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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 4.1924

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Heft 1
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Je cherche après Titine
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Bücher-Querschnitt
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https://doi.org/10.11588/diglit.62257#0231

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Vorzug hat, sachlich zu tun und wie ein Roman zu wirken, Selbst die Seelen-
wanderungen ihres Mediums konnten die Herren in Darmstadt bis ins Mittelalter
mitverfolgen. Ebenso interessant sind die Bücher des Barons von Schrenk-
Notzing, trotz ihrer oft allzu umständlichen Protokolle, besonders da sie mit allerlei
mehr oder weniger wahrscheinlichen Bildern geschmückt sind, so auch sein neuestes
Buch über Fernphänomene. Bei allen diesen Büchern bemerkt man immer wieder
mit Freude, wie den Menschen, die sich mit dieser Materie befassen, einmal alle
Möglichkeiten fehlen, mit wissenschaftlichen Mitteln der Sache zu Leibe zu gehen.
Einen guten Überblick über das gesamte Gebiet der okkulten Forschungen gibt
außer Maeterlinck's »Das große Rätsel« Büchner's Buch: »Fon den übersinnlichen
Dingen«. Sein Fehler ist vielleicht sein allzu großer Drang, zu belehren. Über den
großen Geisterseher Swedenborg, den ausgerechnet Herr Hasenclever ins Deutsche
übersetzt hat, erschien neuerdings ein Buch von K. Lamm. Alle diese Bücher müssen
letzten Endes unbefriedigt lassen. Das liegt
an der Materie. »Die okkulte Mode« ist natür-
lich die Grundlage zu den mannigfachsten
Sorten der modernen Mystik. Eine der amü-
santesten Erscheinungen dieser Art ist Bo-Yin-
Ra, der jetzt ein Buch: »Welten« mit bunten
Bildern herausgegeben hat. Das darin bemerk-
bare Eindringen des Expressionismus in die
Mystik ist entschieden der Sieg der neuen
Zeit. Von hier aus führt der Weg in Unermeß-
lichkeiten des halben Sinnes und des halben Un-
sinnes von Meyrink zu Steiner (ihre Bücher
mehren sich!) bis zu den Schriften des Vaters
— aber auf diesem Gebiete kann nicht mehr
quergeschnitten werden, da die Materie noch
flüssig oder luftförmig ist. Flüchten wir zu


Kiepenheuer, dem in seiner Regsamkeit und Modernität geradezu vorbildlichen Verlag.
Sein neuestes Buch: »Das Kinderspielbuch« von Ringelnatz. Die Gedichte beginnen
schon allenthalben die Runde zu machen. Ferner erschien von ihm neu — liner roma
-— mit eigenen Bildern, gefühlvolles Hackfleisch, seelisches Erbrechen, romantisches
Delirium — - in summa Ringelgenatztes. — Wir haben wieder Boden unter uns und
befinden uns in dem immer dichter werdenden Walde der unterhaltenden Literatur
und ihrer Verwandtschaft. Hier einige Wachstumproben dieses Jahrgangs:
Döblin's Roman »Berge, Meere und Giganten« ist ein Roman im Überformat, ein
dichterisches Chaos, eine Fantasielawine, ein Mammut, der seinen eigenen Stall
zertrampelt, ein mißratenes und doch sehr großes Werk. Es ist die Geschichte des
Überkapitalismus und seiner Nachkommenschaften. Ein Buch vom Überkapitalismus
ist auch U. Sinclair's »Parademarsch«, in dem er das Wesen der amerikanischen
Universitäten und die Ursache der geschilderten Zustände freilegt. Unser Kapitalismus
ist zur Zeit tüchtiger als der amerikanische. Was wird wohl aus unseren Universi-
täten werden? U. Sinclair ist eine der wenigen erfreulichen Erscheinungen der
amerikanischen Literatur; es ist ein Verdienst des Malik-Verlages, seine Schriften
uns Deutschen zu erschließen.
In deutscher Übersetzung erschien jetzt auch R. Rolland's »Ghandi«, das Buch
von dem großen indischen Revolutionär dieser Tage, der immer noch trotz aller
Schicksalsschläge weiter experimentiert an der Befreiung seiner indischen Mit-

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