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Wochenbeilage zum "Pfälzer Boten" — 1890

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Nr. 22 - Nr. 26 (1. Juni - 29. Juni)
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AB 24,





— —

Ariofto und die Briganten van Garfagnana.

Eine Epiſode aus der Geſchichte Ferraras
im 16. Jahrhundert.
Dem Ilalieniſchen nacherzählt von Philipp Freidank.

Nachdruck verboten.

(Fortfegung.)

Der ſeltſame Mann deklamirte mit lauter
Stimme die Verje des /Raſenden Roland“, welche
Hon den Gefahren hHandeln, in welchen die Tugend
MAngelikaz ſchwehte. Hm feinen Vortraͤg anſchaulicher
zu machen, riß er von Zeit zu Zeit mit drohenden
Geberden ſein langes Meſſer aus der Scheide und
machte müthende Suftftöße damit.

Welcher Mann! Welch/ ein berühmter Dichter!“
uuterbraͤch ſich häufig der Dicke.

„Mein Herr“, ſagte der Begleiter des jungen
Mädehens, indem er ſeine Dechung verließ und auf
den Keinen diken Sonderling zZUging: Ich bitte tau-
jendmal um VBerzeihung, Wenn ich Sie beim Leſen
eines Buches {töre, welchez Ihre Aufmerlſamkett einzig
und allein, vielleicht zuviel zu feſſeln ſcheint.“

„Was, vielleicht zuviel 4” erwiderte ärgerlich der
Bewunderer Arioſts. Iſt der Herr Franzoſe, Eng⸗
Tänder oder gar ein Beutſcher?“

Um dieſe Frage verſtehen
darauf aufmerffam gemecht werden/ }
in welder unſere Srzählung ſpielt, der Krieg zwi⸗
ſchen Franz I von Fraukreich und Dem Deutſchen
Kaiſer Karl V. cutbraͤnnt war, ein Beitabfnttt, In
welchem Italien von fremden Söldnern überfluthet
wurde.

Beruhigen Sie ſich nur, mein Herr, ich bin Ita⸗
liener wie Ste.“

Und Sie bewundern nicht — doch was ſage
ich, Sie beten dennoch unferen göttlichen Arioſto nicht
an?“

Artoſto hat viel Huͤbſches geſchrieben,“ erwiderte
der junge Ehelmann.

„Sn der That“, ertwiderte der Dicke beißend.
Sie erweiſen unferent Dichter viel Ehre. Sie ſehen
ganz wie ein Schalk aus, der Artoſto noch gute
Lehre geben will. Sr hat manchez Gute geſchrieben!
Woͤlch' laͤcherliche Bemerkung! Wer hat Sie zum
Richter über unfern goͤttlichen Dichter geſetzt? Gehen
Ste zum Teufel!

Stit diefen Worten drehte der erboste Verehrer
Arioflos dem Fremben den Kücken.

Wollen Sie nicht die Süte haben, mir den
Weg zu zeigen,“ erwiderte farkaſtiſch der junge
Mann.

Wie kommen Sie mir vor?

Bin ich deßhalb dazu perurtheilt, kene Antwort

u erhalten,. weil ich Arioſto nicht verehre? frug
fv unſer Held.

achen Sie nur, mein Herr,“ ſagte der dicke
Unbekannte, indem er ſich umdrehte. „E3 ſind ſchon
oiele in des Teufels Küche gerathen, welche weniger

zu fönnen, muß
daß in der Zeit,





1890.









verbrochen haben, wie Sie. Wie lann man nur Arioſto
nicht bewundern!“

Sie haben geſagt man müſſe ihn anbeten!“

Sch halte dieſes Wort aufrecht. Sie kennen
doch die Schilderung des Aufenthaltes Rogers auf
dem Silande der Freude? Und die Zuſammenkunft
radamantes mit Merklin, und die Wuthausbrüche
Kolanda? Und den Marſch Karls des Großen auf
vaͤris? Und das fliegende Pferd? Und . . meine
Maccaront ſind angebrannt! , ...“

Mit diefen Worten eilte der Bewunderer Arioſtos
einer Gruppe von Felſen zu, in welcher er ſpurlos
verſchwand. —

„Dasz ift ohne Zweifel ein Eremit,“ ſagte DasS
junge Maͤdchen, zu welchem fein Retter in zwiſchen wie⸗
der zurückgekehrt war.

Qächelnd meinte der junge Mann, daß die Worte
des Fremden nicht darauf ſchließen ließen.

Snzwijchen war der vermeintliche Eremit wie⸗
der erfchienen und brach daun nochmals in die
Morte aus: „Wie kann man nur Ariofto nicht be—
wundern!“

„Gut,“ ſagte der Veſchützer der jungen Dame,
welcher wieder hinter feinem Verſteck hervorgetreten
war! „Sm Namen des Dichters, den Ste ſo ſehr
mir den nächſten Weg nach
Caſtel Luno zu zeigen. Als Vergeltung für dieſen
Dienft verſpreche ich Ihnen. Idrem mir perſbnlich be⸗
Fanıten Lieblingsdichter die Mittheilung zu machen,
daß er in den Bergen von Garfaguana einen glühen⸗
den Bewunderer beſitzt.“

Gänzlich beſänftigt, erwiderte der Dicke: „Sie
wollten dte Güte haben, den gottlichen Artoſto von
meiner Wenigkeit zu unterhalten?“

Gewiß“', erwiderte der junge Edelmann; wie
iſt Jör Name?“

Zefierino Montefiori, Ihnen zU dienen, mein
Herr/ Koch von Veruf und Dichter aus Lieb⸗
haberet.“

Fein lächelnd machte der junge Edelmann dem
dicken Foch ſein Kompliment über ſeine Doppelſtellung
als Koch und Dichter. ;

Befirind nahm die Huldigung des Fremden ſelbſt⸗
bewußt entgegen und ſchickte ſich an, demſelben den
nächjten Weg nach SCajtel-Nuovo zU zeigen, als von
der Seite, wo das Caſtel lag, im Oſten, ein Sig-
nalpfiff ertönt. Etwas verlegen durch dieſe Störung,
wwendete fich der Dicke nach Südweſten und zeigte mit
ſeinem Finger auf einen von hohem Gebüſch umge⸗
beuen Fußpfad. Doch auch von diefer Richtung her,
ertönte jebt ein Signal. ©anz beſtürzt wies der ver⸗
meintlide Sinfiedler auf einen dritten Abſtieg nach
Caͤflel· Ruovo in einer anderen HimmelSridhtung, aber
7 voͤn daher ertönten wieder die gleichen Signal⸗
pfiffe.

„Zum Kuckuck! xief Dder Dicke, indem er den
jungen Sdelmann und feine Begletterin, welche in
zwijqen ebenfalls hinzugetreten wer anblicte: „Neberall
jind Schildwachen auzgeftellt, alle Ausgaͤnge ſind be—
wacht und meine Freunde kehren zurück!“


 
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