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Galerie Flechtheim [Contr.]
Der Querschnitt — 4.1924

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Heft 1
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Je cherche après Titine
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Wedderkop, Hermann von: Das grosse Kölner Tapetenfest
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https://doi.org/10.11588/diglit.62257#0042

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^^""g dieser Art Museen unizusehen, die seit hundert Jahren unkontrol-
liert wuchern. Schlimmster Feind alles Lebenden von heute ist auch hier
Sentimentalität. Der Museumsdirektor — wenn schon — soll sich nicht
mumifizieren, er strahlt Bewegung in die Bilder; wenn er sie blendet,
mögen sie erlöschen. Er attakiert durch sein Vorgehen den alten neu-
gotischen Bau, der, ahnungslos, neuangestrichene Eingeweide bekommt.
Einige Bilder, wie Gauguin, mögen anders denken; sie sind so wenig
betroffen wie gemeint.
Das alte Tapetenfest ging stumm und würdig vor sich. Zu dem neuen
strömte Groß und Klein. Zwei Tage drückte das Organisationstalent des
neuen Direktors der westlichen Kulturmetropole seinen Stempel auf. Mit
in den Taumel der Farbe gerissen, vergaß das geistige Köln einen Augen-
blick Tradition wie Geistigkeit, strömte, präpariert vom Kunstverein, erst
durch die Säle, dann zu einem mysteriösen Frühstück, das ein anonymer
Kunstfreund, bekannter Sammler, bei eigener Abwesenheit gab. Die Presse,
der nicht Genüge geschehen war, aß nebenan Hämmchen. Das Fest be-
herrschte das Stadtbild, ein langer Zug Geistigkeit (darunter prominente
Berliner) zog den Strom entlang, was, diesem Strom und seiner Ufer-
pronienade ungewohnt, abzulehnen ist. Der Rhein war von grauer Gleich-
gültigkeit gegen das eben Erlebte, sprach mehr durch Breite, die den öst-
lichen Kolonen bewies, daß es auch andere Flüssigkeiten gibt als den
Landwehrkanal.
Der Traditionsspießer wirft die Frage auf, wieviel Lochners, Leibis,
eventuell Renoirs statt der Neuarrangeemnts erworben werden konnten.
Die Frage interessiert uns nicht, da wir auf dem Boden der Tatsachen
stehen. Wir haben Klein-Magdeburg, und wir haben es drinnen, unter
Dach und Fach, geschützt.
An tatsächlichen Neuerwerbungen war in dem Durcheinander des
Werdens mal ein Lüdke zu sehen, ein ringsum eingezäunter Alpensee.
Unten die Intimität der Pfähle, oben unberührte Alpenwelt. Auf dem See
zahlreiche kleine Wellen: »Meister der Wiederholung«. Wo ist das Bild
geblieben?
Im neuen Departement sind u. a. ein Rayski und ein Hofer erworben.
Die Neuzeit, in Gestalt von Dix (»Der Krieg«), wird hinter einem stahl-
grauen Vorhang gehalten, der das besseren Ständen angehörende E,
Öffnungspublikum in Festlaune hielt. Dix, der wunderhübsche Kinder-
bücher gemacht hat, schwingt sich hier zum neuen Grünewald auf. Haupt-
wirkung: Gas, Würmer, Ehering, dessen Unzerstörbarkeit über den Tod
hinaus bewiesen wird, Eingeweide Nebenrolle. Ein fleißiger Kriegsbericht,
aber post festum, es gibt aktuellere Dinge. Das Erfreuliche ist nur die
Gesinnung, die an der Kunst vorbeischmiert, als ob sie nicht hold, nicht
erhaben, nicht Gnadenbringerin wäre. Erlösende Konsequenz. Was bleibt
denn anderes übrig?

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