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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 4.1924

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Heft 1
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Schaukal, Richard von: Die Wiener Hofreitschule
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https://doi.org/10.11588/diglit.62257#0030

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Biber in Steiermark weitergeführt; steiniger Boden, Alpenweide ist der
Zucht erforderlich.)
Auf diesen uradeligen Pferden, Hengsten, die je nach dem Stamm-
vater und der Mutter heißen, wird die »Hohe Schule« geritten. Vierjährig
kommt das rohe Tier, seiner Glieder noch unmächtig, in die Lehre; an der
Longe wird es allmählich mit der Peitsche zu gleichmäßigem Gang an-
gehalten, erst nach Monaten und zunächst auf kurze Frist mit der Last
des Reiters vertraut gemacht. Durch Verkürzen der Ausbindzügel wird
es »versammelt«, »herbei«gebogen, muß sich Tempo und Takt in gefälliger
Form unterwerfen. Mit fünf Jahren wird das Pferd frei in den drei Gang-
arten, Schritt, Trab, Galopp, »vorwärts« geritten, zuerst nach seiner
natürlichen Lust und Kraft, allgemach auf »verkürzte« Weise, so daß die
Regel ihm ins gelehrige Blut dringt. Sein Pfad ist der »einfache Huf-
schlag«, die Hinterbeine folgen, und zwar genau, der Spur der Vorder-
hufe. Später wird es auch den Gang auf »doppeltem Hufschlag« sich an-
zueignen haben, Vorder- und Hinterbeine einander parallel setzen. Alles
in »Anlehnung« an den Zügel, der es leicht stützt und unmerklich lenkt.
Denn die Triebkraft geht vom Sitz des Reiters aus, von seinem niemals
vom Sattel abgehobenen aufrechten Körper, der sich in den zu unterwerfen-
den Rücken mit Kreuz und Gesäß hineinschraubt. Flach liegt der Ober-
schenkel dem gesattelten Leib an, fest hält das Knie, leicht streckt sich der
Unterschenkel, tief geht die Ferse, die Fußspitze richtet sich ohne krampf-
hafte Spannung zum Pferde. Geschmeidig an den Hüften steht mit weich
nach hinten gerundeter Schulter der Arm, die Hand ist nur Ausschwung,
Ergebnis des im »Sitz« wirksamen Hebels; sie hat in behutsam wechseln-
der, das Pferdemaul niemals verreißender Anpassung an die in die Zügel
zu treibende, von der »Hinterhand« ausgehende Trittkraft die fließende
Bewegung wie an einem Seidenfaden zu stützen und zu fördern.
Die Gerte hilft dem mit anfühlender Aufmerksamkeit den Gang im
Gleichgewicht haltenden Schenkel. »Zwischen Hand und Schenkel« hat das
Pferd mit dem Gleichmaß des Uhrwerkes die von ihm geforderten Be-
wegungen, dem leisesten Nachdruck gefügig, auszuführen.
Die hohe Schule beginnt sozusagen erst mit den »Seitengängen«, den
Gängen auf doppeltem Hufschlag: Schulterherein, Kruppeherein, Renvers
und Travers. Schulterherein ist die Grundlage der Erziehung des Schul-
pferdes zu dem unbedingten Gehorsam, der die ihm von seinem Schicksal
auferlegte Lebensaufgabe ausmacht. Von innen nach außen übertretend
hat es bei verstärkter Belastung der inneren (von der Wand abgekehrten)
Beine dem wachsenden Druck des inneren Schenkels nach der Seite zu
weichen, ohne sich, außer in der Rundung der Ecken, um diesen Schenkel
hereinzubiegen.

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