BÜCHER-QUERSCHNITT
Andre D. de Segonzac
I.
Sehr geehrter Herr v. Wedderkop!
Ich möchte in der Länge des Bücherquerschnitts nicht mit den sämtlichen Aus-
führungen über die Bedeutung der spanischen Reitschule wetteifern, die endlich
den »Querschnitt« auf das historische Gebiet bringen. Um für dieses heute so be-
liebte Gebiet den nötigen Raum zu lassen, will ich mich erheblich einschränken.
Sollte ich ehrlich sein bei meinen Bücherbesprechungen und nur das wirklich
ganz Hochwertige auswählen, so hätte ich selten Grund zu schreiben; doch es macht
sich in mir immer wieder jener elende Händlertrieb geltend, der auch mindere
Ware preist. Aber im Vertrauen gesagt: die Ware
geht zur Zeit schlecht. Das merken wir an der
Grenze am besten. Hier läßt es sich am wenigsten
verheimlichen, daß alle ausländischen Bücher viel
billiger sind, nicht nur die französischen.
Französischen! Dabei fällt mir folgendes Ge-
schichtchen ein, das mir ein englischer Offizier er-
zählt hat. Auf seiner Urlaubsreise traf er, ein aus-
gemachter Büchernarr, eine auffallend große Anzahl
französischer Antiquare in London, die alle sehr
große Einkäufe machten. Erstaunt fragte er solch
einen Händler: »Was tun Sie in London? Warum
kaufen Sie so unglaublich viel? Ausgerechnet jetzt,
da der Franken so schlecht steht?« Als Antwort
erhielt er: »O, es ist ja hier alles so billig, so un-
glaublich billig! Und bei uns wird ja jetzt so viel
gekauft! Wir haben Hochkonjunktur!« — »Ja, warum kaufen denn die Fran-
zosen gerade jetzt so viel Bücher, daß sie diese in solchen Mengen hier
fortschleppen?« — »O, die Franzosen kaufen doch nicht, die Deutschen! Zu uns
kommen täglich Dutzende von Deutschen!« — Der Pariser sprachs und ging weiter,
Bücher zu hamstern, die er in Paris zu dreifachem Preis an Deutsche absetzen wollte.
Trotz der Krise im Buchhandel gibt es immer noch mutige Verleger genug in
Deutschland, die weiter. Bücher herausgeben. Außer den üblichen »Erfolgbüchern«
von Heer, Herzog, Courts-Mahler, Spengler, Ford usw. hat dank der enormen Pro-
paganda in der ganzen Welt H. Carter's und A. C. Mace's »Tut-Ench-Amun« als in-
teressantes, aber allzu brav geschriebenes Ausgrabungsbuch einen buchhändlerischen
Rekord aufgestellt. Außer den Buchhändlern, denen die Exemplare im wahrsten
Sinne des Wortes aus der Hand gerissen wurden, hat wohl jeder Mensch das Buch
gelesen. Warum also noch darüber schreiben?
Solche Bucherfolge sind selten. Aber es gibt heutigen Tages außer Politik und
Detektivgeschichten (die übrigens gar nicht zu verachten sind, sondern manchmal
ganz im Gegenteil sogar —) noch andere Gebiete, auf denen mit einer ständig
wachsenden Leserzahl zu rechnen ist. Hier eines, das heute besonders aktuell ge-
worden ist: Okkultismus. Natürlich mußte auch Thomas Mann hierüber schreiben.
Leider erzählt er allzu feuilletonistisch über einen Besuch bei dem Baron von
Schrenk-Notzing allerlei, was wir aus dessen Büchern auch erfahren können. Natür-
lich hat auch der Graf Keyserling ein Buch: »Das Okkulte« geschrieben, was den
160
Andre D. de Segonzac
I.
Sehr geehrter Herr v. Wedderkop!
Ich möchte in der Länge des Bücherquerschnitts nicht mit den sämtlichen Aus-
führungen über die Bedeutung der spanischen Reitschule wetteifern, die endlich
den »Querschnitt« auf das historische Gebiet bringen. Um für dieses heute so be-
liebte Gebiet den nötigen Raum zu lassen, will ich mich erheblich einschränken.
Sollte ich ehrlich sein bei meinen Bücherbesprechungen und nur das wirklich
ganz Hochwertige auswählen, so hätte ich selten Grund zu schreiben; doch es macht
sich in mir immer wieder jener elende Händlertrieb geltend, der auch mindere
Ware preist. Aber im Vertrauen gesagt: die Ware
geht zur Zeit schlecht. Das merken wir an der
Grenze am besten. Hier läßt es sich am wenigsten
verheimlichen, daß alle ausländischen Bücher viel
billiger sind, nicht nur die französischen.
Französischen! Dabei fällt mir folgendes Ge-
schichtchen ein, das mir ein englischer Offizier er-
zählt hat. Auf seiner Urlaubsreise traf er, ein aus-
gemachter Büchernarr, eine auffallend große Anzahl
französischer Antiquare in London, die alle sehr
große Einkäufe machten. Erstaunt fragte er solch
einen Händler: »Was tun Sie in London? Warum
kaufen Sie so unglaublich viel? Ausgerechnet jetzt,
da der Franken so schlecht steht?« Als Antwort
erhielt er: »O, es ist ja hier alles so billig, so un-
glaublich billig! Und bei uns wird ja jetzt so viel
gekauft! Wir haben Hochkonjunktur!« — »Ja, warum kaufen denn die Fran-
zosen gerade jetzt so viel Bücher, daß sie diese in solchen Mengen hier
fortschleppen?« — »O, die Franzosen kaufen doch nicht, die Deutschen! Zu uns
kommen täglich Dutzende von Deutschen!« — Der Pariser sprachs und ging weiter,
Bücher zu hamstern, die er in Paris zu dreifachem Preis an Deutsche absetzen wollte.
Trotz der Krise im Buchhandel gibt es immer noch mutige Verleger genug in
Deutschland, die weiter. Bücher herausgeben. Außer den üblichen »Erfolgbüchern«
von Heer, Herzog, Courts-Mahler, Spengler, Ford usw. hat dank der enormen Pro-
paganda in der ganzen Welt H. Carter's und A. C. Mace's »Tut-Ench-Amun« als in-
teressantes, aber allzu brav geschriebenes Ausgrabungsbuch einen buchhändlerischen
Rekord aufgestellt. Außer den Buchhändlern, denen die Exemplare im wahrsten
Sinne des Wortes aus der Hand gerissen wurden, hat wohl jeder Mensch das Buch
gelesen. Warum also noch darüber schreiben?
Solche Bucherfolge sind selten. Aber es gibt heutigen Tages außer Politik und
Detektivgeschichten (die übrigens gar nicht zu verachten sind, sondern manchmal
ganz im Gegenteil sogar —) noch andere Gebiete, auf denen mit einer ständig
wachsenden Leserzahl zu rechnen ist. Hier eines, das heute besonders aktuell ge-
worden ist: Okkultismus. Natürlich mußte auch Thomas Mann hierüber schreiben.
Leider erzählt er allzu feuilletonistisch über einen Besuch bei dem Baron von
Schrenk-Notzing allerlei, was wir aus dessen Büchern auch erfahren können. Natür-
lich hat auch der Graf Keyserling ein Buch: »Das Okkulte« geschrieben, was den
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