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Galerie Flechtheim [Mitarb.]
Der Querschnitt — 4.1924

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Heft 4
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https://doi.org/10.11588/diglit.62257#0481

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Paul Signac

„Wie bist du, Weib?"*)
Welch große, geheimnisvolle Frage!
Wie und was bist du, du großes Rätsel des Lebens, du Sphinx, du seltsam ver-
hülltes, dämonisches Geschöpf? Du, die du uns geboren, unsere Jugend gehütet,
die du uns als Kinder geherzt und geküßt, als Jünglinge begeistert, als Männer
entzückt und berauscht hast, wer bist du, Frau? Die du Kriege entfachen, Könige
vom Throne stürzen, arme Menschen reich und reiche wieder bettelarm machen
kannst, wer, was und wie bist du? ... Kannst du ergründet, kannst du enthüllt
werden, du überirdisch-mächtig Wesen? Kann all das mystische Dunkel, das in
dir und um dich webt, ergründet werden? Du hehrstes Wunder, du Sonne des Da-
seins, gib Antwort! ...
Fast scheint es, als wären alle diese Fragen zu tief, zu heilig, als daß es eine
Antwort auf sie gäbe! Als wären sie ein einziger, lauter Klageruf, ein einzig
schmerzliches Stöhnen der Menschheit ob der Ohnmacht, sie zu lösen.
Und doch! Es gibt die Lösung, sie ist zu finden, kann gefunden werden!
Nicht der Philosoph mit seinen tausend Thesen und Antithesen, nicht der Dichter
mit seinen schönsten Reimen, nicht der theoretisch denkende und forschende Ethno-
loge kann sie finden, auch nicht — das Weib selbst! Einzig und allein der Arzt,
der in rastlos jahrelangem Streben Körper und Seele der Menschen erforscht, der
Frauenarzt, vor dem das Weib ohne Schminke, ohne Verstellung, ohne Tand und
Flitterwerk sich so zeigt, sich so zeigen muß, wie es wirklich ist. Das Weib in
seinem Werden und Vergehen, in dem großen Rätsel seiner Seele, seiner Liebe,
seines Empfindens und Empfangens, seines Gewährens und Genießens!

*) Aus dem Verlagsprospekt über das Buch: „Wie bist du, Weib?" Betrachtungen über Körper,
Seele, Sexualleben und Erotik des Weibes. Mit einem Anhänge: Die Prostitution. Von Dr. Bern-
hard Bauer 21.—22. Tausend. Nikola-Verlag.

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