Statthalter im Juſtizpalaſt der
römiſchen Provinzialſtadt Jeruſalem wird eines Freitag
morgens ein Gefangener geſchleppt unter der Anklage des
öffentlichen Aufruhr3. „Diejen finden wir, daß er das
Volk abwendet, und verbietet dem Kaiſer Stenern zu geben
und ſpricht, er ſei Ehriſtus der König!“ Der Gefangene hat
Beulen am ganzen Körper, und ſein Geſicht iſt mit Blut
unterlaufen infolge der Mißhandlungen, die er auf dem
Transport erlitten hat. Seine Kleidung iſt die denkbar
ärmlichſte. Da er die ganze Nacht unter heftigſten Seelen—



 
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