DIE WIENER HOFREITSCHULE
Von
DR. RICHARD HON SCHAUKAL
Wer zum ersten Male, sei er Reiter und Pferdeliebhaber oder nicht,
in Wien die Spanische Reitschule betritt, steht alsbald unter dem
bedeutenden Eindruck des riesigen Raumes, Joseph Emanuel Fischer von
Erlachs meisterlicher Schöpfung (1735).
Kaiser Karl VI., auf der Höhe seiner Siege in Italien und Ungarn, hat
den prächtigen Bau an der Ecke gegenüber der Michaelerkirche errichten
lassen, der neuen Hofburg planmäßig eingefügt. Die Überlieferung des
Pariser Louvre übersetzte der jüngere Fischer, als Hofarchitekt Nach-
folger Johann Bernhards, auf das Glücklichste in die Formensprache der
kunstsinnigen Heimat. Seine große Aufgabe hat er, in dem der öster-
reichische Barockstil gipfelt, mächtig ausgreifend und sicher geniale Kraft
versammelnd, in diesem wunderbaren
Denkmal adeliger Kultur als unüber-
treffliches Beispiel höfischer Herrlich-
keit gelöst.
Die von den triumphierenden Kas-
setten der Decke gekrönte, auf
Säulenreihen aufstrebende Weite des
weißen Saales dient einem hier alltäg-
lich erneuten Schauspiel, das seines-
gleichen auf der Welt nicht hat. Eine
erlauchte Kunst, seit alters berühmt
und mit Hingebung gepflegt, wird
»selig in sich selbst« geübt: die »spa-
nische Schule der Reiterei«.
Seit 1580 hielt das Haus Habsburg
in Lippiza im Karst ein Gestüt, dessen
bester Ertrag jährlich nach Wien ge-
bracht ward, um in der Hofreitschule
nach der von Pluvinel, dem Reitlehrer
Ludwigs XIII., ausgebildeten Methode
zugeritten zu werden. Fünf Stämme —
nach den Stammhengsten Pluto, Con-
versano, Neapolitano, Favory und
Maestoso genannt; ein sechster Stamm
»Siglavy« ward aus Arabien später hinzugefügt — erhalten die edle Rasse.
(Das Gestüt wird, da Lippiza von den Italienern erbeutet worden ist, in
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Von
DR. RICHARD HON SCHAUKAL
Wer zum ersten Male, sei er Reiter und Pferdeliebhaber oder nicht,
in Wien die Spanische Reitschule betritt, steht alsbald unter dem
bedeutenden Eindruck des riesigen Raumes, Joseph Emanuel Fischer von
Erlachs meisterlicher Schöpfung (1735).
Kaiser Karl VI., auf der Höhe seiner Siege in Italien und Ungarn, hat
den prächtigen Bau an der Ecke gegenüber der Michaelerkirche errichten
lassen, der neuen Hofburg planmäßig eingefügt. Die Überlieferung des
Pariser Louvre übersetzte der jüngere Fischer, als Hofarchitekt Nach-
folger Johann Bernhards, auf das Glücklichste in die Formensprache der
kunstsinnigen Heimat. Seine große Aufgabe hat er, in dem der öster-
reichische Barockstil gipfelt, mächtig ausgreifend und sicher geniale Kraft
versammelnd, in diesem wunderbaren
Denkmal adeliger Kultur als unüber-
treffliches Beispiel höfischer Herrlich-
keit gelöst.
Die von den triumphierenden Kas-
setten der Decke gekrönte, auf
Säulenreihen aufstrebende Weite des
weißen Saales dient einem hier alltäg-
lich erneuten Schauspiel, das seines-
gleichen auf der Welt nicht hat. Eine
erlauchte Kunst, seit alters berühmt
und mit Hingebung gepflegt, wird
»selig in sich selbst« geübt: die »spa-
nische Schule der Reiterei«.
Seit 1580 hielt das Haus Habsburg
in Lippiza im Karst ein Gestüt, dessen
bester Ertrag jährlich nach Wien ge-
bracht ward, um in der Hofreitschule
nach der von Pluvinel, dem Reitlehrer
Ludwigs XIII., ausgebildeten Methode
zugeritten zu werden. Fünf Stämme —
nach den Stammhengsten Pluto, Con-
versano, Neapolitano, Favory und
Maestoso genannt; ein sechster Stamm
»Siglavy« ward aus Arabien später hinzugefügt — erhalten die edle Rasse.
(Das Gestüt wird, da Lippiza von den Italienern erbeutet worden ist, in
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