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Wochenbeilage zum "Pfälzer Boten" — 1890

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Nr. 40 - Nr. 43 (5. Oktober - 26. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44275#0150
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Lykurg, Perikles, Ariſtides, Tiberius, Gracchus und Cäſar
Man fieht ſie in faltenreichen Togen aus Wolle, einfach
und majeſtätiſch, lebende Sinnbilder der Neinheit, Groͤße
des Paltiotismus uud der Klaſſicität. Man ſtelle ſich
Hrn. Carnot auf den Stufen des Palais Bourbnn ſo ge⸗—
kleidet vor, umgeben von der niedrigen, wie wir gekleideten
Menge, und man wird ſich voll Verehrung, Bewunderung
und Liebe für die Republik fühlen. Ein Kranz von Eichen—
laub — die Eiche iſt einer der Freiheitsbäume — würde
ſeine heitere Stirne umgeben. Beim Spaziergang würde
Carnot ſich in einem antifen Karren auf einem Purpurſitze
zeigen. Niemand würde ihm gleichen, und man könne nicht
fagen, ein Anderer trage die toga praetexta, die toga Virl-
lis, die trabea und den laͤtus clavus mit mehr Anſtand,
als er. Man bedenke, daß wir ſchon als Schüler in dem
Cultus und der Bewunderung derart gekleideter Männer
erzogen wurden! Carnot würde aus unſern Studien-Er—
innerungen. Nutzen ziehen und wäre mit den Tugenden der
Kühnheit und dem.Heldenmuth der antifen großen Männer
geſchuiückt. Um daz Gemälde zu vervolljtändigen, das An—
fehen zu verſtärken, müßte der Präſident der Republik ſeine
öffentlichen Bekanntmachungen in alexandriniſchen Verſen
vortragen und nicht in Proja, wie der erſte beſte Kolonial—
waaren Händler.

Waͤs iſt ein Gaſtwirth? Dieſe Frage beantwortet
der „Schweiz. Gaſtw in folgendex origineller Weiſe: Der
Gaſtüwirth iſt ein Mann, Dder es Niemaͤnden recht machen
fann... Denn ſteht er morgens früh auf, ſo thut er unrecht
gegen ſich ſelbſt, weil er jeinem Körper, den er erſt ſpäter
zu Bett gebracht hat, die nöthige Ruhe raubt; fteht er
aber ſpät auf, {o nennt. man ihn einen Faulenzer. SGeht
er zeitig auf den Markt, ſo muß er Alles theuer bezahlen,
weil noch Alles in der beſten Auswahl vorhanden iſt; geht
er aber jpät-hin, ſo iſt das Beſte vergriffen. Geht er vom
Markt dirett nach Haufje, ſo ſchimpfen ſeine Kollegen, die
er auf dem Markte traf; denn dieſe wollen gern noch ge—
meinjam einen Schoppen trinken; geht er aber mit ihnen
in eine fremde Kneipe, ſo heißt e8': „Aha, Sie kommen
wohl hierher, um auch eininal ein gutes Glas Bier zu
trinfen ?“ Bekommt an einem ſonſt guten Tiſche ein Fremder
einmal zufällig ein nicht recht gerathenes Gericht, oder TÜr
ſeinen Lömenhunger nicht genug, jo hHeißt’s überall: „Bei
dem iſt das Eſſen fchauerlich!“ Giht er aber viel und gut,
ſo ſagen die Lente: „Auf dieſe Veiſe muß ja der Menſch
pleite gehen.“ Spielt er ſchlecht Billard, ſo verliert er
jein Geld, denn alle Gaͤſte wollen mit ihm ſpielen: f{pielt
er aber gut, ſo verſchlägt er ſich die Kunden. Hält er
weibliche Bedienung und die Mädchen ſind Häßlich, 10
moquiren ſich die Gäſte; ſind ſie aber hübſch ſo moquirt
ſich feine Frau. Hat er viel Soldaten als Gäſte, 10 gibt’8
Streit zwiſchen Militär und Civiliſten hat er nur Civiliften,
ſo zanken ſich dieſe untereinander. Duldet er Hazardſpiele,
kann er feine Konzeſſion verlieren; duldet er keine, ſo gehen
ſeine Gäſte, wenn ſie einmal „eine Flaſche Wein krinken“
woͤllen, in ein anderes Lokal. Verheirathet er ſeine Tochter,
ſo raiſonniren diejenigen Gaͤſte, die er eingeladen hat, weil
Jie ein Geſchenk mach.n müſſen, und die andern raiſonniren,
weil ſie nicht eingeladen worden ſind. Hat er gute Cigarren,
ſo ſind ſie den Leuten zu theuer, und hat er jchlechte, {o
{ind ſie ihnen nicht gut genug. Widmet er einem Gaſte
ein Stammjeidel, 10 ſchimpft dieſer, weil er jetzt an die
Kneipe quasi gebunden iſt! und widmet er ihm keins, ſo
geht der Gaſt lieber dorthin, wo er ſchon eins hat Gibt
er einmal_eine Flaſche zum Beſten, ſo ſchimpfen die Gäſte,
weil ſie ſich revanchiren müſſen, und thut er's nicht, 10
neunt man ihn uncourant. ‘ Unter dem Vorwande ein
ganzes Seidel ſei im zu viel, läßt ſich der Gaſt einen




Läßt er des Abends die Gäſte ſitzen,
ſo ſchimpfen die Frauen über ihn;
abend, ſo zanken die Männer
flagen die Gäſte über Langeweile; Hält er viele Zeitn
ſo vergeſſen die Gäſte über dem Leſen das Trinken

ſo lange ſie


bleibt der Betreffende weg, und borat er ihm, ſo
jener erſt recht weg. Kurz — der Gaſtwirth iſt ein
der es Niemaͤnden recht machen kann!
Kinderranb in Berlin, Am Sonntag-Boll
ſpielte der neunjährige Sohn des Reſtaurateurs R. w
Beinſtraße zu Berlin mit ſeiner auderthalb Jahr?
Schweſter vor dem elterlichen Hauſe, als eine ältere
welche bereits längere Zeit den Kleinen zugeſchaut!
plötzlich an den Knaben herantrat und dieſem einem
verjebte, daß derſelbe zur Erde fiel. Sodann evgil
Perſon das kleine Mädchen und eilte ſchnellen Schri
demſelben in das Haus, welches einen zweiten UT
nach der Gollnowſtraße hat. In demſelben 2
doch trat ein Nachbar des Reſtaurateurs aus der
des Lokales und überſah mit ſchnellem Blick das
fallene. Er ſetzte der frechen Räuberin nach und
dieſelbe in der Georgenkirchſtraße ein. Bei dem m
folgenden kurzen Kampfe um das Opfer ſammelte ſich
eine dichte Menſchenmenge an; ehe jedoch dieſelbe die
Nufklärung erhalten Konnte, Hatte ſich das Weib und
aus dem Staube gemacht und war leider entkommen

Humoriſtiſches.
KühHneEntiduldigung. —*
Touriſt (der ſich von einer Bäuerin ein Glas {UB“
geben. ließ): „Hören. Sie 'mal, gute Frau, Ihre Milch il
fallend dünn und ſchmeckt fehr na Wauffer !“ ©
Bäuerin: „Kann ſcho jan, {Haun S,
unvernünftige Vieh halt goar zu viel Haſſer!!

** Ihr Spleen.
Rittmeiſter v. D.: „Nun, Kamerad, werden Sie hell
derangirten Verhältnifjen bald die reiche Miß Carnell hent
Kittmeiſter v. M.: Nee; Hat, wie alle Euaͤlaͤudert!
Spleen?
„So? Und was für einen?“
Sie will mich nicht !“

Ein Kilderungsoͤrund—
Richter : „Sie geftehen alſo zu, den Diebſtahl begal

(
1




* *
Diegebildete Köchin:.
_ Hausfrau: „Aber Raroline, Sie al8 ein fo bejahrie2 M
zimmer, {fnüpfen noch. ein Berhältniß an? Schämen M
denn nicht? *
Köchin: „Nee, Madame! Singt doch der obttliche Fre
O/ lieb, 10 lang du lieben lannſt 4

* Ein zurctfauer. 4
Nachtwächter: „Hört, Fhr Leute und iaßt Euch fad%
Gloce, die hat zweie g’'idhlagen!“ — (Stimme aus dem


De hübſch „elfe“, ſonſt trau ick rir nich nach Hauſe!

*
Ein finniges Beileidzzeichen
„Ae ſchöne Empfehlung von meiner Mutter —










 
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