kann. Aber Kinder sind immer klüger als Erwachsene, härter und physikalischer.
Wenn man heute eine neue Kunst schaffen will, muß man, wirklich wieder zum Kind
werden; man wird dann erst instinktiv besser und nützlicher.
Eine Musik wie die »Sonate Sauvage«, die Antheil im Champs Elysees-Theater
gespielt hat und die leider nur sehr wenige gehört haben, gibt nicht die Nuancen der
primitiven Musik, sondern die Mechanik der Primitiven wieder, und zwar oft besser
als die Primitiven selbst es hätten tun können. Das kommt daher, weil er die tiefsten
Elemente eines naiven Menschen in sich hat, die er als Künstler mit einer genialen
Klugheit auszudrücken versteht.
Aber in demselben großen Maße, wie er primitiv ist, ist er auch ein unterschied-
liches Produkt einer neuen Rasse, die mit Elektrizität schon fast geboren wird und
deren Ziel eine neue, mechanisch gesteigerte Schnelligkeit des Lebens ist, mit der
Europa schon nicht mehr Schritt halten kann. Denn Amerika hat ein neues Volk, das
keine Traditionen haben kann, weil das Leben sich zu schnell verändert. Aber An-
theils mechanistische Musik ist keine Theorie, sondern die Synthese dieser neuen,
übermechanistischen Welt, deren Bewegung von Grund aus jede Sentimentalität aus-
schließt, weil Dinge, die funktionieren sollen, notwendigerweise praktisch sein müssen.
Es gibt auch künstlerisch eine höhere Zweckmäßigkeit, nämlich die, die George
Antheil anwendet. Denn praktisch ist nichts weiter, als was mechanistisch logisch
funktioniert, und musikalisch praktisch sein, heißt, nichts Überflüssiges sagen, sich
also mathematisch ausdrücken. Es ist auf jeden Fall ein großes Verdienst Antheils,
daß er ein neues musikalisches Empfinden und Sensibilität geschaffen und die Musik
auf einer neuen Grundlage aufgebaut hat. Er ist ein genialer Künstler, was in dieser
musikabgewandten Zeit eine auffallende Erscheinung ist.
Was Amerika ihm bietet, das ist das Primitivste und rhythmisch Komplizierteste:
Jazz und die Maschinen, aber in einem überhysterischen Zustand, wo die Spannung
schon so groß ist, daß sie sich jeden Augenblick entladen kann. Da jedes Volk seine
eigene Musik hat, so ist Jazz die amerikanische Volkskunst. Ihre rhythmische Phan-
tasie hat nichts mit ihrem afrikanischen Ursprung zu tun. Aber George Antheil fühlt
diesen Rhythmus in seiner höchsten Potenz. Er malt niemals in
seiner Musik, wie einige moderne traditionelle Künstler, sondern
er setzt die gefundenen Elemente in Bewegung und läßt sie im
\ Raume schwingen. So hat man bei seiner Musik nicht das Ge-
fühl, als ob einem ein Bild gezeigt würde, man denkt viel eher,
Ql daß Ereignisse und Bewegungen in Raum und Zeit geschehen.
/ Er gibt in seiner Jazzmusik die tiefste Mechanik des Jazz, und
/ { dieser Rhythmus ist positiv, gegenwärtig und immer wieder sich
I erzeugend.
A George Antheil nannte sich früher einen Futuristen, weshalb
\ er öfters mit den italienischen Futuristen verwechselt wurde, mit
\ denen er aber nichts zu tun hat. Er nannte sich so aus dem un-
/ / bewußten Gefühl heraus, daß seine Musik, die sich von jeder
anderen modernen Musik unterscheidet, die Musik der Zukunft
Grosz (Gliche ist, was die heutige Verständnislosigkeit gegen ihn auch genügend
Malik-Verlag) beweist. Denn George Antheil ist nicht eine weitere Revolution
der amerikanischen Dogmen der Musik, sondern er schafft eine ganz neue Technik
und sein mechanischer Aufbau der Musik weist einen neuen Weg und schafft eine
neue Epoche. (»Arlequin«.)
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Wenn man heute eine neue Kunst schaffen will, muß man, wirklich wieder zum Kind
werden; man wird dann erst instinktiv besser und nützlicher.
Eine Musik wie die »Sonate Sauvage«, die Antheil im Champs Elysees-Theater
gespielt hat und die leider nur sehr wenige gehört haben, gibt nicht die Nuancen der
primitiven Musik, sondern die Mechanik der Primitiven wieder, und zwar oft besser
als die Primitiven selbst es hätten tun können. Das kommt daher, weil er die tiefsten
Elemente eines naiven Menschen in sich hat, die er als Künstler mit einer genialen
Klugheit auszudrücken versteht.
Aber in demselben großen Maße, wie er primitiv ist, ist er auch ein unterschied-
liches Produkt einer neuen Rasse, die mit Elektrizität schon fast geboren wird und
deren Ziel eine neue, mechanisch gesteigerte Schnelligkeit des Lebens ist, mit der
Europa schon nicht mehr Schritt halten kann. Denn Amerika hat ein neues Volk, das
keine Traditionen haben kann, weil das Leben sich zu schnell verändert. Aber An-
theils mechanistische Musik ist keine Theorie, sondern die Synthese dieser neuen,
übermechanistischen Welt, deren Bewegung von Grund aus jede Sentimentalität aus-
schließt, weil Dinge, die funktionieren sollen, notwendigerweise praktisch sein müssen.
Es gibt auch künstlerisch eine höhere Zweckmäßigkeit, nämlich die, die George
Antheil anwendet. Denn praktisch ist nichts weiter, als was mechanistisch logisch
funktioniert, und musikalisch praktisch sein, heißt, nichts Überflüssiges sagen, sich
also mathematisch ausdrücken. Es ist auf jeden Fall ein großes Verdienst Antheils,
daß er ein neues musikalisches Empfinden und Sensibilität geschaffen und die Musik
auf einer neuen Grundlage aufgebaut hat. Er ist ein genialer Künstler, was in dieser
musikabgewandten Zeit eine auffallende Erscheinung ist.
Was Amerika ihm bietet, das ist das Primitivste und rhythmisch Komplizierteste:
Jazz und die Maschinen, aber in einem überhysterischen Zustand, wo die Spannung
schon so groß ist, daß sie sich jeden Augenblick entladen kann. Da jedes Volk seine
eigene Musik hat, so ist Jazz die amerikanische Volkskunst. Ihre rhythmische Phan-
tasie hat nichts mit ihrem afrikanischen Ursprung zu tun. Aber George Antheil fühlt
diesen Rhythmus in seiner höchsten Potenz. Er malt niemals in
seiner Musik, wie einige moderne traditionelle Künstler, sondern
er setzt die gefundenen Elemente in Bewegung und läßt sie im
\ Raume schwingen. So hat man bei seiner Musik nicht das Ge-
fühl, als ob einem ein Bild gezeigt würde, man denkt viel eher,
Ql daß Ereignisse und Bewegungen in Raum und Zeit geschehen.
/ Er gibt in seiner Jazzmusik die tiefste Mechanik des Jazz, und
/ { dieser Rhythmus ist positiv, gegenwärtig und immer wieder sich
I erzeugend.
A George Antheil nannte sich früher einen Futuristen, weshalb
\ er öfters mit den italienischen Futuristen verwechselt wurde, mit
\ denen er aber nichts zu tun hat. Er nannte sich so aus dem un-
/ / bewußten Gefühl heraus, daß seine Musik, die sich von jeder
anderen modernen Musik unterscheidet, die Musik der Zukunft
Grosz (Gliche ist, was die heutige Verständnislosigkeit gegen ihn auch genügend
Malik-Verlag) beweist. Denn George Antheil ist nicht eine weitere Revolution
der amerikanischen Dogmen der Musik, sondern er schafft eine ganz neue Technik
und sein mechanischer Aufbau der Musik weist einen neuen Weg und schafft eine
neue Epoche. (»Arlequin«.)
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