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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 4.1924

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Heft 1
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Je cherche après Titine
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Wedderkop, Hermann von: Das grosse Kölner Tapetenfest
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https://doi.org/10.11588/diglit.62257#0040

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DAS GROSSE KÖLNER TAPETENFEST

Von
H. PTEDDERKOP


™\T ach dem letztvergangenen Durcheinander könnte man urteilen, daß
Deutschland kein Ordnungsbedürfnis hat. Der Deutsche ging eine
Zeit lang willig aus den Fugen, sah seine Glieder verstreut, fühlte sich hin-
und hergerissen, schwebte, statt fest zu stehen.
Keine Revolution der Welt, kein Erdbeben, keine Katastrophe, die ihm
noch ein Gramm Leben läßt, wird ihn hindern, in erster Linie nach dem
Erwachen aus Erschütterungszuständen, was ihm geblieben ist, in Ordnung
umzusetzen. Mit geschlossenen Augen greifen können, vor Überraschungen
geschützt sein, vor Anker gehen, Regelmäßigkeit, ist seinen Nerven adäquat.
Deshalb waren, nachdem aus dem Schutt
der Zeit sich zwei fest angestellte Mu-
seumsdirektoren erhoben hatten, die Zu-
stände im Wallraf-Richartz-Museum skan-
dalös. Dort hingen Bilder, aber ungeordnet.
Dreißig Direktoren hatten sich vorgestellt
als Ordner, sich verpflichtet, populär zu
sein, den Einsichten des Oberbürger-
meisters, die dieser gleichfalls von Gott
empfängt, zu folgen. Nach Ungewißheiten
der Art:
Soll ein Generaldirektor sein?
Sollen Kommoden mit Bildern ab-
wechseln?
Ist das Wallraf-Richartz-Museum ein in-
timer Raum?
Ist das Kunstgewerbe etwas der Kunst
Entgegengesetztes?.
Wo soll der Schnitt zwischen den neuen
Museumsdirektoren sein: um 1500 oder
um 1650?

Hängt Rubens mehr mit Stephan Lochner oder mehr mit Picasso zu-
sammen?
Sind alle diese Fragen beigelegt? Man tat den ersten Atemzug in dem
Durcheinander, und in zwei Köpfen entstanden konkurrierende Reinigungs-
pläne, deren Anfang eine Denkschrift, Ende Anstrich, Nischen, Umhängen
ist. Ein paar gute alte Kölner, ein Gauguin, eventuell ein Renoir, ein
Picasso, Derain, hätten in einem Kabinett als Kunst vereinigt werden
können, dazu ein Haufen amüsanter Chronik, den die alten Kölner liefern.
Meist aus dem Westen abgeleitete Kraft, aber humorvoll vorgetragen und
naiv, ein bißchen gaga, als schwächere Reflexbewegung.

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