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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 4.1924

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Heft 4
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Rumpf, Fritz: Japanisches Theater
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https://doi.org/10.11588/diglit.62257#0382

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gehoben worden waren, über dem japanischen Theater schwebte, ge-
brochen, und das Theater war zu einer Kunststätte auch für die höheren
Stände geworden. Neben dem-alten, traditionellen Stil war Danjurö be-
strebt, eine neue Spielweise, das Katsureki (Realistisches Spiel), einzu-
führen. Bei seinen Bestrebungen wurde er von dem Theaterschriftsteller
Fukuchi, der die Stücke für ihn schrieb, unterstützt. Bald fand man
aber, daß selbst das Genie eines Danjurö nicht imstande war, dem tradi-
tionellen Stil etwas Neues, Vollwertiges gegenüberzustellen, und man
kehrte reumütig zur althergebrachten Spielweise zurück. Trotzdem waren
Danjurös Bestrebungen von segensreicher Einwirkung auf- den alten
Stil, dem bei Beibehaltung seiner in Jahrhunderten erzielten Geschlossen-
heit neue belebende Momente zugeführt wurden. Der Japaner ist an
sich ein sehr kritischer Theaterbesucher, und Schauspieler, denen man bei
uns für ihre Leistungen uneingeschränktes Lob spenden würde, finden
bei ihnen oft nur bedingten Beifall. Danjurös Größe kann man ermessen,
wenn man hört, daß bei seinem bloßen Auftreten bereits viele Zuschauer
so ergriffen wurden, daß sie Tränen vergossen. Als er am 13. September
1903 starb, herrschte im ganzen Lande Trauer, und man glaubte die
Todesstunde des japanischen Theaters gekommen, zumal damals Kräfte
an der Arbeit waren, um an Stelle des alten Volksschauspiels ein neues,
nach europäischen, dazu nur halb verstandenen, Vorbildern aufgebautes
Theater zu setzen.* Kawakami Otojirö-und seine Frau Sadayakko, die
ihre äußerst zweifelhaften Künste auch in Europa zur Schau stellten,
waren die Führer dieser neuen Richtung. Glücklicherweise fand das
Publikum nur vorübergehend Geschmack an diesen wenig erquicklichen
Darbietungen, und heute hat das Kabuki seinen alten Rang wieder unbe-
stritten eingenommen. Das gegenwärtige Theater weist wieder viele gute,
ja große Schauspieler auf, wenn auch bisher keiner die Größe eines
Danjurö zu erreichen vermochte. Die jungen Schauspieler, die Danjurö
1887 zu Partnern für seine Aufführung vor dem Kaiser erwählt hatte,
sind heute die größten Mimen des Landes, und ihre Namen sind heute
in Tokyo jedem Kinde bekannt. Wer jemals das Glück hatte,
Uzaemon in der Rolle des Kirare Yosaburö mit Matsusuke als Partner
in der Rolle des Komori Yasu, Kichiemon als Sasaki Moritsuna, Enjaku
als Igami no -Gonta oder Chusha als Nikki Danjö zu sehen, wird die
Ueberzeugung haben, daß hier noch eine große Kunst lebendig ist. Ein
Beweis für die hohe Kunstauffassung der japanischen Schauspieler ist
es, daß sie sich nie dazu entwürdigen würden, ihre Leistungen in den
Dienst des Filmtheaters zu stellen.

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