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Wochenbeilage zum "Pfälzer Boten" — 1890

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Nr. 22 - Nr. 26 (1. Juni - 29. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44275#0084
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„Wie? Ihre Freunde kehren zurück? rief der
Begleiter der jungen Dame mit unruhigem Erſtaunen
aus.

„Meiner Treu, das iſt wahr“, erwiderte Zefirino
keinlaut. „Ich habe vergeſſen, Ihnen zu ſagen, daß
Sie ſich im Hauptquartier der Fratellt (Briganten)
von Sarfagnana befinden !“

Im Hauptquartier der Brüder von Garfagnana,
der gefürchteſten Räuber der Apeninnen? murmelten
wie aus einem Munde die beiden jungen Leute.

„Wir ſind alſo zwiſchen Räuber gerathen, wie
ſchrecklich! rief die junge Dame bebend vor Angſt
aus. Und mit gerungenen Händen wandte ſie ſich

egen ihren Befreier und bal ihn im Namen ſeiner
utter, ſie nicht in die Hände dieſer Briganten fallen
zu laſſert.

„Haͤhen Sie doch keine Furcht, mein Fräulein“,
beſchwichtigte der Koch. Es ſind brabe Leute, zwar
ein wenig ſtreitſüchtig aber vor allen Dingen ſehr
44 Ich bin ſchon ſeit ſechs Monaten bei
Hnen und habe für Nahrung noch keinen einzigen
Bajocho (Pfenntg bezahlt!“

Latürlich, ſagte der Begleiter der jungen Dame
ſarkaſtiſch, „weil Sie der Genoſſe dieſer Räuber ſind.“

„Ich hatte ſchon einmal die Ehre zu ſagen, daß
ich Dichter bin, erwiderte der Dicke.

„Und Koch?“

„Und Koch. Damit Sie einen Begriff davon
belommen, welch' Zartgefühl und guten Geſchmack
die Leute beſitzen, welche Sie Räuber zu nennen be—
lieben, führe ich an, daß ſie als Entgeld für meine
Verpflegung nichts weiter als den Vortrag von Ge—
dichten von mir verlaͤngen.“

„Ihre eigenen Gedichte?“ frug ungläubig der
junge Edelmann.

„Nein, mein Herr; obwohl meine eigenen Ge—
dichte ſich mit denen Anderer leicht meſſen können,
ſo recitirte ich nur Verſe von Aribſto.“

„Sie ſprechen in Räthſeln.“

„Durchaus nicht, mein Herr. Während der
Ruhezeit des Mittags oder des Abends leſe ich meinen
Freunden Bruchſtücke der herrlichen Dichtungen Arioſto's
vor und Sie glauben nicht, mit welcher Begeiſterung
die rauhen Söhne der Berge zuzuhören pfleßen.“

„Ich glaube, die Herren ſind nicht weniger em—
pfindlich für die Güte Ihrer Maccaroni“, feßte der
junge Edelmann ironiſch hinzu.

„Sie haben Recht“, erwiderte der Koch, denn
meine Maccaront ſuchen ihres Gleichen.“

„Nun in allem Ernſte die Frage: Glauben Sie,
daß dieſer jungen Dame in Mitten dieſer Leute Ge⸗
fahr droht?“

„Ich glaube nicht. Doch iſt es beſſer, wenn Sie
ſich wieder verbergen und ſo lange ruhig warten, bis
ich Sie rufe. Nun kein Wort mehr, hier kLommen
ſie!“ warnte der dicke kleine Mann.

„Nun Zefirino, wo bleibt unſer Nachteſſen? rief
einer der Briganten, welcher der Anführer zu ſein
ſchien. „Unfer Tagewerk iſt ſehr mager ausgefallen,“
fügte er hinzu, indem er ſich auf einen Felsblock
ſetzte und ſeinen ſchweren Degen neben ſich legte.
Hoffentlich iſt dieſe Magerkeit nicht bei Deinem
Nachteſſen der Fall.“

Dieſen ſcherzhaften Worten Beifall bruͤllend,
ſetzte ſich die ganze Bande im Kreiſe um ihren Chef
und Jedweder begann zu erzählen was er gethan und
geſehen hatte.

94

Maccaroni hildete die heutige Mahlzeit der Briganten
Während einer Viertelſtunde vernahm man nichts
weiter als das Geräuſch der Kauwerkzeuge von etiwa
20 hungrigen Leuten. Gabel und Löffel wurden
nicht angewendet und die Dolche vertraten bei del
Mahlzeit die Stelle von Meſſern. Ein leichter Land⸗
2 direkt vom Schlauch getrunken, wuͤrzte da⸗
ahl.

Nachdem der erſte Hunger und Durſt geſtillt
war, begann der Koch einige Strophen eines, wie er
ſagte, unbekaunten Dichters vorzutragen, welcher Vor⸗
trag aber von dem Auditorium mit einſtimmigem
Ziſchen ablehend aufgenommen wurde.

„Sind dieſe elenden Verſe von Arioſto?“ frug
man von allen Seiten,

„Nein, meine Herren, aber, wie ſchon geſagt,
von einem anderen großen Dichter!“

Wenn Du noch einen einzigen Vers dieſes un⸗
bekannten großen Dichters vorträgſt“, ſagte ernſt der
Tapitano, ſo empfängſt Du für jeden Buchſtaben einen
Stockhieb.

Zefirino beeilte ſich unter dieſen Umſtänden, dem
Wunſche des Capitanos nachzukommen, und trug dem
kunſtverſtändigen Auditorium den Tod der tuͤgend⸗
reichen Iſabella in Arioſtos raſenden Roland voͤr.

(Fortſetzung folgt.)

Ein kaiſerliches Aner.

Im Sommer 1717, als Peter der Große ſich
des Brunnens zu Spa bediente, hielt ſich auch der
Staatsrath und Canonicus von Luttich, Herr de Lau⸗
naye, daſelbſt auf und hatte bei ſeinem häufigen Ver⸗
fehr mit ihm Gelegenheit, den ruſſiſchen Zaren in
ſeinem Privatleben kennen zu lernen. Das was er
heobachtet, hat er in einem Briefe vom 27. Juli des-
ſelben Jahres an den Miniſter von Paſſerat nieder⸗
gelegt. Dieſe merkwürdige Aufzeichnung lautet folgen⸗
dermaßen:

„Am Freitag kam ich nach Spa. Der Zar war
gerade in einem Zelte. Ich nahm mir die Freiheit,
ihm ein Körbchen voll Kirſchen und Feigen aus mei⸗
nem Garten zu präſentiren. Es ſchien ihn ſehr ange⸗
nehm, denn er machte ſich ſogleich darüber her, und
obwohl er am Morgen einundzwanzig Glas Waſſer
getrunken, verzehrte er ehe ich e& mir verſah, zwölf
Feigen und ſechs Pfund Kirſchen. Den Tag daͤrauf
erwies er mir die Ehre, mich zur Tafel zu laden.
Dieſe Mahlzeit war zu merkwürdig — und man ſagte
mir, daß Se. Majeſtät gewöhnliche ſo dinirt — aͤls
ich Ihnen nicht eine Beſchreibung dabon geben
ollte.

Obgleich die Tafel für acht Couverts beſtimmt
war, ſo hatte man doch zwölf Perſonen zu plazteren ge⸗
wußt. Der Zar ſaß obenan in der Nachtsmütze und
ohne Halsbinde. Wir Uebrigen hatten unſere Plätze
ebenfalls eingenommen, ſaßen aber wohl einen guten
Fuß von der Tafel ab. Zwet Soldaten von der Gar⸗
niſon trugen zwet große Schüſſeln auf, die voͤllig leer
waren, mit Ausnahme einiger irdener Näpfchen von
Bouillon, in deren jedem ein Stück Fleiſch ſchwamm.
Sie wurden vor unſere Teller geſtellt. Dadurch ent⸗



ſtand indes eine ſolche Weitläuftgkeit und Unbeholfen⸗
heit, daß man, um einen Löffel Suppe zu erhalten






zu
fes


 
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