8. Zwischenfazit: Äbte versus Bischöfe?
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ren monastischen Umfeld kursierten oder an die Könige gesandt wurden. Zu-
gang zu bischöflichem Wissen war aber gegeben, Abbo arbeitete in seinem
Dossier über klösterliche Eigenkirchen ausgerechnet mit Schriften Hinkmars,
um die bischöflichen Ansprüche zurückzuweisen.
Zentral ist der Zugang zu Wissen in den eigenen Skriptorien und Biblio-
theken. Der Episkopat verfügt über ein ganz anders geartetes Wissen über den
eigenen Stand. Es gab ein stärkeres Bewusstsein, zu einer Fachgruppe, zu den
Experten der politischen, gesellschaftlichen und letztlich göttlichen Ordnung zu
gehören und es existierten eigene selbständig handelnde Gremien wie Synoden,
auf denen dieses Selbstverständnis demonstriert wurde.
8. Zwischenfazit: Äbte versus Bischöfe?
Abbo entwickelte sein Bischofsbild nicht einfach aufgrund der Erfahrungen mit
Arnulf und er bezog sich auch nicht in erster Linie auf ein Bild des Adelsbischofs
als königlichen Vasallen1132, sondern er verarbeitete und aktivierte überlieferte
Wissensbestände. Was wusste vom Bischofssein, wer kein Bischof war? Abbo
greift Kernpositionen des Bischofsbildes an, z. B. den Schutz des Kirchenguts, die
apostolische Nachfolge und die Binde- und Lösegewalt. Die Figur des Petrus
wird dabei in Anlehnung an den bischöflichen Diskurs über die Apostelnach-
folge überraschenderweise nicht auf den Papst bezogen, sondern auf die Bi-
schöfe. In anderen Zusammenhängen jedoch betont Abbo den päpstlichen Pri-
mat, wenn es um die Zuständigkeit und Legitimation von konziliaren Ent-
scheidungen und um klösterliche Privilegien geht. Aber ihm ist klar, dass die
Apostelnachfolge das politisch effektivste und brisanteste Element des bischöf-
lichen Selbstbildes ist, das er angreifen muss. Dies tut er in den Aussagen, dass
Christus seine Kirche Petrus nicht überlassen habe, die Kirche gehöre nicht Pe-
trus und seinen Nachfolgern, den Bischöfen, sondern Gott allein, so Abbo in
seinem Liber Apologeticus. In dem Brief Nr. 14 entwickelt er diese Idee ebenfalls
mit einem Zitat aus dem Matthäus-Evangelium: „Du bist Petrus und auf diesen
Fels will ich meine Kirche bauen. Meine sagte er, nicht Deine. Daher gehört die
gesamte Kirche Christus nicht aber Petrus"1133. Diese Auseinandersetzung
Abbos mit der Petrus-Nachfolge der Bischöfe zeigt, dass die apostolische
Nachfolge ein Traditionselement war, das allgemein anerkannt und in das so-
ziale Wissen übergegangen war, aber nicht mehr auf allgemeine Akzeptanz
stieß. Abbo „kannte" dieses Wissen sehr wohl, aber er reproduzierte es nicht.
Vielmehr ist davon auszugehen, dass er es wohl durch sein „neues Wissen"
ersetzen wollte.
Auf persönlicher Ebene allerdings war Abbo aber auch freundschaftlich mit
Bischöfen verbunden (z. B. Adalbero von Reims, Fulbert von Chartres). Man
1132 So die Auffassung bei Mostert, L'abbe, l'eveque et le pape, bes. S. 40.
1133 Ep. 14, Sp.441C.
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ren monastischen Umfeld kursierten oder an die Könige gesandt wurden. Zu-
gang zu bischöflichem Wissen war aber gegeben, Abbo arbeitete in seinem
Dossier über klösterliche Eigenkirchen ausgerechnet mit Schriften Hinkmars,
um die bischöflichen Ansprüche zurückzuweisen.
Zentral ist der Zugang zu Wissen in den eigenen Skriptorien und Biblio-
theken. Der Episkopat verfügt über ein ganz anders geartetes Wissen über den
eigenen Stand. Es gab ein stärkeres Bewusstsein, zu einer Fachgruppe, zu den
Experten der politischen, gesellschaftlichen und letztlich göttlichen Ordnung zu
gehören und es existierten eigene selbständig handelnde Gremien wie Synoden,
auf denen dieses Selbstverständnis demonstriert wurde.
8. Zwischenfazit: Äbte versus Bischöfe?
Abbo entwickelte sein Bischofsbild nicht einfach aufgrund der Erfahrungen mit
Arnulf und er bezog sich auch nicht in erster Linie auf ein Bild des Adelsbischofs
als königlichen Vasallen1132, sondern er verarbeitete und aktivierte überlieferte
Wissensbestände. Was wusste vom Bischofssein, wer kein Bischof war? Abbo
greift Kernpositionen des Bischofsbildes an, z. B. den Schutz des Kirchenguts, die
apostolische Nachfolge und die Binde- und Lösegewalt. Die Figur des Petrus
wird dabei in Anlehnung an den bischöflichen Diskurs über die Apostelnach-
folge überraschenderweise nicht auf den Papst bezogen, sondern auf die Bi-
schöfe. In anderen Zusammenhängen jedoch betont Abbo den päpstlichen Pri-
mat, wenn es um die Zuständigkeit und Legitimation von konziliaren Ent-
scheidungen und um klösterliche Privilegien geht. Aber ihm ist klar, dass die
Apostelnachfolge das politisch effektivste und brisanteste Element des bischöf-
lichen Selbstbildes ist, das er angreifen muss. Dies tut er in den Aussagen, dass
Christus seine Kirche Petrus nicht überlassen habe, die Kirche gehöre nicht Pe-
trus und seinen Nachfolgern, den Bischöfen, sondern Gott allein, so Abbo in
seinem Liber Apologeticus. In dem Brief Nr. 14 entwickelt er diese Idee ebenfalls
mit einem Zitat aus dem Matthäus-Evangelium: „Du bist Petrus und auf diesen
Fels will ich meine Kirche bauen. Meine sagte er, nicht Deine. Daher gehört die
gesamte Kirche Christus nicht aber Petrus"1133. Diese Auseinandersetzung
Abbos mit der Petrus-Nachfolge der Bischöfe zeigt, dass die apostolische
Nachfolge ein Traditionselement war, das allgemein anerkannt und in das so-
ziale Wissen übergegangen war, aber nicht mehr auf allgemeine Akzeptanz
stieß. Abbo „kannte" dieses Wissen sehr wohl, aber er reproduzierte es nicht.
Vielmehr ist davon auszugehen, dass er es wohl durch sein „neues Wissen"
ersetzen wollte.
Auf persönlicher Ebene allerdings war Abbo aber auch freundschaftlich mit
Bischöfen verbunden (z. B. Adalbero von Reims, Fulbert von Chartres). Man
1132 So die Auffassung bei Mostert, L'abbe, l'eveque et le pape, bes. S. 40.
1133 Ep. 14, Sp.441C.