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Kleinjung, Christine; Johannes Gutenberg-Universität Mainz [Contr.]
Quellen und Forschungen zum Recht im Mittelalter (Band 11): Bischofsabsetzungen und Bischofsbild: Texte - Praktiken - Deutungen in der politischen Kultur des westfränkisch-französischen Reichs 835-ca. 1030 — Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2021

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.74403#0217
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VIII. Wissensaufbereitung und Deutungskämpfe: Arnulf von Reims

denn er habe seine eigene Kirche verwüstet894. Sie werfen Arnulf auch Verrat an
seinem Bischof vor, gemeint ist Adalbero von Laon, dessen Bischofsstadt Karl
von Niederlothringen im Mai/Juni 987 eingenommen hatte. Die Bischöfe stellen
Arnulf als uneinsichtigen Sünder dar, der, weil er sich auch der dreistufigen
Ermahnung der Mitbischöfe gemäß dem Wort des Evangelisten Matthäus895
nicht gebeugt habe, nun öffentlich zu richten sei896. Diese Briefe inserierte Gerbert
in seine Acta, um zu zeigen, dass von Seiten der westfränkischen Könige und
Bischöfe sehr wohl eine Entscheidung des Papstes erbeten worden war, aber
keine Reaktion aus Rom erfolgt sei.
Aus Gerberts auf St. Basie folgenden Bemühungen, seine Sicht der Dinge
durchzusetzen, kann geschlossen werden, dass seine in den Akten dargelegte
Argumentation von dem ab 993 erweiterten Kreis der in den Fall Involvierten
(Papst, Otto III., ostfränkische Bischöfe) nicht so aufgenommen worden ist, wie
er es sich erhofft hatte897. Besonders die Angriffe Gerberts auf das Papsttum
empörten den päpstlichen Legaten Leo, der mit der Prüfung des Reimser Streits
betraut war und auf der Ingelheimer Synode 993 das Vorgehen wohl mit Otto III.
abgesprochen hat898. Nachdem Leo die Akten von St. Basie im Juni 993 erhalten
hatte, schrieb er einen Brief an König Hugo, in dem er die Vorwürfe gegen das
Papsttum zurückwies. Der Brief bedeutete das Scheitern der Verhandlungen.
Auf der Synode von Mouzon 995 führte der Legat Leo den Vorsitz. Hier wollte
Gerbert erneut die Absetzung Arnulfs rechtfertigen. Überliefert ist uns aus-
schließlich seine Verteidigungsrede in protokollartigen Aufzeichnungen899. Für
seinen Auftritt auf dieser Synode hatte sich Gerbert eine Verteidigungsstrategie
zurechtgelegt, die wir aus seinem Brief an Wilderod von Straßburg erschließen

894 Hier gibt es in der Argumentation eine enge Parallele mit der Selbstverfluchung Arnulfs in
Zusammenhang mit seinem Treueid gegenüber Hugo Capet. Der Fluchpsalm wurde in der
Psalm-Auslegung nach der Augustinus-Tradition in Verbindung gebracht mit dem vorzeitigen
schandbaren Tod des Judas und der Nachwahl des Apostels Matthias in das Apostelkollegium.
Auch in der Apostelgeschichte wurde der zweite Teil des Verses (und mein Amt solle ein anderer
erhalten) mit Judas in Verbindung gebracht. S. dazu Schreiner, Tot- und Mordbeten, S. 347.
Schreiner betont zwar, dass die spätantike Psalmauslegung weder Anknüpfungspunkte noch
Rechtfertigungsgründe für eine Verwendung als Fluchpsalm gebe, das schloss aber nicht aus,
dass Laien und Kleriker den Psalm verwendeten, um persönliche Gegner zu verfluchen. Bei
Arnulf hingegen dient der Fluchpsalm in den Akten von St. Basie eindeutig dazu, Arnulf als
Judas zu diskreditieren, wie es auch in anderen Dokumenten versucht worden ist. Der Fluch-
psalm soll verdeutlichen, dass er sich selbst aus der Gemeinschaft ausgeschlossen und die
fundamentale Rechtsordnung gebrochen hatte. Ein vergleichbarer Einsatz des Psalms lässt sich
bereits bei der Absetzung des Bischofs Praetextatus in der Schilderung Gregors von Tours
beobachten: Es sollen bei der Vertreibung aus dem Bischofsamt entweder die Kleider zerrissen
werden oder der Psalm ausgesprochen werden. Die Bischöfe weigerten sich jedoch laut Gregor,
den Psalm über dem Amtsbruder auszusprechen. (Gregor von Tours, Historiarum V,18, ed.
Krusch, S. 223,5-11)~

895 Matth. 18, 15-17.

896 MGH Cone. VI,2, c. 26, bes. S. 420,2-6.

897 Glenn, Politics, S. 108 zu Briefen und Akten: sie waren beide an sich politische Akte.

898 Hehl in MGH Cone. VI,2, S. 484.

899 Hehl in MGH Cone. VI,2, S. 495.
 
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