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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 4.1924

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Heft 1
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Je cherche après Titine
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Guillaume, Paul: Die Barnes-Stiftung in Philadelphia
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https://doi.org/10.11588/diglit.62257#0049

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Dunoyer de Segonzac

DIE BARNES-STIFTUNG IN PHILADELPHIA
Von
PAUL GUILLAUME

Um das Jahr 280 vor unserer Zeitrechnung gründete Ptolemäus Philadelphus
in Alexandria sein berühmtes Museum — eine Schule zur Pflege von Dicht-
kunst und Philosophie. Nach Strabo war dem Museum, außer der Bibliothek, den
Säulengängen, den öffentlichen Lesesälen und dem großen Saale, in welchem die der
Anstalt angehörigen Gelehrten ihre gemeinsamen Mahlzeiten einnahmen, ein botani-
scher Garten angeschlossen. Jetzt — nach einem Zeitraum von mehr als zweitausend
Jahren — läßt sich eine interessante Analogie feststellen: die Barnes'sche Stiftung,
deren Bauten gegenwärtig in der Nähe von Philadelphia errichtet werden, erhält
ein Arboretum, das mit Prachtexemplaren der seltensten Baumarten ausgestattet
wird. Dies Arboretum wird den Studierenden der amerikanischen Universitäten zur'
Verfügung stehen, und seine Leitung wird in den Händen des hervorragenden Fach-
mannes Colonel Joseph Lapsley Wilson ruhen.
Der Geist, in welchem Dr. Barnes seine Stiftung geschaffen hat, wird beherrscht
von dem »fait nouveau«. Dieser Geist aber ist dem der ptolemäischen Schule näher,
als irgend einer anderen seitdem entstandenen. Tatsächlich wurden in den Tempeln
des Altertums die Reichtümer zum Zwecke der Dekoration und der Schaustellung
angehäuft. Und das blieb so bis zur Mitte des XV. Jahrhunderts, wo Cosimo I. de
Medici in Florenz sein Museum in dem heutigen Sinne des Wortes gründete. Seinem
Beispiele folgend, beeilte man sich, von allen Seiten kostbare Überreste des Alter-
tums zu sammeln und aus Gegenständen, die irgendwie für die Künste, die Ge-
schichte oder die Wissenschaft Seltenheitswerte darstellten, Kollektionen zu bilden.
Heute gibt es hunderte solcher Museen in der ganzen Welt: in Italien, Frank-
reich, Deutschland, den Vereinigten Staaten, England, Spanien usw. usw. — Es ent-
steht die Frage, ob diese Museen zur Entwicklung des ästhetischen Sinnes im Volke
wirklich so viel beitragen, wie es ihre Bestimmung scheint. Daran darf wohl ge-
zweifelt werden. Nur die Eingeweihten, die Spezialisten, die Sammler machen Ge-
brauch von ihnen und genießen sie. Die Unentgeltlichkeit des Kunstgenusses soll
Lockmittel sein. Der Plebs , aber bleibt bei seiner Überzeugung, daß die Freuden der

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