Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Wochenbeilage zum "Pfälzer Boten" — 1890

DOI Heft:
Nr. 9 - Nr. 13 (2. März - 30. März)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44275#0028
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


das Fieber befommen hatte. lachte mit und meinte,
wie die Menſchen mur ſol dumm ſein fönnten, die
Wahrfagerei eines alten Weibes und daß ein Meuſch
ein Wehrwolf ſein könne, zu glauben. Ja, ſie haben
geredet und gelacht und Spaß draͤn gehabt, daß doch
ein Fremder der Arie nämlich. aus B. und keiner
aug ihrem Dorfe, der Hauptheld des Abenteuers ge⸗
wejen war. Sie wollten ihn einpfehlen, wenn Jungfer
Saune mal wieder ſolch einen Wehrwolf zu Leibe
gehen moͤchte. Des Mittags bei der Kirſchen⸗Ver⸗
dachtung wollte jeder, dem Peter die Hand drücken
damit er faͤhe, daß ſte nicht ſo dumm wären, als
Mnudere, die an foͤlche Dinge glaubten Was bei
MRielen diefer Lacher vielleicht in einem Herzenswin⸗
rechen ſaß/ das wollen wir nur umnunterfucht laͤſſen und
au nicht fragen, ob ſie nicht an dieſem ſelbigen
MNbend ſich noch allerlei Hiſtorien zu erzaͤhlen hatten,
die ſie natürlich nicht glaubten, aber die Vater und
Mutter oder wer ſouſt doch ſelber erlebt hatten; wir
wollen uur noch fragen, ob die Sonne an Gretchens
Geburtstage nicht froͤhlich ſcheinen durfte, nun der
Mrzt, mit dem SGrunde des Uebels vertraut, zu
Sretchen gerufen, ganz gute Hoffnung gibt, und uun
ein Strahl von hoͤheren Lichte ſich über das Dörfchen
ergießt und predigt: daß cS noch lange nicht immer
weife iſt, mehr glauben zu wollen, als Andere glauben,
und daß ein Menſch fehl taſten kann, ſo lange er im
Dunkeln taſtet. *

Und nun wuß ich Euch bitten, nochmal eben mit
auf einen Bauernwagen zu kommen. ’3 iſt ein warmer
Sommer geweſen, ein wohlthätiger Sommer.

Obſchon es ſchon in der letzten Hälfte des Sep⸗
tember& ijt, ſo iſt doch der Lehmweg, der vom Dorfe,
wo Gretchens Mutter wohnt, am „rothen Thurm“
entlang zum Deiche führt, noch ſo hart wie ein Stein.
Mit zwei prächtigen jungen Fferden davor, rollt und
poltert der Bauernwagen, daß man ihn ſchon ne’
Viertelſtunde weit hören kann.

Faſt in denſelben Kleidern, als in jener Nacht,
wo wir ſie auf dieſem Wege zun erſten male ſahen,



nicht unterlaſfen ein munteres Lied anzuftimmen, 10
daß e& Tante Sanne auf der hinteren Bauk gauz :
abfonderlih zu Muthe wird; denn obſchon ſie DaS jg
Orafkelbiüchlein mit all’ den Planeten auf Johannes ſit
freundliche Bitte dem Pfaͤrrer gegeben hat und es 44
gerne glaubt, daß die gauze Baͤhrfageret weiter nichts *
al3 fündhaftes Luͤgengewebe ift, ſjo meint ſie doch Stun
daß 'ne Berfon von fünfzig Sahı — aln Refpelt kr
davor — doch auch noch nicht ganz 3U verſchmaͤhen Iny (
ift, wenn nur der „Rechte“ mal kommen wollte.
Boͤrn auf der Futterkiſte ſist ein langer Kerl ſnes
mit waͤs gekrümmten Rücken, der jedoch mit feſter hay
Hand die Pferde im Zaume hält, und neben ihm bl}
Hat ein alter Mann Plag genommen, der ein [OwaxzeS kiä)ge
Hündchen auf dem Schoöße hat, daß ihm fortwährend *
die Haͤnde leckt. *
1lnd — in vollem Trabe geht’3 an den Schilfe *
und Moorgrunde vorbei, wo einftens der „rothe Thurm *
gejtanden Hat. Ob unfere Gejellichaft geiprädig DEr | *
ſehweigfanl ift, das kanı man bei den Gepolter des i‘cf)'
MWagenz, dem Hufgeklapper und dem Gerajfel der fr “
Ketten, die hinten am Wagen baumeln, kaum mit
— Diefem Mugenblie, —
der Wagen an dem rothen Thurme“ vorbeiſauſt/ 4
Kanır man doch fehen, wie Tante Sanne — obſchon *
ſie ebenfalls gerne glaubt, daß das Gerede von dem 8*
„rothen Thurme“ uur fündiges Gejdwäß it — wie f
fie frogdem beim Vorheifahren den ſchiefen Kopf *
fauım merkbar etwas tiefer in die Schultern Hinein- ı {
— gute Sohann jehr weit 48
Dom Graben abhält, denn, „mit ’nem Graben Hat er
vor noch nicht langer Zeit hinreichend — (
gemacht.“ Auch ſteht man den Beter, nun die Pferde *
mit gefpibten Ohren 1nD zeftreckten Beinen in vollen *
Salopp die hinanrennen, YY *
dach Sanne umfehen und mit muthwilligem Tugen⸗
zwinkern auf ihr Schuͤhwerk zu zeigen ſo daß Souue
Jachen muß, obfehon fie e3 Lieber nidt iHäte, und 5
Peter, Gretchen ſowie Mutter Lene zeigen ebenfalls *
lachende Geſichter — und wenn man ſehr gut auf⸗ *
paßt, dann kaun man vielleicht auch hören, —
Saͤnne gegen das Wagengepolter anſchreit, daß **





heiden Seiten vor dem aufwirbelnden Staube kaun

ıeb

'e‘.llw



ir

Greichen und Jeder, der ſie fieht, denkt für ſich hinz lang geht. *
Der Tauſend/ was für ein allerliebſtes Kind! Ein Sohaͤnn ſcheint wohl großen Hunger zu haben



das Geſichlchen wieder.

n
el

Brüdern und Schweftern, die vorausgefahren ffuſ



ME die Anaflt, die Gretchen ſo arg zugefeßt haben ſich dort verſammelt. 7
hatte, ausgetobt war, da iſt ſie noch drei Wochen Zwet ſtarke junge Burſchen halten die Pferde
laug krank geweſen und daun {o Lang{amerhand wieder die ein wenig ſcheu werden bein Auͤblicke der groß '
die Alte geworben, und wenn Peter fie anfieht, dan Faͤhne/ die ein Dritter in der Fauſt hält. N
fanır er c3 bei all dem Geſtoße des Bauernfuhrwerks (Schluß folgt.) \

1
 
Annotationen