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Wochenbeilage zum "Pfälzer Boten" — 1890

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Nr. 9 - Nr. 13 (2. März - 30. März)
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ſoll es richtig ernähren. Hühner halten wir, und
doch fehlt eS uns, dieſe zu pflegen und füttern zu
fönnen, wie es nothwendig iſt. Im Garten ſtehen
wir rathlos. Unbekannt iſt es uns, wie die Pflanzen
keimen, ſich nähren, wie ſie wachſen und reifen. wie
wir den Boden zu bearbeiten, mit welchen Stoffen
wir zu düngen, wie wir die Saat zu pflegen haben.
Die naturwiſſenſchaftlichen Kenntniſſe müſſen Einzug
halten in den Frauenſinn: denn ſie ſind ez, auf denen
das ganze Wirthſchaftsleben beruht. Religion und
Natut, Ratur und Religion, ſie ſind die beiden Veſten
des Lebens. Den Landfrauen, ſo ſage ich, Mutter
Walter, gehört zur tiefen, wahren, religiöſen
Bildung zuͤerſt die naturwiſſenſchaftliche. Die Land—
frau niuß die Chemie der Küche, des Waſchens und
Backes kennen, ſie muß die Naturgeſetze über die Er—
nährung und die Pflege des Khrpers inne haben, ſie
muß wiſſen, wie die Pflanze wächſt und ernährt wird.
Diefe Bilduͤng reinigt Aberglauben und Thorheit, ſte
ſchafft Wohlbefinden und Wohlgelingen, ſie ſpart und
erwirbt Vermögen, ſie gibt Beſcheidenheit, Ehrfurcht,
Mertrauen, Adieu, Kinder, geht an euere Arbeit

„Was der Menſch ift, daß iſt er!” fagt ein
Wahrwort und ſo ſpricht Mutter Walter: Mädchen,
wollt ihr ſpäter als Frauen Mann und Kinder und
euch ſelbſt arbeitsfähig, kräftig und geſund erhalten,
wollt ihr zufrieden und glücklich ſein, ſo bedenkt, daß
die Liebe nach der Hochzeit aus dem Herzen in den
Magen rutſchi, mit andern Worten, liehe Madchen,
daß ihr es gelerut haben müßt, das Eſſen ſtets ſo
herzuſtellen, daß dasſelbe nicht nur ſatt macht, ſondern
alle Mitglieder der Familie richtig nährt, daß es
ſchuieckt und erfreut. Jedes Mädchen ob arm, ob
reich, muß die Küche aus dem ff verſtehen.

Heule iſt unſere Küchenwirthſchaft noch recht
traurig beſtellt. Es wird gekocht, gebraten, einmal
in Geräthen, die Saft und die Kraſt aus dem Eſſen
in den Schornſtein gehen laſſen, ſo daß der Eſſer oft
leider nur gar zu oft, nahrloſes Gericht kaut und in
den Leib ſpedirt, andrerſeits verſtehen die Frauen
nicht die richtige Zuſammenſetzung des Eſſens, und
ſo gibt es heule ein nahrhafteS, morgen ein nahrlofes
Gericht, und dahei geht Verſchwendung über Ver-
ſchwendung, Verluſt uͤber Verluſt Hand in Hand.
Es iſt, liebe Mädchen, gar nicht ſo unrecht, wenn es
heißt: Ja, die und die bringen durch ihre Küchen-
wirthſchaft den Manı herunter, die Kinder in Krank—
heit, daͤs Geſinde in Kraftloſigkeit . |. W., u. w.,
und wenn es andrerſeits wieder heißt: Ja, die Lore,
die verſteht zu kochen, die hat ihre Küche aber auch
in Ordnung das paßt und klappt nur alles ſo bet
ihr! Seht meine guten Mädchen, da kocht ihr früh
Kaffee, oder ihr gebt eine Suppe Ger Kartoffel zum
Frühſtück, Brod, mit Butter oder Schmalz beſtrichen;
Mittags kommt Milchreis auf den Tiſch, Nachmittags
wird Kaffee mit Brod gereicht, und das Abendbrod
iſt entweder eine Mehlfüppe vder ein Kartyffelgericht.
Ihr meint es gut und glaubt auch, das Eſſen ganz
richtig bereitet zu haben; es ſchmeckte und die Leute
halten Hunger. Satt, Kinder ſind die Eſſer vielleicht
geworden, aͤber für ihres Leibes Lehen ſtimmte ſolch'
ein Eſſen nun und nimmermehr. Hört, ich verrathe
es euch! Es wird ja auch die Zeit kommen, wa die
Menſchen richtig und beſſer ernährt werden, als es
bisher gefchieht. Für das liebe Vieh hat man ſchon
beffer geſorgt; für dieſes gibt es allerlei Futterta—
bellen, Kraftfutter, Milchfulter, Maſtfutter u. ſ. w.





46 —
Auch in den Kaſernen, Spitälern, Krankenhäu

Volksküchen kocht man richtig; es wird ales4

berechnet und wie ihr wißt, fängt jede Wirthſ

alſo auch die Küchenwirthſchaft, mit Rechnen
Rechnen, Schreiben Abwiegen bilden nun einmal
Grundlage alles Thuns und Wirthſchaftens.
ich verralhe euch, wie ihr das Eſſen ordnen
So paßt denn recht auf.

Schluß folgt.)



Jer Sommertag in der Pfalz.
Von K, C. N

Der in der Natur zur Zeit der Frühlings
und Naͤchtgleiche, des Frühlingsadventes ſich in f
Märzſtürmien äußernde Kampf zwiſchen Sommer|
Winler wurde wahrſcheinlich bei den alten heidu!
Deutſchen wie Slaben ſymboliſch-dramatiſch
einen wirklichen Zweikampf von Vertretern
beiden Hauptjahreszeiten dargeſtellt, wie ja
känipfe (nordifh Holmgänge im germaniſchen IM
thum/ wo ſie bet Mondlicht ausgekämpft wul
überhaupt als Gottesurtheile eine hohe Bedewl
hatten.
Dieſer, wie andere aus dem Heidenthum ſtamn
Gebrauch, wurde von der Kirche, ihrer conſerv
Richtung gemäß, nicht verdrängt, ſondern zu M
hriftlichen Feier des Frühlingoͤeinzuͤges umgefil
und als ſogen. bewegliches Feſ auf Sonntag Sl
verlegt, waͤlhes, immer drei Wochen vor Oftern
die Mitte der Faſtenzeit fällt. Daher heißt er k
Sonntag zu Mittfaſten oder Roſenſonntag, wen
ihm der Papſt die goldene Roſe weiht, welche &M
hohe Fürſtinnen zu berſchenken pflegt.*)
Ma3 mun die Art der Darftellung des im M
ling ſtattfindenden ſiegreichen Kampfes des Somila
mil dem überwundenen Winter betrifft, ſo hat ſill
in verſchiedenen Gegenden Deutſchlandz in verſchieſ
Weiſe erhalten, wie namentlich im Oſten in Ddenf
mals ſlabiſchen Laͤndern Schleſien und Böhmenn
ſie aber mehr in der Form des ſog. Todaustrel
bekannt iſt.
Am fränkiſchen Rhein dagegen, und namch
in der Pfälz, ſowohl in der linkfs= wie rechtsrl
ſchen, wird auf dem Land und nur ausnahmö
in der Stadt, wie beſonders in Heidelberg, mehn
Sommergewinnung oder Sonnenverkündigung!
Sonntag Lätare verſinnbildlicht.
Freilich kommt der alte Sinn dieſer Sitte iM
mehr in Vergeſſenheit und wollen wir daher zul
aufzeichnen, wie uns der Vorgang der Darſtell
des Kampfes und des Umzuges von längſt verſtorl
Leuten geſchildert wurde und wie er noch zul
fang unſeres Jahrhunderts auf dem Lande beſ
Der umziehende Haufen der jugendlichen
ſteller theilte ſich in drei Parteien, deren erſtil
noch oft dargeſtellten, gewöhnlich aber irrig zu M
einzigen Figur vereinigten, zwei vermummten Geſtl
des Sommers und Winters waren.
Da es um dieſe Zeit noch keine ſog. Maten h
junge Laubzweige der filberſtämmigen Virke gihl
wurde der Verkreter des Sommers in eine Phri
von Tannenzweigen eingehüllt, überragt von?
*) Soll durch Papſt Leo IX. um 1050 eingeführl
den fein. — Laetare Jerusalem iſt der Singang 9
dieſem Tag celebrirten Meſſe.
















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