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Wochenbeilage zum "Pfälzer Boten" — 1890

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Nr. 5 - Nr. 8 (2. Februar - 23. Februar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44275#0018
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ſie am nächſten Tage dem Darleiher unter Beifügung
der wenigen brieflichen Worte: „Hierbei die hundert
Francs von Ihrem dankbar ergebenen X.“ durch die
Poſt — wie er meinte — wieder zurück. Am fol—
genden Tage entdeckte er zu ſeinem Erſtaunen und
Verdruß die Hundertfrancs⸗Note auf ſeinem Schreib⸗
tiſch; er hatte in der Eile vergeſſen, ſie beizufügen.
Er eilt zur Kammer und ſucht den Collegen auf.
„Sie haben meinen Brief erhalten?“ — „Gewiß,
auch die hundert Franes.“ — „Das iſt ein Scherz
Ihrerſeits; denn ich wollte mich eben entſchuldigen,
daß ich vergeſſen, das Geld einzulegen.“ — „Iein,
in allem Ernſt, die Banknote laͤg im Brief, wir ſind
quitt. Beide Abgeordnete waren ihrer Sache ſicher—
und es ergab ſich mit Beſtimmtheit, daß der Brief
ohne die hundert Francs abgeſchickt und mit dem
Gelde angelangt war. Was war ihm Uuterwegs
begegnet? Böſe Zungen erzählen, daß der Brief, weil
mit der Adreſſe eines bekannten Boulangiſten ver—
ſehen, den Umweg durch das Schwarze Cabinet ge—
nommen, dort geoͤffnet und geleſen wurde und wieder
geſchloſſen werden ſollte, als einex der Angeſtellten
darauf hinwies, daß in ihm von einer Sendung von
hundert Franes die Rede fei. Die Banknote ſei
allerdings verſchwunden, man wiſſe nicht wohin. Um
allen Erörterungen aus dem Wege zu gehen, müſſe
man den Verluſt auf Staatskoſten erſetzen. So ſei
es gekonimen, daß dem Briefe ein offiziöſes Hundert—
franes⸗Billet beigefügt worden ſei und ein ausge—
ſprochener Boulangiſt gegen ſeinen Willen eine Zu—
wendung aus den geheimen Fonds erhalten hatte.

— Das Grabmal Leo's XIII) Nach dem
Beiſpiel ſeiner Vorfahren hat, wie die Italie ſchreibt,
auch Papſt Leo XIIK, bereits an das Grabdenkmal
gedaͤcht, das ſ. 3. ſeine ſterbliche Hülle umſchließen
wird und den Plan des Grabes ausführen laſſen, das
im Lateran errichtet werden ſoll. Das Bild des


dargeſtellt. Zwei Rieſenhildſäulen, die „Iteligion“ und
die /Gerechtigkeit“, ſtehen aufrecht an den Enden
des Sarkophags. Die Statue des Papſtes, die zwei
allegoriſchen Figuren und das übrige Denkmal werden
aus karrariſchem Marmor ſein, mit Ausnahme des
Sarkophags felbſt, der von Porphyr hergeſtellt wird.
Das Denkmal muß in 3 Jaͤhren fertig ſein, doch
darf es erſt beim Tode Leo’3 XII an feinem Plabze
aufgerichtet werden. Die Koſten ſind auf 100,000 Fr.
feſtgeſetzt.

Fürſt Bismarcks letzter Walzer. Ma-
dame Carette, die einſtige Vorleſerin der Kaiſerin
Eugenie, erzählt in Meinoiren folgende Erinnerung
aus ihrem Leben am Tuilerienhöfe. Auf einem
großen Balle, welcher in den Tuilerien während des
1867er Ausſtellungs⸗Beſuches des Königs von
Preußen dieſem zu Ehren gegeben wurde kam mir
während des Cotillons die Idee, dem Grafen von
Bismarck, der aus einer Ecke den Tänzen zuſah, ein
Roſenbbuquet anzubieten, was die Bedeutung einer
„Damenwahl“ für eine Walzertour hatte Bismarck,
damals Gegenſtand der allgemeinen Aufmerkſamkeit,
nahın das Bouquet an, und der Sinladung ent-
{prechend, walzte er mit mir in vortrefflichſter Weiſe
mitten durch das Gewühl der Tänzer hindurch.
Diefer kleine Borfall, der mit der Würde des Grafen
und mit der Rolle, die er ſchon damäls in den Welt—



fragen ſpielte, gar nicht im Einklang ſtand, ſchien die
anweſenden Sonberaine und die ganze Geſellſchaft ſehr
zu amuſtren, da man kaum erwaͤrtete, Bismarck ſich
unter die Jugend mengen zu ſehen. Als der Graf
mich nach meinem Platz zurückgeleitet hatte, zog er
eine künſtliche Roſenknospe aus dem Knopfloche ſeines
Frackes und überreichte mir dieſelbe mit den Worten:
Wollen Sie die in Erinnerung an die letzte Walzer—
kour aufbewahren, die ich in meinem Leben getanzt
haben werde und die ich nicht vergeſſen werde.“ Ob's
wahr iſt?

Literariſches.

Im Verlage der Paukinus- Druderei in Triet
erſchien:
Die Parlaments Wahlen
A, Qandtagsiwahl, B. Reichstagswahl?
LWahlunterricht, IL Wichtige Bemerkungen, Bon G. F. Das⸗
bach. 24 S,, 80, Preis 20 Pfg.; franko 23 Pfg. (Mit 10 Pfg
Porto kaun man &8 Eremplare frankiren.)

Zu der nahe bevorſtehenden Reichstagswahl fommt dieſe
Broſchüre ſehr gekegen. Der ſonſt fo trockene Stoff der ge⸗
jeblidhen Beftinumung ift hier in einer Weiſe behandelt, daß
Jedermaun die Schrift mit großem Intereſſe leſen wird


weniger daͤs geſetzliche Material über dieſelbe bekannt, und
dies ijt ein ſehr großer Nebel:and. Um eine rege Wahlbe⸗
theiligung zı erzielen, ift aber unbedingt erforderlich, daß
beides den Wählern bekannt iſt. Wir ſind überzeugt, daß derz
jenige, welcher die vorliegende Broſchüre lieſt und aus der⸗
felbn erfieht, auf welche Weiſe in einzelnen Wahldiſtrikten bei
frühern Waͤhlen Wahlbeeinfluſſung geübt oder verſucht wurde,
die Wichtigkeit der Wahl ſofort erkennen wırd, und nicht mur
dies wird der Fall fein, auch ein eifriger Agitator kann aus
ihm werden! Im Intereſſe eine3 jeden Wahlkomites liegt e&
alſo, wenn es eine rege Wahlhetheiligung anjtreben will, da
für zu ſorgen, daß jeder Wähler über die Wichtigkeit der
Wahl aufgellärt werde; dies geſchieht aber nicht genügend
durch oft nur ſchlecht befuchte Wahlverfammlungen, ſondern
vorzüglich auch durch geeiguete Lektlire, Die Berlagsbuch-
handluͤng gibt an Kontites die Broſchuͤre, wenn ſie in Parthien
beſtellt wird zu ganz bedeutend ermäßigtent Preiſe ab, ſo daß
ſie leicht auf Koſten des Wahlfonds angeſchafft und gratis ver—
theilt werden kann.

Humoriſtiſches.

— (Touriftenfreuden.) Dourift: Aber, Herr Wirth,
das iſt ja entfetzlich! Zuerſt ſchlafe ich in dem blauen Zim-
mer, da laffeu die Wanzen einem keine Ruhe, Dann quar-
tiren Sie mich in da8 rothe Zinumer ein und hier winımelt
e& von Flöhen. — WirthH: SIa, da3Z ift fo ’ne eigene Sache
— in ein Zinmer ı fann. man die Beefter nämlich nicht zu—
Jammenbringen, da vertragen ſie ſich nicht

— Doktor: Ka, lieber Mann, ich habe ihre Lunge genau
geprüft und muß Shnen offen jagen, daß der Grund Ihrer
Krankheit ausijchließlid) in dem Mangel an Bewegung Kegt.
Sie müfjen mehr gehen, mehr in Bewegung ſein, _momoghdj
jeden Tag jpazieren gehen. Womit befhäftigen Sie ſich? —
Ratient: Ich bin feit zwanzig Jahren Briefträger

Rechenanfgabe

Ein Vater vertheilt unter feine 8 Kinder Nepfel. Den
Knaben gibt er 24, den Mädchen 30; dabei bekommt jedes von
den MäddHen 2 Aepfel weniger al8 jeder Kıabe. Wieviel
Knaben und wieviel Mädchen waren es?“ ®


— ſandlen ein:
Leopold Brenzinger und * Neckerntann, Heidelberg.





 
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